Am Ende der Straße blieb K`Ehleyr stehen. Etwas abseits vom Dorf stand eine alte Hütte, dessen Dach halb eingesunken war. Eine alte Frau saß davor, in sich zusammengesunken wie das Haus selbst. Lumpen kleideten ihren mageren Körper un in ihrer Hand hielt sie einen Strick, der zu einer grasenden Ziege führte.
Nachdenklich blieb die Kriegerin wenige Meter vor der Hütte stehen. Die abgelegen Position der Hütte konnte ein Zeichen dafür sein, dass die Alte entweder eine Fremde war oder einen Beruf ausübte, der sie im Ansehen der Dörfler hatte sinken lassen.
In diesem Moment hob die Ziege ihren Kopf und stieß einen meckernden Ton aus. Die Hand der Alten bewegte sich, Sonnenlicht fiel auf sie und ließ etwas scharf an ihrem Finger glitzern.
K`Ehleyr stieß die Luft aus. Ein Ring mit einem Edelstein fand man eher selten in einer Armenhütte und so ging sie langsam auf die Hütte zu.
„Den Göttern zum Gruß.“ Ihre Worte ließ den Kopf der Alten heben. Weiße, blinde, Augen richteten sich auf sie.
„Die Schwestern mögen dich segnen, Kind.“
Von dem Gruß überrascht, setzte K`Ehleyr ihren Weg fort, bis neben der Alten stand. Ein säuerlichen Geruch schlug ihr entgegen, der sie sofort an Tun Arfis erinnerte. Trotzdem ließ sie sich neben der Frau auf einen Holzstapel nieder und begrüßte sie mit einem Nicken, wohl wissend, dass sie es nicht sehen konnte.
„Segnen die Schwestern noch, Mütterchen?“ Ihre Worte waren leise und doch fragend. Gleichzeitig hob sie einen Arm und winkte damit nach einem ihrer Gefährten, der sich am Rande des Dorfes gezeigt hatte. „Ich habe nur eine von ihnen gesehen.“
„Die eine, die Wacht hält...!“
„Ja, und vier, die verschwunden sind.“
„Man sagt, wer eine Schwester erblickt, erblindet wegen ihrer Schönheit.“
„Meine Augen sind noch sehr gut, Mütterchen. Aber was ist mit dir? Hast du eine Schwester gesehen?“
Die Blinde schüttelte den Kopf. Auf ihrem Gesicht hatte sich aber nun ein Strahlen gelegt, dass sie weniger alt wirken ließ. „Ich bin blind geboren worden und damit eine Auserwählte. Kinder, die nur die Nacht sehen, können einer Schwester dienen. Damals jedenfalls...“
Eine Bewegung zu ihrer Linken ließ K`Ehleyr aufsehen. Derjenige, der ihr Winken gesehen hatte, hatte die anderen informiert und sie hierhergebracht.
„Erzähle bitte.“ Es erschien ihr nun nicht mehr richtig, die Alte ein Mütterchen zu nennen. „Mir und meinen Gefährten, die mit mir durch das Portal gegangen sind.“
Erleichterte Tränen sprangen der Frau durch ihre blinden Augen. „Ich wusste es, sie hat uns nicht vergessen. Eine, die Wacht hält“
„Was ist passiert?“ Die Kriegerin wusste nicht, wer es gewesen war, aber jemand stellte die Frage.
„Zehn Männer, die sich die Bruderschaft nennen, sind in Askaarel eingedrungen. Sie nutzen alte Pfade, die die Schwestern selbst erschaffen hatten, um nach Askaarel zu gelangen. In dem Punkt Askaarels, das genau die Mitte zeigt, errichteten sie eine Burg. Magie liegt an dem Ort und sie nutzten sie, um weitere Brüder nach Askaarel zu lotsen. Von dort aus begannen sie ihre Feldzüge gegen die Bewohner Askaarels.“
„Hätten euch die Schwestern nicht helfen können?“ Wieder fragte jemand.
Ein Kopfschütteln war die Antwort. „Nein, die Schwestern wachen über Askaarel, sie schenken Weisheit und Leben, aber sie führen keine Klinge. Das ist nicht ihre Aufgabe.“
„Wo sind die anderen Schwestern jetzt?“ Nun war sie es selbst, die die Alte unterbrach.
„Die Bruderschaft hat sie gebannt. An einem Ort der Magie, am dem kein Lebender bestehen kann.“
K`Ehleyr hob den Kopf und blickte auf Taktiker. Sie fragte sich, ob das der Grund war, warum der Magier nach Askaarel geholt worden war. „Wir haben einen Magier unter uns.“
„Es wird mehr als ein Magier nötig sein, um die Schwestern aus den Fängen der Bruderschaft zu befreien. Macht niemals den Fehler und unterschätzt die Bruderschaft. Sie ist so grausam und böse, wie die Schwestern gut sind.“
Schweigen legte sich auf die kleine Gruppe. Die Alte sank wieder in sich zusammen – aber nur solange, wie sie benötigte, um den Ring abzustreifen. „Ich war eine der letzten, die zur Hüterin der Schwester des Todes bestimmt worden ist und ich werde nicht mehr lange leben. Meine Aufgabe war es, darauf zu warten, bis das Portal uns jemand schickt, der uns vor der Bruderschaft befreien wird. Dies ist nun geschehen und ich werde euch den Ring geben, der euch als Hüter ausweist. Versteckt ihn gut, denn wenn die Bruderschaft ihn bei euch sieht, wird er euch töten.“
Die Kriegerin streckte die Hand aus und ließ zu, dass die Alte ihn hineinfallen ließ. „Gebt ihn denjenigen, der am Besten zu überleben weiß,“ fügte sie noch hinzu. „Ihr werdet den Ring am Ende brauchen, um ihn den Schwestern zu übergeben.“
„Das ist eine ehrenvolle Aufgabe,“ K`Ehleyr biss sich auf die Lippen, um den Zweifel in ihrer Stimme nicht allzu sehr durchklingen zu lassen. „Und wir werden einen Würdigen finden.“
Sie hielt die Hand so, dass jeder den Ring sehen konnte. Ein goldener, schmaler Reif umschloss einen grünlichen, Stein, der nicht größer sein mochte als der Daumennagel eines Säuglings. Er war trotz seiner Bedeutung schlicht gehalten und wäre ohne weiteres als der Ring einer nicht ganz armen Dame durchgegangen.
„Seid vorsichtig. Es herrscht Krieg in Askaarel und solltet ihr zwischen die Fronten geraten ist euer Tod gewiss. Reitet so, dass ihr nicht entdeckt werdet. Und nun geht, bevor ihr allzu sehr Verdacht erregt, denn Spione gibt es überall.“
K`Ehleyr zog eine Augenbraue hoch. In diesem Dorf durften sie bereits nicht unerheblich Eindruck hinterlassen haben. Sollte hier wirklich ein Spion der Bruderschaft stecken, dann wüsste er unter aller Garantie bereits Bescheid. Doch sie erhob sich und das war auch für die anderen ein Zeichen, zu gehen.
„Wir verlassen noch Heute das Dorf.“
Die Alte nickte, und griff nach dem Strick der Ziege, als hätte sie sie in den letzten zehn Minuten nichts anderes gemacht. „Der Segen der Schwestern sei mit euch.“
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