Beitrag #2
"Komm schon, alter störrischer Bock. Wir haben einen langen Weg vor uns." Fenrir und dem Winter zu trotzen war eine Sache, Ascar zum Trinken zu bewegen eine ganz andere. Der erfahrene Recke war an diesem Morgen sowieso mit dem falschen Fuß aufgestanden. Firuns Winterkälte verhinderte einen erholsamen Schlaf - trotz der Nähe zum Feuer, dass zu allem Überfluss am frühen Morgen, wohl aufgrund von mangelndem Brennmaterial und starken Windzügen, erlosch. Ständig lag der eiskalte Stahl an seiner Seite, immer griffbereit.
Mittlerweile hatte der Hüne es aufgegeben, Ascar zum kleinen Bach zu führen, dessen Quelle nicht unweit gewesen sein musste - zumindest sagte das die Klarheit des Wassers. Am Rand hatte sich bereits Frost niedergelegt, was ein weiteres Zeugnis für den kommenden Winter gewesen war. Noch etwas schlaftrunken hatte der Einzelgänger sich niedergekniet und begann etwas Wasser mit der Hand zu schöpfen und sein Gesicht zu waschen, doch nachdem er merkte, dass er auf diese Art und Weise viel Überwindung brauchte, um sich das eisige Nass ins Gesicht zu werfen, biss er schließlich die Kämpferzähne zusammen und tauchte seinen Kopf unter. Nach dem Auftauchen schüttelte er seinen Kopf, wie ein nasser Wolf, hin und her. Haarsträhnen, wie Peitschenstränge, schlugen um seinen Kopf und warfen die Wassertropfen aus seiner schwarzen langen Kopfmähne. Schon bald darauf folgten leichte Kopfschmerzen, die er allerdings gewissentlich zu ignorieren versuchte. Eine Erkältung wäre das Letzte, was er nun brauchte. Zufrieden blickte er um sich, denn nun hatte sich scheinbar auch Ascar dazu durchgerungen, zu trinken. Der Hüne füllte noch schnell seinen Wasserschlauch und verstaute diesen dann in den Satteltaschen, die noch immer in der Nähe der, nunmehr erloschenen, Feuerstelle lagen. Aus der Erfahrung heraus begann er nun Erde auf das Glut-Asche-Gemisch zu werfen, um Spuren zu verdecken. Auch die Steine, die ringsum lagen, wurden wieder in alle Richtungen auf den Humusboden geworfen.
Der Hüne steckte sich nun sein Leinenhemd in die Lederhose und schnürte seinen Gürtel neu, während er einen prüfenden Blick in den Himmel warf. Wolken verdeckten jede Aussicht auf Sonne, wie er es erwartet hatte. Er griff nach seiner Rückenschwertscheide und legte sie sich ebenfalls um, auch Armschienen und Fellbeinlinge wurden vor der Abreise neu justiert. Ein kurzer, lauter Pfiff ließ Ascar an ihn herantreten, sodass er den Sattel auf seinen Rücken werfen konnte und die Schnalle festzog. Selbiges geschah mit den Satteltaschen, bevor er sich schließlich selbst auf den Rücken seines braunen Hengstes schwang und die Hacken seiner schweren Stiefel in seine Seiten bohrte...
Nach nicht allzu langer Zeit fielen die ersten Schneeflocken aus der weißen Wolkendecke. Die monotonen, regelmäßigen Abstände der Hufgeräusche seines schweren Streitrosses und die ständige Schweigsamkeit waren zwei unterschiedlich schwere Lasten, die der Hüne nicht zum ersten mal mit sich herumtrug. Auch die Kälte machte ihm schwer zu schaffen und es schien, als würde er öfter zur kleinen Feldflasche mit Schnaps greifen, als er Schneeflocken zählen konnte. Hin und wieder versuchte er eine mit seinem Handschuh einzufangen, nur um zu sehen, welche verwunderlichen Formen sie annahmen, doch die eigene Körperwärme ließ sie schnell auf dem Leder schmelzen. Mehr zur eigenen Ermutigung als aus der Langeweile heraus begann er ein Lied zu singen, welches der Barde me_phisto mal zu Ehren des ehemaligen Söldnerführers zum Besten gab. Sein Atem schien mit jeder Silbe neues Bild der Geschichte zu formen und die einprägsame Melodie sollte sich in den nickenden Kopfbewegungen des Hünen widerspiegeln. Hin und wieder fielen dabei seine langen, nassen Haare ins Gesicht und somit in seine Sichtlinie. Jedesmal beim Refrain ballte er seine rechte Faust, auch wenn er recht leise sang und summte. Er verstand bis dato nicht, wie es möglich sein konnte, dass die Kriegsgesänge mancher Barden Zustände bei Kämpfern auslösten, die einem Blutrausch ähnelten. Die besten Ansprachen der mutigsten Anführer konnten nicht mithalten. Er dachte noch lange darüber nach, bis ihm schließlich Spuren im Schnee auffielen und ihn zum Ziehen der Zügel veranlassten. Stiefelspuren - also Humanoide. Der Schnee hatte sie schon fast verdeckt, also schwang der Krieger ein Bein über den Rücken seines Reittieres und sprang aus dem Sattel, um seinen Fund näher zu begutachten. Er wischte die frischen Schneeflocken, also jene an der Oberfläche, beiseite und urteilte. Der Tiefe nach hatten sie nur leichtes Gepäck bei sich. Er sah sich um, fand jedoch nur vereinzelte Stellen, wo die Spuren wieder auftraten. Er war sich unschlüssig über die Anzahl der Gestalten, doch mit einer lauten grunzenden Stimme aus der linken Flanke sollte ihm diese Entscheidung abgenommen werden:
"Packt ihn." Noch während sich der Hüne wieder aufrichtete, erkannte er die Gestalt als jemanden vom Volk der Nordlandbestien. Schon als junger Kämpfer hatte er in der Gralsschlacht gegen sie kämpfen müssen. Die Schlacht war gewonnen, doch das Volk der Nordlandbarbaren war nie ausgerottet worden. Zu gnädig zeigten sich die Könige von Alt-Avalon, Orthanc und Ultima.
Grässliche Kreaturen. Sie ähnelten ein wenig den Orks der Mittellande und unterschieden sich nur wenig von deren Lebensweise. Wilde, starke und gefürchtete Gegner, die dem ungestümen lonelyWolf von damals einen vergiften Armbrustbolzen durch das Schulterblatt jagten.
Ragnar war ihm in jener Schlacht eine große Hilfe gewesen und obgleich es ihm lieber gewesen wäre, wenn der Grauwolf nun ebenfalls an seiner Seite stünde, gab er sich selbstbewusst und schienbar amüsiert. "Er wird unserem Blutgott als Opfergabe dienen." brüllte der Anführer weiter und schien seine Gefährten durch eine Peitsche zum Kampf zu animieren.
Die Hand des Hünen fuhr mehr langsam, als hektisch zum Griff seines Zweihänders, dem Rücken entegen, und mit einem zufriedenem Lächeln zog er die riesige Klinge hervor. Währenddessen hatte er zwei sich nähernde Marodeure von der rechten und drei auf der linken Flanke ausgemacht, die mit rostigen Schwertern und Keulen bewaffnet waren. Der Anführer schien sich selbst nicht am Kampf beteiligen zu wollen und spuckte in den Schnee. Dennoch schien er zufrieden über sein kleines wütendes Regiment zu sein und brüstete sich, begleitet von einem lauten, bestialischen Lachen.
Der Mundwinkel des einsamen Wolfes schien sich ebenfalls nach oben zu bewegen, als wolle er mitlachen. Langsam zog er den Griff seines Zweihänders näher an seinen Körper, um den ersten anstürmenden Gegner zu empfangen. Mit seiner rostigen Klinge versuchte er auf den Nordmann einzuschlagen, doch der Zweihänder verhinderte ein Durchkommen. Mit lautem Krachen schlugen die beiden Klingen dort aufeinander, wo die von Rost zerfressene Klinge schon zu zerbersten drohte. Ein mutiger Kerl, sofern man ihn denn als solchen bezeichnen konnte, der mit solchem Schrott in den Kampf zog. Sein Sturmangriff hatte zur Folge, dass er einfach weiterstolperte und den Schwertknauf des Zweihänders im Hinterkopf zu spüren bekam und er zu Boden sackte, als wäre er nichts weiter als ein lebloser Sack Kartoffeln gewesen und nun im Neuschnee landete.
Die nächste Bestie zeigte sich auf einem stabileren Standbein. Seine, mit einem Nagel versehene, Keule fuhr direkt auf den Kopf des erfahrenen Kämpfers zu, der dem Schlag jedoch ausweichen konnte. Mit seinem Zweihänder versuchte er nun eine seitliche Gegenattacke, erreichte jedoch, aufgrund der schnellen Bewegungen seines Gegners, nur dessen wattierten Waffenrock. Bald darauf stieß schon der nächste der Gruppe in die Seite des Hünen und versuchte mit einer Axt auf ihn einzuschlagen. Auch hier konnte der Unbändige zunächst nur ausweichen, doch das erneute Herumreißen seiner zweihändig geführten Klinge erreichte den Arm des anderen, mit der Keule bewaffneten, Barbaren und trennte diesen mit einem Schlag, ungefähr in Ellbogenhöhe, vom Oberarm ab. Blut spritzte auf die weiße Bodendecke und in die nähere Umgebung; begleitet von einem erbärmlichen Jammern des Opfers, das fassungslos den blutigen Armstumpf umklammerte. Sein Kumpane schien ebenfalls geschockt und stellte seine Angriffsfolge zunächst ein.
Aus dem Augenwinkel heraus beobachtete der Hüne den Anführer und die beiden letzten, sich unterschiedlich verhaltenden, Nordlandbestien. Die eine floh, offensichtlich verängstigt durch das Schicksal zweier seiner Vorläufer, die andere gab sich agressiv und stieß einen lauten Schrei aus, als ob sie Rache für seine Freunde schwören wollte. LonelyWolf zog abermals den einen Mundwinkel leicht nach oben und bewegte seine Klinge eng an seinen Körper heran. Durch seine deutlich erkennbare Selbstzufriedenheit wollte er nicht zuletzt die drei Übrigen auf ein weiteres provozieren. Einige Haarsträhnen, die ihm während des Kampfes ins Gesicht gefallen waren, strich er nun in der kleinen Atempause beiseite. Er sollte sich vielleicht doch angewöhnen, sie zu einem Zopf zusammenzubinden...
Der Wutschrei des einen drohte nun näherzukommen und der andere, vom Schicksal seines Freundes paralysierte, zeigte neuen Kampfesmut. Erneut begann er mit seiner Axt zu attackieren. Erst von oben rechts, dann von oben links. Schritt für Schritt wich der Hüne nach hinten aus, bis er mit seinem Schwert zum Gegenschlag ausholte. Durch die schnelle, aber periodische Angriffsfolge seines Gegners konnte er gut abschätzen, wo seine Schläge landeten und somit unbeschwert seine scharfe Klinge mit viel Schwung und Kraft seitlich auf den Hals seines Gegners zufahren lassen. Die Schnittkante seines Zweihänders traf den Schädel des Barbaren, der sofort zerbrach und, mitsamt des Restes des zugehörigen Körpers, in den Boden sank.
Der Aufgebrachte, wild umherschwingende, war ebenfalls mit einem Schwert bewaffnet, vernachlässigte aber, wohl aufgrund seiner Wut, völlig die Verteidigung. Es war leicht, ihm, inmitten seines Ansturms, den Zweihänder seitlich in den Bauch zu schlagen und ihm somit den Magen aufzuschlitzen. Noch während er zu Boden sank und Blut spuckte, quillten Innereien aus dem toten Körper.
Blieb nur noch der erste übrig, der zu Beginn zu Boden sank und nun wahrscheinlich eine deftige Platzwunde davontrug. Noch atmete er, doch der Schlag mit dem Knauf des Zweihänders hatte ihn wohl für eine Zeit lang bewusstlos gemacht. Er lag auf dem Rücken und glotzte - einem Stier gleich - jenen Recken an, der ihn zu Boden gebracht hatte. So lange, bis er durch ihn schließlich den Todesstoß empfing. Das Schwert bohrte sich durch den Körper in die gefrorene Erde hinein; Die Oberarme des Hünen puslierten.
Dann blickte er wieder auf. Der anfänglich so zuversichtliche Anführer schien nun ebenfalls verschwunden. Lediglich die Peitsche, die er wohl in der Eile verloren hatte, bezeugte seine Anwesenheit. Der Boden, der kurz zuvor noch so friedlich winterlich schien, war mit Blut und Körperteilen bedeckt. Das Rote zog sich noch einige Schritt weit durch den lockeren Schnee, welcher schon bald die toten Körper bedecken sollte. LonelyWolf lachte leise...
Die blutige Klinge wurde an einem Baumstamm notdürftig abgewischt und in die Rückenscheide geschoben, bevor er wieder in den Steigbügel stieg und sich auf den Rücken des Braunen schwang. "Narren...", sprach er verächtlich den Leichen entgegen, die er nun zurücklassen würde, wohlwissend, dass noch andere, weitaus gefährlichere und größere Gegner seinen Weg kreuzen könnten.
Aus den Satteltaschen wurde nun begierig ein Stücken Brot hervor geholt, auf dem der Hüne anschließend herumkaute und den trockenen, pappigen Klumpen mit dem frischen Bachwasser hinunterspülte. Es würde nicht mehr lange dauern, dann hatte er die letzte Ortschaft vor dem Lindwurmpass erreicht. Ein letztes mal würde er gut bewirtet werden und in einem großen Bett, nach einem durchgezechten Abend, schlafen können, bevor er sich weiter ins Gebirge aufmachen würde.
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