Beitrag #7
RE: Der erste Tag in Rom
Woran hatte sie eigentlich gedacht?
Aine betrachtete die Auslagen. Auf den hölzernen Tischen lagen die unterschiedlichsten Stoffen in allen möglichen Farben. Von einfachem Sackleinen über Stoffe, die jeder einfache Bürger trug bis hin zu in Ballen aufgerolltem Tuch mit eingewebten Intarsien in mehreren Farben. Letzteres lag weiter hinten auf dem Tisch, ganz in der Nähe des Tuchhändlers.
Aine hob ihren Blick. Der Händler lächelte beflissen und nach einer angedeuteten Verbeugung griff er zwischen seine Ballen, um zielsicher einen davon herauszuziehen und ihn direkt vor Aine auszurollen.
"Fühlt ruhig, junge Dame". Der Händler strich einladend über den grünen Stoff. "Ganz glatt und weich. Ein Kleid von diesem Tuch wird euch so zart umschmeicheln, dass Ihr meint, nichts auf dem Körper zu tragen. Es ist federleicht und doch reißfester als jedes Leinen." Dabei griff er mit beiden Händen in den Stoff und zerrte daran. Anschließend strich er wieder darüber. "Und seht selbst: kein einziges Knitterfältchen. Selbst der Imperator hat nichts Besseres."
"Hm..." Aine legte den Kopf schief. Ecthelions Griff zu seiner Börse war ihr nicht entgangen und sie fragte sich, wieviel diese wohl enthielt. Wahrscheinlich nicht genug für ein Tuch wie das vor ihr. "Ich bin mir nicht sicher," lächelte Aine daraufhin zurück. "Habt Ihr etwas in einer anderen Farbe? Also jedenfalls etwas anderes als grün...rot vielleicht? Oder hellblau?"
Die Mundwinkel des Händlers zogen sich nach unten. Mit einem Kopfschütteln wickelte er den Ballen mit dem grünen Stoff wieder ein. "Rot ja, hellblau auch, aber eher minderwertigere Qualität."
So wie die Mundwinkel des Händlers nach unten gingen, so zogen sich ihre nach oben. "Ich würde sie gerne sehen..."
Der Händler legte nun andere Ballen vor. Aine befühlte und bestrich sie. Einen Qualitätsunterschied konnte sie nicht feststellen, aber das wagte sie nicht zu sagen, aus Angst, der Händler könnte ihre Hornhaut auf den Fingern bemerken und seine eigenen Schlüsse daraus ziehen.
Gut eine halbe Stunde befühle Aine nun die Stoffe, schaute nach Farben, ließ sich beraten und anschließend Preise nennen. Dabei sah sie sich immer wieder nach Ecthelion um, der mit einer stoischen Ruhe ihre Suche abwartete. Erst, als sich Aine am Ende mit dem Händler einig wurde, zückte er die Börse und zählte dem Händler das verlangte Tuch in die Hand.
"Ich werde das Tuch natürlich nicht sofort mitnehmen," meinte sie nach Abschluss zum Händler. "Schickt die Ware bitte zum Palast an den Leiter der Palastwache. Mein Sklave wird sie dann für mich dort abholen."
Noch einmal lächelte Aine, dieses Mal mit erhobenem Kopf und einer gewissen Lässigkeit, von der sie hoffte, dass es den gewünschten Erfolg hatte. Anschließend drehte sie sich zu Ecthelion um und hängte sich bei ihm ein. Zum ersten Mal bereute sie nicht, einen zeitlosen Elfen als Vater zu haben, der machte optisch ja doch einiges her, jedenfalls mehr als so einige andere aus dem Wald. Zumindest würde man nicht auf den ersten Blick vermuten, in welchem verwandschaftlichem Verhältnis sie zueinander standen - das wäre ja jetzt auch peinlich, bei dem hoheitlichem Abgang, den sie nun anzutreten vor hatte.
Mit immer noch erhobenem Kopf ließ sie den verblüfften Händler stehen und zog dabei eilends Ecthelion vom Stand weg, nicht dass dieser ihr Ansehen beim Händler sofort wieder außer Kraft setzte und irgendetwas von Balg, verwöhnte Göre, Kind oder sonstirgendwas peinliches von sich gab. Immerhin war sie erwachsen und wenn sie das nächste Mal den Tuchhändler aufsuchen würde, sollte er sich an sie als jemanden erinnern, dem man nicht so ohne weiteres mit irgendwelchen Behauptungen über den Imperator beeindrucken konnte.
Zwei Straßen weiter ließ sie den Elfen wieder los. "So, das hätten wir," lächelte sie vergnügt. "Und nun?"
Sie sah sich um. Um sie herum standen viele andere Stände: Gewürze, Körbe, Haushaltsmesser und solche, die nicht nur als solche gedacht waren - hier schien es alles zu geben, man muss es nur haben wollen.
"Brauchst du etwas für zu Hause?" fragte sie anschließend. "Einen Quirl oder Schrubber oder irgendwas in der Art?"
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