Beitrag #8
Das Schluchzen der Schwester des Todes wurde noch mitten in ihrem Gedankengang lauter – wobei es sich erst langsam steigerte und dann immer schneller zu einen Crescendo anschwoll, bis es schließlich unerträglich laut wurde, so dass die Krieger erschrocken und entsetzt zurücktraten. Noch während ihres Schreiens führte die Schwester das Schwert langsam nach oben, die Schwertspitze in die Höhe reckend, als würde es ihr keinerlei Mühe bedeuten, die schwere Waffe zu führen. Gleichzeitig fielen die Ärmel ihres Umhangs zurück, entblößten so die skelettartigen Arme, was den Anblick der Schwester einen noch groteskeren Anblick gab.
Mit einer Mischung aus Faszination und Entsetzen starrten die Gladiatoren aus Rom die Todesschwester an, unsicher, was nun kommen würde. Doch erst als die Schwester ihren Mund öffnete und einen hohen, schmerzvollen Ton ausstieß, fuhren sie mit einem Laut der Furcht zurück und sie krümmten sich, vom Schrei des Todes gezwungen, in sich zusammen.
Babe traten die Tränen in die Augen. Der Ton, den die Schwester ausstieß, zwang sie in die Knie und obwohl sie ihre Hände an die Ohren gepresst hatte, drang er bis in ihr Gehirn, wo er es zu verflüssigen schien. Den anderen schien es ähnlich zu gehen: Alle wanden sich vor Schmerzen am Boden, unfähig, dem Schmerz in ihrem Ohr zu entrinnen oder ihn gar zu stoppen.
„Bringe die Flut wieder zum fließen, dann verschwinden auch die Tarcks..“
Inmitten des unerträglichen Tones hörte Babe die Worte, die das Portal einst zu ihr und zu den anderen Gladiatoren gesprochen hatte. Ruhig, als würden sie mit großer Gelassenheit ausgesprochen werden, durchdrangen sie das Schreien der letzten Schwester. Balsam für die geschmerzten Ohren und Hoffnung zugleich.
Die Hände immer noch an den Ohren blickte Babe zu der Todesschwester auf, die den blinden Blick nach oben in den Himmel gerichtet hatte. Aus ihrer Schwertspitze kam ein helles Leuchten, das – einem Wasserstrahl gleich – nach oben in den Himmel schoss, bis es sich in der Unendlichkeit verlor.
„Ist das die Flut?“ fragte sich Babe, während sie sich auf den Rücken zwang, die Augen halb geschlossen und den Blick in den Himmel gerichtet. „Ist es das, was wir die ganze Zeit gesucht haben?“
In diesem Moment schloss die Todesschwester den Mund und so plötzlich, wie der schmerzhafte Ton begonnen hatte, endete er. Erleichtert und vorsichtig, als würden sie der Ruhe nicht trauen, nahmen die Krieger deshalb die Hände von den Ohren und erhoben sich. Selbst Ragnar erhob und schüttelte sich, ein leichtes Winseln ausstoßend.
„Das war’s dann wohl,“ ließ Raven pragmatisch hören. „Es reicht auch, finde ich.“
Jemand stimmte ihm zu und auch Babe wollte bereits zu ihrem Bat`leth greifen, das neben ihr auf der Wiese lag, als mit einmal ein Wind aufkam, der ein singenden Ton mit sich brachte.
„Bei Swafnir, es geht von vorne los,“ hörte man Kjaskar mit einer Mischung aus Entsetzen und Unwillen brummen.
Bereit, wieder die Ohren mit ihren Fingern zuzustopfen, hoben die Krieger gequälten Gesichtsausdrucks ihre Arme. Doch, anstatt das sich der Ton verstärkte, war es der Wind, der nun mit mehr Kraft blies und an ihnen und an ihrer Kleidung zu zerren begann. Er schien dabei von allen Seiten auf sie zuzukommen, so dass sich Babe vergebens die Haare aus dem Gesicht strich, um etwas sehen zu können.
Aber jeder von ihnen hatte plötzlich mit dem Wind zu kämpfen, der von Sekunde zu Sekunde stärker wurde. Elvenkiss hatte sich an Lonely Wolf geschmiegt, um nicht fortgeweht zu werden und Tool versuchte, im Schlagschatten von Kjaskar zu stehen, was ihm jedoch bei den unterschiedlichen Windrichtungen nichts nutzte. Auch Babe merkte, wie sie anfing, das Gleichgewicht zu verlieren und so torkelte sie auf Mercenary zu, der neben ihr stand.
„Tschuldigung...“ murmelte Babe, als sie auf ihn prallte. „Aber ich kann nichts....“ Weiter kam die Kriegerin nicht. Eine Windbö ergriff sie, riss sie auch von Mercenary fort und zwang sie zu Boden.
Intuitiv machte Babe einen Sprung zur Seite, um nicht in die Spitzen ihrer eigenen Waffe zu fallen, die immer noch auf der Wiese lag. Bevor sie sich jedoch vor dem Wind selbst in Sicherheit bringen konnte, wurde sie von ihm fortgerissen und sie begann wie ein loser Heuballen über die Wiese zu rollen. Unfähig, sich irgendwo festzuhalten, wurde sie so einige Meter weit über das Gras geschoben, bis sie unsanft gegen Triples Beine stieß. Die Kriegerin der Scorpions fluchte daraufhin kurz, während sie mit den Armen rudernd um ihr Gleichgewicht rang. Eine erneute Windbö riss jedoch auch sie mit um, so dass sie neben Babe im Gras landete.
„Halt dich fest!“ rief Triple, während sie versuchte, ihre Hände in die Erde zu versenken.
Babe öffnete den Mund zu einer Antwort, aber ihre Worte wurden vom Wind davongetragen und so schloss sie ihn wieder. „Können vor Lachen,“ dachte sie, ihre Hände nach einigen fest aussehenden Grasbüscheln absuchend. „Hätte ich gewusst, was mich hier erwartet, hätte ich einige Kilo zugelegt.“
Ihr Blick suchte wieder die Schwester, die – als würde der Wind sie nicht berühren - noch am selben Fleck schwebte. Einzig die Enden ihrer Kutte flatterten leicht und gaben so den Blick auf ihren Knochenkörper frei. Aber immer noch hielt sie ihr Schwert in den Himmel erhoben und als Babe den Blick des Strahls folgte, erblickte sie über ihrem Kopf einen Wirbel genau an der Stelle, an der der Strahl im Himmel verschwunden war. In sich drehende, blutrote Wolken kreisten dabei drohend um des Auge des Wirbels herum, wurden von diesem verschluckt und vergrößerten ihn. Mit jeder Wolke, die der Wirbel aufnahm, sackte er zudem tiefer, bis er nur noch wenige hundert Meter direkt über ihnen hing. Seinen singenden Ton mit sich führend und den Wind immer mehr verstärkend, drohte er plötzlich alles und jeden zu zerreißen.
„Das ist das Ende,“ dachte Babe, fast erleichtert über diesen Gedanken. „Der Wind wird uns davontragen wie Blätter im Wind und dort wo wir aufkommen werden, wird endlich Ruhe herrschen.“
In diesem Moment spürte sie, wie sich jemand quer über sie legte, sie damit in den Boden drückte und ihr so ein Gefühl von Sicherheit vermittelte.
„Ecthelion,“ dachte Babe, nachdem sie einen Blick auf den Mann über ihr geworfen hatte. „Er ist schwerer als ich, den Göttern sei Dank.“
|