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Brücke des Heimdall
Anonymous

Gast

 
Beitrag #3
 
Mit klammen, durch die Kälte fast unbeweglichen Fingern umklammerte der Hüne die Zügel, während er durch das Stadttor ritt. Es war alt und hätte wahrscheinlich schon vor Jahrzehnten erneuert werden müssen. Überall waren Löcher in der Mauer zu sehen, sogar Rußspuren bemerkte der Hüne. Diese Ortschaft musste wahrlich daran zu leiden haben, das die Landesgrenzen im Gebirge immer unsicherer wurden. Überfälle von Nordlandbarbaren, Ogern vielleicht sogar Trollen, mussten hier keine Seltenheit sein. Langsame Hufschläge Ascars führten an dem alten Mann vorbei, der eine Lanze in seiner knochigen Faust hielt. Auch er sah mitgenommen aus und neben der Kälte schien auch Hunger an seiner Kraft zu zehren. Er gab ein geradezu klägliches Bild einer Torwache ab, das sogar den hartgesonnenen Söldner etwas mitnahm. Mit dem Versuch einen geraden Blick nach vorne zu wahren, um ihn nicht zu kränken, ritt er weiter unter dem baufälligen Torbogen hindurch, auf der Suche nach einem Gasthaus.

Kaum ein Bürger war zu sehen. Ratten und Bettler dominierten die Straßen, auch wenn man hier und dort Soldaten durch die Stadt laufen sah. Die Reichen schienen wohl die einzigsten gewesen zu sein, die sich von diesem Ort absetzen konnten. Nach einigen Minuten erblickte der Krieger ein Gasthaus, das offensichtlich auch Unterkünfte für die Nacht anbot. Nachdem er Ascar im nebengelegenen Stall angebunden, vom Sattel und Gepäck befreit und sein treues Reittier getränkt hatte, marschierte der Hüne zurück zur Tavernentür. An der Außenwand des Hauses hatten sich zwei Soldaten niedergelassen. Das Rot ihrer Wappenröcke verschwand fast völlig unter dem Straßendreck. Der eine hielt eine Feldflasche in seiner rechten Hand, während er seine Linke auf seinem Bauch platziert hatte. Verachtungsvoll wurde LonelyWolf angestarrt, der diesen Umstand wiederum zuerst gewohnt zu ignorieren wusste, dann aber ein wenig einem spitzbübischen Grinsen verfiel. Binnen eines Wimpernschlages zeigte der Hüne den Soldaten seine Zähne und stieß ein lautes Knurren aus, offensichtlich nur um den Betrunkenen etwas Angst einzujagen und sich an ihrem Zusammenzucken zu erfreuen. Bei Fenrir, in was für einem Loch war er hier nur gelandet.

Mit seinem vollen Gewicht stemmte der Nordmann nun die Tür des Gasthauses auf. Sofort stieg ihm Rauch in die Nase, der von irgendwelchen Kräutern stammte. Aufgrund dessen war der Schankraum nur schwach beleuchtet gewesen. Die Theke, auf der anderen Seite des Raumes, war nur noch durch schemenhafte Umrisse zu erkennen gewesen. Mit einem lauten Krachen schlug die Tür hinter dem Recken wieder in ihr Schloss zurück. Das Gasthaus war überraschenderweise gut gefüllt gewesen. Auf der anderen Seite schien dies wohl der einzigste Zeitvertreib zu sein, der den einfachen Menschen noch geblieben war. An einem Tisch zur Rechten des Hünen, der sich mittlerweile der Theke und dem Wirt näherte, saßen zwei weitere Soldaten. Diese allerdings trugen aufwendig verzierte Brustpanzer und hatten wohl eine höhere Position in der Stadtgarde inne.

“Kommt nur herein, mein Herr.“ lud ihn eine männliche Stimme ein. Durch den Nebeldunst erspähte Wolf einen, mit einem großen Bierbauch bestückten, Mann mittleren Alters, der eine Schürze trug und gerade damit beschäftigt war, einen Tisch von leeren Bierkrügen zu befreien. Der Hüne kam dieser Aufforderung gerne nach und folgte dem Mann, der offensichtlich der Gastwirt war, an die Theke, wohin er die Bierkrüge zum Auswaschen trug.
“Netten Schuppen habt Ihr hier“, log der große Fleischberg, der eigentlich nur nach einem Gespräch suchte.
“Oh, man tut was man kann. Die Zeiten sind nicht gerade die besten.“
“Den Eindruck bekam ich bereits, als Ich Eure Stadt aus der Ferne sah. Wo bin ich hier eigentlich?“
Mittlerweile hatte sich der Söldner auf einen der Barhocker gesetzt und beobachtete, wie der Wirt die Bierkrüge reinigte, obgleich von „reinigen“ fast gar keine Rede gewesen sein kann. Das Wasser war bereits trüb und die Hände des Wirts ungewaschen.
“Jaradan“, antwortete der Wirt knapp. “Wollt Ihr was trinken?“
“Erm... danke nein.“

Erst jetzt bemerkte der Einzelgänger einige Jagdtrophäen, die im Schankraum aufgestellt wurden. Zu seiner linken, ging eine Treppe hoch, die wahrscheinlich zu den Gästezimmern und Schlafsälen führte, allerdings wirkte das Geländer ein wenig marode. Es schien als würde die ganze Taverneneinrichtung bei der nächsten Kneipenschlägerei zusammenfallen, jedenfalls war das einigen Tischen und Stühlen bereits passiert, wie man bei genauerem Hinsehen auf das Feuerholz vor dem Kamin erkennen konnte, dass hauptsächlich aus Stuhl- und Tischbeinen bestand. Die beiden Offiziere führten noch immer ihre Diskussion und schienen sich über etwas zu streiten. Dabei schien es sie überhaupt nicht zu stören, dass am Nachbartisch ein bekanntes Glücksspiel gespielt wurde. Wenn man in der Hauptstadt nur auch mal so unbehelligt dem Glücksspiel nachkommen könnte... fuhr es dem Krieger durch den Kopf. An einem anderen Tisch hingegen saß eine ältere, nicht unattraktive Frau, die ihn aufmerksam zu mustern schien und ihm des öfteren, sollten sich ihre Blicke treffen, begierige Blicke zuwarf. Sie hatte rote lange Haare und volle Lippen, die wahrscheinlich so manchen Mann um den Verstand brachten. Auch der üppige Vorbau entging dem Nordmann nicht.

“He Wirt. Habt Ihr für diese Nacht noch Zimmer frei?“
“Wollt Ihr Caja etwa mitnehmen?“ Der dicke Mann lachte.
“Ist das ihr Name? Nein, ich suche lediglich eine Unterkunft für die Nacht. Ich werde morgen in der Frühe wieder von hier verschwunden sein und meinen Weg in die Berge fortsetzen.“
“Was zum Henker treibt Euch denn in die Berge?“ Der Wirt hielt einen Moment inne.
“Naja, ist Euer Bier... Wenn Ihr Euch unbedingt abschlachten lassen wollt... Ein Zim...“
“Abschlachten“, unterbrach der Hüne.
“Die Bergpässe sind sehr gefährlich geworden. Die Nordlandbarbaren plündern jeden Handelskonvoi, der durch Ihr Gebiet zieht. Man sagt sogar, sie haben einige Oger und einen Riesen in Ihren Diensten. Vor einem Monat haben sie die Stadt angegriffen und hätten sie fast eingenommen, wenn da nicht der junge Alrik mit seiner Kavallerie gewesen wäre. Seitdem ist das vierte königliche Reiterregiment hier untergebracht – der Grund warum ich Euch kein Zimmer geben kann... Allerdings sind noch Betten im Schlafsaal frei.“
“Werde ich nehmen“, antwortete er, während sein Blick wieder auf Caja fiel und er relativ geistesabwesend bezahlte.
“Dann bis morgen früh.“ rief der Wirt der großen Gestalt hinterher, die bereits aufgestanden war und sich den Treppen näherte.

Die Stufen knarrten unter dem Gewicht des Hünen und drohten jeden Moment unter ihm zu zerbersten – Ein Umstand, der dem Nordmann nicht gerade geheuer war und für ein mulmiges Gefühl in der Magengegend verantwortlich war. Oben angekommen stieß er die Tür zum Schlafsaal auf. Es standen insgesamt sechs Betten in dem Raum, drei auf jeder Seite, wovon insgesamt nur zwei belegt waren. In der Mitte der gegenüberliegenden Seite war ein Fenster eingebaut, dass einen Blick über die Dächer der Stadt erlaubte. Draußen war es schon dunkel geworden und der Mond beleuchtete hell die Straßen und Fachwerkhäuser. Der Recke gähnte und suchte sich ein Bett am Fenster aus, um dort zu nächtigen. Während er auf der Bettkante saß und sich die Stiefel auszog, warf er einen Blick auf seine Zimmergenossen. Der eine schien Händler zu sein. Sofort fiel das saubere, weiße Hemd aus Seide auf, dass über der Lehne eines Stuhls hing. Der andere, er belegte das Bett, dass dem Hünen direkt gegenüber lag, schien ebenfalls sein Geld mit Waffenfertigkeiten zu verdienen. Ein langer schwarzer Ledermantel war zu erkennen, ebenso eine Armbrust und ein Langdolch. Allerdings konnte er auch ebenso gut zur Dienerschaft des Händlers gehören. LonelyWolf zuckte mit den Schultern. Er zog sein Hemd aus und legte sich in das gemachte Bett, das glücklicherweise frisch bezogen worden war. Er legte seine Arme hinter den Kopf und schloß die Augen...
13.03.2005, 21:22


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Brücke des Heimdall - von Anonymous - 09.11.2004, 00:22
[Kein Betreff] - von Anonymous - 25.12.2004, 23:54
[Kein Betreff] - von Anonymous - 13.03.2005, 21:22
[Kein Betreff] - von Anonymous - 30.04.2005, 23:19