Beitrag #1
Machtspiel
Die Veteranin holte zum letzten Schlag aus und streckte ihn damit nieder. Triumphierend und lächelnd, ihre Augen jedoch kalt und abweisend, legte sie ihm das Schwert an die Kehle. Abwartend schaute sie zum Ausbilder und wartete auf sein Zeichen, dass er den Kampf und dessen Ausgang wahrgenommen hatte.
Die Zeit in dieser demütigenden Haltung auf dem Boden liegend, kam Khaleb vor wie eine Ewigkeit. Er hatte sich noch lange nicht an das Joch der Sklaverei gewöhnt, das solche Situationen täglich mit sich brachte. Er biss die Zähne zusammen und wünschte sich ein echtes Schwert in der Hand zu halten, nicht so ein läppisches Holzschwert.
Schließlich erlöste ihn das Handzeichen des Ausbilders und die Siegerin nahm ihr Schwert von ihm. Er erhob sich, die ausgestreckte Hand der Gegnerin ignorierend. Diesen Triumph würde er ihr nicht gönnen, hatte sie doch bereits seinen Stolz mit Füßen getreten.
Als er den Kampfplatz verließ, beobachtete er aus den Augenwinkeln, wie es einem dunkelhäutigen Sklaven nicht besser als ihm erging: Der Mann ging zu Boden, gefällt von den Hieben der erfahreneren Kämpferin. Vor gut einem Jahr noch hätte er jetzt hämisch gelacht, dass ein Mann sich von einer Frau besiegen ließ. Inzwischen wusste er es besser: Die ganzen Regeln, die er sich in der Wüste im Leben eines Beduinen hatte aneignen müssen, waren hier wertlos. Alles woran er geglaubt hatte, was er gewusst hatte und worauf er gehofft hatte war mit einem mal vernichtet worden.
Das erste was er hier gelernt hatte war sich zu fügen. Diese Lektion war hart gewesen, aber er hatte sie scheinbar verinnerlicht. Dass sein Stolz, seine Wut und seine Abkunft immer noch in ihm loderten, war kaum einem entgangen, aber Khaleb gehorchte den Befehlen und machte seine Arbeit gut, zumindest besser als die meisten Anfänger. So ließ man ihm einige Sachen noch durchgehen.
***
Romina verbeugte sich nach dem Kämpfen vor dem Ausbilder. Sie hatte als älteste Gladiatorin die Aufgabe, die Neuen zu testen, an ihre Grenzen zu bringen und in ihnen die Wut zu entfachen, die sie zum Überleben in der Arena brauchten. Ein Handwinken des Ausbilders ließ sie den Kopf wieder heben.
"Wie machen sich die Neuen?", fragte er.
Sie nickte bedächtig. "Der Wüstenkrieger könnte schon in wenigen Wochen das erste Mal in der Arena kämpfen. Der Afrikaner hingegen benötigt noch mindestens ein halbes Jahr um soweit zu sein."
Jacobus, der Ausbilder, runzelte die Stirn. "Der Wüstenkrieger ist unberechenbar. Ich weiß nicht, was er als nächstes anstellt. Er sollte eigentlich froh sein, in einer Gladiatorenschule seine Ausbildung zu erhalten und nicht im Haushalt des Senators mit Palmblättern wedeln zu müssen."
Romina enthielt sich jeden Kommentars. Sie hatte weder das Recht noch die Lust dem Mann zu widersprechen, war sie doch eine Sklavin und er ein Freier. Sie selbst wusste, dass die Sklaverei keine leichte Sache war. Egal als was man zu dienen hatte.
"Geh in dein Zimmer und bereite dich für die Nachtruhe vor!", befahl Jacobus.
Sie nickte, verbeugte sich und eilte dann in das eingeschossige Gebäude, in dem die Sklavenquartiere untergebracht waren.
Jacobus betrachtete den Sand auf dem Kampfplatz. Wie an vielen Tagen war auch heute etwas Blut geflossen, das dunkle Stellen in den Sand zeichnete. Sobald er dem Platz den Rücken kehrte, würden Sklaven die unsauberen Stellen entfernen. Sein Blick wanderte weiter zu den Mauern um die Gladiatorenschule. Er fühlte sich manchmal hier gefangen. Die Sicherheitsvorkehrungen, damit die Sklaven nicht flohen, nahmen ihm die Luft zum atmen. Es wäre wohl besser, sich einen Nachfolger zu suchen, um ihn dem Senator zu präsentieren.
Khaleb hatte es anfangs befremdet in einer eigenen Zelle zu nächtigen. In der Sklavenkarawane von seiner Heimat bis nach Rom war er immer mit zig anderen Sklaven zusammen angekettet gewesen. Auch in den Quartieren des Sklavenmarktes war er immer mit mindestens einem Duzend anderer, unfreiwillig gefangener Menschen wie Vieh zusammengepfercht gewesen. Doch sobald er dem Senator aufgefallen war, hatte sich alles geändert. Nach seinem Kauf, einer unschönen Prozedur, war er direkt nach hier in die Schule gekommen. Er hatte sofort seine eigene Kammer bekommen und durfte die Nächte alleine verbringen... meistens zumindest.
Damit die Sklaven des Nachts nicht flohen wurden die Türen verriegelt. Eine Erinnerung an ihre Situation und daran, wem ihr Gehorsam zu gelten hatte.
Die Nacht war hereingebrochen und Stille lag auf der Gladiatorenschule, die außerhalb der Stadt Rom lag. Wenige Fackeln beleuchteten die Gebäude und die Mauern, die von bezahlten Söldnern bewacht wurden. Der Senator behandelte seine Gladiatoren besser als manche seiner Kinder, wurde in hohen Kreisen gemunkelt. Doch verwunderlich war es nicht, steckte doch viel Geld und Ansehen hinter einer solchen Schule.
***
Juliana zupfte ihr Kleid zurecht. Ihr Pferd schnaubte leise. Reiterin und Reiter hatten den Ritt durch die angenehme Kühle der Nacht genossen. Abseits der städtischen Straßen war es ebenfalls angenehm leise und Juliana musste sich keine frotzelnden Bemerkungen der überheblichen Männer gefallen lassen, die um diese Zeit die Straßen der Stadt bevölkerten und jeder Frau nachstellen, egal ob deren Hemd aus Linnen oder Seide war. Dass sie dennoch ihre Leibwache nicht mitgenommen hatte, sondern sich aus der Villa geschlichen hatte, hatte auch seine Gründe.
Vor ihr wurde das Tor geöffnet. Sie warf dem Söldner in grau und roter Tracht einen Denar zu, den dieser geschickt auffing. Ehrerbietig senkte er sein Haupt als ihr Pferd an ihm vorbei schritt. Nachdem der Söldner das Tor geschlossen hatte, eilte er Juliana nach, um ihr Pferd in den Stall zu führen, nachdem sie abgestiegen war.
Der Weg der jungen Frau führte zur Stube des Ausbilders. Sie ließ sich nicht die Zeit stehlen, indem sie anklopfte. Nein sie öffnete die Tür einfach so. Ihr Besuch war bestimmt von den Söldnern angekündigt worden. Dennoch tat Jacobus überrascht als sie eintrat und verbeugte sich tief.
"Wie kann ich Euch behilflich sein?", seine Stimme war leise aber doch verständlich.
"Gebt mir die Schlüssel für die Sklavenquartiere!", verlangte sie barsch.
Sie wusste, dass sie das nicht tun durfte, wusste, dass ihr Vater es nicht gut heißen würde. Aber nachdem sie ihn vor einigen Monaten mit einem Sklaven gesehen hatte, wie er das Andenken an ihre Mutter befleckte, hatte sie die Tür zu ihren Gelüsten nicht länger versperrt.
Jacobus reichte ihr den Schlüssel und ließ sich seufzend in seinen Stuhl fallen als sie den Raum verließ. Die Tür wurde geschlossen und der hörte das Geräusch des Schlüssels im Schloss. Jetzt fühlte er sich endgültig wie einer der Sklaven. Das machte sie immer, schloss ihn ein, wenn sie nachts kam. Und er konnte nichts dagegen tun. Dem Senator von den Umtrieben seiner Tochter zu erzählen war undenkbar. Der Senator würde nicht seiner Tochter zürnen sondern dem Überbringer der Nachricht. Außerdem hatte die junge Dame die Söldner auf ihrer Seite.
Ein neuerlicher Seufzer entrang sich seinen Lippen.
Sie ging leichten Schrittes an den Zellen der Sklaven vorbei. An den Türen hingen einfache Holzschilder, auf denen Namen, Alter, geführte Waffe und Ausbildungsstand der Sklaven geschrieben standen. Ihr folgte einer der Söldner.
Sie zeigte auf eine Tür und übergab dem Söldner den Schlüsselbund.
Während er aufschloss, trat sie auf den Hof und zog sich in den Schatten zurück, den das flache Haus dem hellen Licht des Mondes ab rang.
So gefühlskalt sie tat, in ihr wütete das Verlangen nach etwas zwischen ihren Schenkeln. Etwas Männliches, etwas Kräftiges. Und sie wusste, was sie wollte, hatte einen Favoriten, wenn man Sklaven so nennen durfte.
Sie leckte sich in der Erwartung sacht über die Lippen.
Khaleb schrak hoch. Er hatte geschlafen und hörte nun seine Tür aufgehen. Geweckt hatte ihn das Geräusch der Schlüssel. Er wusste, was nun kommen würde.
Der Söldner trat in seine Kammer, den Dolch in der Linken. Mit einer harschen Bewegung befahl der Freie dem Sklaven aufzustehen und vor ihm durch die Tür zu treten.
Khaleb gehorchte. Der Söldner packte seinen Arm und Khaleb wusste den Dolch in Höhe seines Halses. Er trottete über den Hof und blieb vor dem schmalen Gebäude auf der anderen Seite stehen. Der Söldner öffnete die Tür und sie traten in einen Gang. Die Tür blieb offen. Khaleb wusste, dass sie ihnen folgen würde.
Als er das erste mal diesen Gang angetreten war, hatte er nicht gewusst, was ihn erwartete. Er hatte Angst vor weiterer Demütigung gehabt und es waren zwei der Söldner gewesen, die ihn geführt hatten. Als sie ihn in den Raum gebracht hatten, war seine Angst noch gestiegen. Jetzt fügte er sich in das Schicksal und wusste, dass er diese Nacht mehr Macht haben würde als alle anderen, die diese Schule bewohnten.
Der Söldner nahm die Kette von der Wand und Khaleb ließ es ohne den Widerderstand geschehen, den er beim ersten Mal geleistet hatte, dass ihm der Metallring um den Hals gelegt wurde, der durch die Kette mit der Wand verbunden war.
Sein Blick war gesenkt und er lauschte. Lauschte den Schritten des Söldners, der sich stumm wieder auf den Weg nach draußen machte, lauschte auf das Geräusch des Schlüsselbundes, der im Flur den Besitzer wechselte, lauschte auf ihre leisen Schritte als sie den Raum betrat, lauschte dem metallischen Klicken als die Tür abgeschlossen wurde.
Sie schaute sich um. Ihr Vater hatte den Raum so einrichten lassen. Es war der Präsentationsraum, in dem ihr Vater seinen Freunden oder Konkubinen die neuen Gladiatoren-Sklaven vorführte. Ein Kissenlager in der einen Ecke, die karge Mauer mit Ketten an der anderen Seite des Raumes.
Dann musterte ihr Blick den Mann, den sie sich für diese Nacht hatte holen lassen. Er war stark und muskulös, sonnengebräunt und scheinbar willenlos. Sie wusste es besser.
"Nun, Sklave! Welche Forderung willst du heute Nacht stellen?", fragte ihre Stimme kalt. Er zuckte zusammen als sie ihn so nannte, wie es sein Stand nicht anders vorsah. Sie schmunzelte, hatte sie das doch genau beabsichtigt.
Er blickte auf zu ihr und ihr direkt in die Augen. Das hatte er von Anfang an gemacht, obwohl es allem widersprach, was er hatte lernen sollen. Er wusste, dass sie spielte. Sie war eine Katze, die ihn als Maus betrachtete. Er wusste, dass sie wusste, dass er es wusste.
"Herrin, bitte lasst diese Spiele.", seine Stimme war melodiös, zeugte davon, dass sich seine Zunge noch nicht an das Latein gewöhnt hatte. Um seine Worte zu unterstreichen legte er seine Bitte auch in seinen Blick.
Sie war zwar enttäuscht, dass er nicht mitspielen wollte, doch nahm sie die Schlüssel und schloss den Ring um seinen Hals auf. Die Ketten sollten sie schützen, damit er ihr nichts antat. Doch sie wusste, er konnte ihr nichts tun. Nicht nachdem sie ihm ein Versprechen gegeben hatte, das einzuhalten sie auch bereit war.
"Ich habe gelesen, dass du bald für die Arena bereit bist, mein Wüstenkrieger.", säuselte sie. Er nickte und seine schwarzen Haare wippten dabei. "Ich gebe mir alle Mühe, den Anforderungen des Ausbilders zu entsprechen und sie zu übertreffen.", mit einer Geste hatte er die kinnlangen Haare hinter sein Ohr geklemmt. Sie kam auf ihn zu, umrundete ihn und schnippte die Haare hinter dem Ohr wieder hervor.
"Dann musst du nur noch in der Arena dafür sorgen, dass du gewinnst." Ihre Stimme verriet die Trauer, die sie bei seiner Eröffnung gespürt hatte. Sie hatte gehofft er würde so lange wie ein normaler Gladiatoren-Sklave brauchen, bis er in die Arena kam.
"Ich werde gewinnen, das werdet Ihr selbst sehen!", versprach er der Senatorentochter. Ihre Stimmlage hatte er deuten können, aber ihre Gefühle machten ihm kaum etwas aus. Was sie nicht wusste war, dass er eine Frau zu Hause in den Zelten der Beni Teurech hatte, die auf ihn wartete und nach der er sich sehnte. Dieses Geheimnis hatte er ihr nicht preis gegeben. Das hatte er niemandem preis gegeben, wollte er doch den Hohn in den Augen seiner Besitzer nicht sehen müssen.
"Davon gehe ich doch aus, starker Krieger. Dieser Kampf wird deine letzte große Handlung in Rom sein. Danach wirst du die Freiheit wieder kosten, die du so vermisst."
Er grinste. Ja die Freiheit. Seine Verschwiegenheit hatte sie sich damit gekauft. Sie hatte Angst, das wusste er. Sie hatte Angst davor, von ihrem Vater bei ihrem Tun erwischt zu werden. Aber sie war klug und intelligent. So weit würde es nicht kommen.
Sie hatte ihm bei den letzten Worten den Rücken zugekehrt und er hatte die lange hellbraune Lockenpracht bewundert, die über ihren Rücken fiel. Jetzt drehte sie sich ruckartig um. In wenigen langen Schritten war sie bei ihm und griff ihm ungeniert zwischen die Beine. Ihre spontane und abrupte Art ließ ihn versteifen und ihr glitt ein spöttisches Lächeln über die Züge. Er riss sich die Tunika vom Körper, streifte hastig die Hose ab. Sie beobachtete ihn dabei und ließ sich langsam auf die Kissen gleiten. Als er sich neben sie setzte, fuhren ihre langen Fingernägel über seine Brust.
***
Beim Frühstück war sie müde, sie hatte diese Nacht zu lange in der Schule verbracht und war erst zum Morgengrauen wieder in die Stadt gekommen. Zwar ging es schon mehr auf den Mittag zu, als dass es Morgen war, aber das bisschen Schlaf hatte sie nicht erholt. Zudem hatten ihre Gedanken sie nicht einschlafen lassen.
"Juliana, Tochter, was ist mit dir?", die tiefe Stimme ihres Vaters riss sie aus den Gedanken, in denen sie ihren nächsten Besuch der Schule plante. Sie winkte lässig ab.
"Nichts, Herr Vater, was Euch beunruhigen sollte."
Dennoch fühlte sie seinen musternden Blick auf sich ruhen. Sie hob ihren Kopf und lächelte ihren Vater kokett an. Der alte Mann hatte seine besten Mannesjahre weit hinter sich, war so alt wie alle Senatoren, trug graues Haar und Falten. Gerade deswegen schmückte er sich mit der Schönheit seiner Tochter, die in der Blüte ihrer Fraulichkeit steckte.
"Juliana Liebes, würdest du mich heute Nachmittag begleiten? Ich muss in die Gladiatorenschule. Der nächste Kampf steht bevor und ich habe mir Plätze für fünf Gladiatoren kaufen können. Ich will sie selbst aussuchen, denn drei dieser Kämpfe gehen gegen die Schule von Gavius Phelicitus."
Sie zuckte kaum merklich zusammen. Ihr Vater hatte sie erst wenige Male mit zur Schule genommen und sie wusste nicht ob der Sklave sich so gut beherrschen konnte wie sie, wenn er sie sah.
Dennoch nickte sie, um den Schein zu wahren und um ihrem Vater diesen kleinen Gefallen zu bereiten. Fand der alte Mann doch nur noch an wenigem Gefallen seit Gavius Phelicitus einen Großteil des Senats bei einer Kriegsfinanzierungsdebatte auf seine Seite gebracht hatte.
***
Der Ritt durch die Julihitze war alles andere als angenehm. Ihr Vater hatte in weiser Voraussicht die Sänfte genommen, doch sie liebte Pferde über alles und ließ es sich nicht nehmen jede Strecke dank ihrer Kraft zu bewältigen. Dennoch schalt sie sich eine Närrin, waren ihre Schenkel doch noch wund von letzter Nacht. Der Gedanke daran ließ sie lächeln und sie nahm sich vor die wenigen Wochen noch gut zu nutzen, die der Sklave noch im Besitz ihres Vaters war.
Augustus Marius schob immer wieder den Vorhang seiner Sänfte auf Seite, um seine Tochter zu betrachten. Nicht nur dass sie die ganze Nacht weg gewesen war. Sie führte sich in letzter Zeit anders auf als noch vor einem Jahr. Es war ihm nicht aufgefallen, doch ihre Leibwache hatte ihn darauf aufmerksam gemacht.
Er wusste nicht was es war, aber seine Tochter trug schwere Gedanken mit sich herum. Schwerere Gedanken als Jungvolk wie sie sich damit bürden sollte.
An der Schule angelangt, überraschte er den Ausbilder mit seinem Besuch. Er hatte natürlich keine Nachricht geschickt, wollte er die Loyalität seines Untergebenen doch immer wieder testen. Da die Gladiatoren-Sklaven ohnehin alle auf dem Platz waren, wurden sie in eine Reihe befohlen.
Der Senator schritt die Reihe ab und musterte jeden einzelnen, derweil der Ausbilder ihm die Vorzüge der einzelnen Kämpfer pries und sein besonderes Kampfgebiet. Juliana hielt sich im Schatten auf, in den Haussklaven eine Liege aufgestellt hatten und ihr Früchte und Wein gereicht wurde. Sie gab sich den Anschein von Langeweile während sie ihren Vater beobachtete und abzuschätzen versuchte, welche Entscheidung er fallen würde.
Bald gesellte er sich zu ihr und nahm Platz auf einer zweiten Liege. Jacobus blieb bei ihm und ließ die Gladiatoren wieder das Training aufnehmen.
"Die Sklavin mit dem Nasenring soll im Hauptkampf stehen. Dort werde ich den Veteranen von Senator Gavius besiegen müssen, sonst verliere ich alle Stimmen im Senat.", überlegte ihr Vater laut. Juliana nickte kaum merklich. Ihr Vater hatte damit eine gute Wahl getroffen. Gavius würde bestimmt damit rechnen, dass sein Gladiator dem nordischen Hühnen gegenüber treten würde. Mit der Frau würde er nicht rechnen und es würde ihn und seinen Gladiator verwirren.
Nach zwei Stunden standen vier der Gladiatoren fest, die Senator Augustus Marius in den Kampf schicken würde.
"Euch fehlt nur noch ein Gegner für den zweiten Kampf gegen Gavius Schule.", las Jacobus von seinen Notizen auf der Wachstafel ab. Augustus nickte. Dies war eine schwierige Wahl, wusste er doch nicht, welchen Gladiator Gavius hier nehmen würde. Er hatte auch keine Ahnung von den Neuzugängen an Gavius Schule, denn sein Spion an dieser Schule war vor einiger Zeit entlassen worden.
Augustus grübelte und schaute seine Tochter an. Diese lächelte ihm zu und deutete dem Sklaven, der ihr Luft zufächerte, ein wenig schneller zu fächern.
"Herr Vater, wenn meine Meinung zählt...", setzte sie vorsichtig und mit einem Anflug von Unsicherheit in der Stimme an. Sie taktierte, hatte lange die Stimmlagen und ihre Gesichtsausdrücke geübt.
"Natürlich, Juliana. Wen schlägst du vor?" Ihr Vater nickte dankbar, denn ihren Rat konnte er gebrauchen.
"Gebt einem der Neuen eine Bewährungsprobe. Der schwarzhaarige scheint gut zu sein für seinen Ausbildungsstand.", sie deutete auf Khaleb.
Augustus folge den Fingerzeig seiner Tochter mit Blicken. Er musterte den Sklaven, der aus der Wüstenregion des Imperiums zu kommen schien. Die Stimme seiner Tochter erklang wieder: "Der Kampf ist nicht ums letzte Blut sondern nur ums zweite. Selbst wenn dein Gladiator unterlegen sollte... wird er danach noch zu gebrauchen sein."
Er lächelte, hatte er doch von den taktischen Fähigkeiten seiner Tochter im Bereich der Politik innerhalb der Arena bisher keine Ahnung gehabt. Dass sie so nach ihm kam, freute ihn ungemein.
Eine Weile betrachteten sie den Kampf der Gladiatoren-Schüler und sahen wie der Wüsten-Sklave eine alt gediente Gladiatorin besiegte. Das gab den Ausschlag für Augustus Entscheidung, dem Rat seiner Tochter zu folgen.
Mit einem Nicken quittierte er das Ende seines Besuchs bei der Schule und erhob sich. Alles weitere lag in den Händen des Ausbilders. Er selbst würde erst am Kampftag selber seine Gladiatoren wieder sehen: in der Arena.
***
"Die vorletzte Nacht vor dem Kampf!", säuselte ihre Stimme in seinen Ohren. Er hatte jede zweite Nacht ihr zu Diensten sein müssen, seit sie mit ihrem Vater in die Schule gekommen war. Um den Preis, den er erlangen würde, lag er nur zu gerne bei ihr, auch wenn sie ihn eigentlich abstieß. Diese Art der hohen römischen Leute fand er befremdend und nicht schön. Sie schminkten sich so stark, dass die eigentliche Person nicht mehr zu erkennen war. Sie nutzten so starke Duftwässerchen, dass jeglicher natürliche Geruch ersterben musste. Sie fraßen sich voll, nur um sich dann mit einer Feder in der Kehle Erleichterung zu verschaffen, um dann erneut den Bauch mit Leckereien zu füllen. Sie gaben vor, mit dem Volk verbunden zu sein, hoben sich aber solcherart ab, dass sie auf alle anderen herab sahen. Was freute er sich doch darauf, endlich seine Frau in den Armen halten zu können, ein freier Mann zu sein.
Juliana lag auf den Kissen und betrachtete Khaleb, wie er neben ihr lag. Er war ein schöner Mann und ein besserer Liebhaber als alle anderen, die sie gehabt hatte. Und sie hatte nicht gerade wenige gehabt. Ein wenig schmerzte es sie, dass dies die letzte Nacht zusammen war. Die nächste Nacht würde er schon in den Zellen des Kolosseums verbringen und danach war er wohl ein freier Mann. Sie hatte herausfinden können, wer sein Gegner war und es war schon fast eine Beleidigung von Gavius, dass er solch einen Anfänger gegen Augustus Gladiator in die Arena schickte. So würde sie ihr Versprechen leicht halten können und aus dem Sieger einen freien Mann machen... und sie würde sich selbst der Rache an ihrem Vater berauben. Aber auch ein anderer Schmerz mischte sich darunter. Sie hatte den Sklaven mehr als nur lieb gewonnen. Sie sehnte sich nicht nur körperlich nach ihm, seiner Männlichkeit und seiner Berührung. Auch ihr Geist lechzte jederzeit nach ihm.
Sie lachte über ihre "Freundinnen", die anderen Senatoren-Töchter, wenn diese von Liebe sprachen. Ein Senatorenkind war dazu geboren der Taktik des Vaters zu dienen, nicht den eigenen Gefühlen zu folgen. Eine Hochzeit in diesen Kreisen basierte nie auf Venus Gaben sondern immer auf Minervas. Die Väter zogen den größten Vorteil aus einer Ehe, die sie arrangierten.
Doch nun, wo sie einen Sklaven zur Befriedigung ihrer Gelüste gemacht hatte, spürte sie Venus in ihrem Herzen. Ihr Lächeln wurde trauriger. Sie selbst hatte ihm ja die Freiheit versprochen.
Khalebs Gedanken kehrten in das hier und jetzt zurück. Er blickte Juliana in die Augen und wusste, dass er sie nicht vermissen würde. Er freute sich schon auf den Moment wo ein Söldner mit einem Klopfen an der Tür anzeigen würde, dass das Morgengrauen kurz bevorstand. Dann würde er sie das letzte Mal gehen sehen.
Doch leider war es noch etwas Zeit bis dahin und sie schien die Zeit ausnutzen zu wollen. Ihre Finger strichen über seine Brust, fuhren tiefer und umgriffen seine Männlichkeit. Dieses letzte Mal musste er also noch ihr Spiel spielen und sie beglücken.
***
Es war früher Herbst und die Sommerhitze hatte das Land nicht mehr so eisern im Griff wie noch vor wenigen Wochen. Das Volk drängte in das Kolosseum und erwartete Brot und Spiele. Die Ränge waren schon lange vor Kampfbeginn besetzt und zur Freude der Plebejer wurden Kriegsgefangene in die Arena geschickt, die nur dazu da waren ihren letzten Atem vor den Augen der Menge zu tun.
Erst vor den richtigen Kämpfen, die der ausgebildeten Gladiatoren, füllten sich die Logen der Senatoren und der anderen Patrizier. Erwartungsvolle Blicke strichen immer wieder zur Loge des Imperators, aber sie blieb vorerst leer.
Augustus Marius und seine Tochter hatten gerade erst die Loge der Marius betreten, da brummte Augustus auch schon zufrieden. Er hatte Gavius Phelicitus in dessen Loge erspäht. Dieser Tag mit seinen drei Kämpfen zwischen den Gladiatorenschulen von Gavius und Marius war entscheidend für den Rückhalt im Senat. Sollte eine der Schulen alle drei Kämpfe verlieren, hatte der Besitzer im Senat verloren, wo es immer noch um die Ausgaben zur Kriegsfinanzierung zu heftigen Wortgefechten kam. Auch aus diesem Grund blieb keine der Logen leer, in denen Senatoren die Kämpfe beobachten konnten.
Die Zeit bis zum ersten Kampf vertrieb sich Augustus, indem er sich von seiner hübschesten Sklavin allerlei Leckereien reichen ließ. Um die Schönheit seines Besitzes und den Wert noch besser zur Schau zu stellen, trug diese Sklavin nicht mehr als einen Lendenschurz.
Juliana beobachtete die anderen Patrizierfamilien in den Logen, die nicht minder mit ihrem Besitz und dessen Wert angaben. Entweder hatten sie besondere Sklavinnen und Sklaven dabei, wie ihr Vater, andere führten gar gezähmte Wildtiere mit sich. Dass ihr Vater zwischendurch den Kopf seiner Sklavin zwischen seine Beine zwang, störte hier niemanden.
Endlich wurde der erste Kampf zwischen den Schulen der beiden Senatoren verkündet und die Blicke der Senats-Mitglieder wanderten nach unten zur Arena. Der erste Kampf war mehr ein minderes Kräftemessen denn ein richtiger Kampf in den Augen Julianas. Beide Gladiatoren waren Anfänger mit niedrigem Ausbildungsstatus und dienten mehr dazu, dass sich die Senatoren mit Blicken während des Kampfes taxieren konnten als wirklich des Kampfes wegen. Juliana wusste, dass die Schule ihres Vaters die besseren Gladiatoren ausbildete und lehnte sich zurück. Dieser Kampf interessierte sie nicht, auch wenn er, ihrer Meinung nach, zu Gunsten ihres Vaters ausgehen sollte, damit dieser nicht einen seiner Zornanfälle bekam.
Das Kräftemessen mit Blicken zwischen Gavius Phelicitus und Augustus Marius war beendet als ein Gladiator strauchelte. Der Mann lag auf dem Boden, hatte zwar kaum eine Wunde war aber am Ende seiner Kräfte. Lange hatte der Kampf nicht gedauert und Juliana runzelte ihre Stirn. Dass Gavius solch einen Schwächling zum Kampf gestellt hatte war ihr schleierhaft. Der erste Kampf war für ihren Vater gesonnen und er begoss diesen Sieg auch gleich mit einem Pokal guten Weines. Es war an der Zeit ihre Bitte zu sprechen.
"Herr Vater, Eure Schule hat wieder einmal einen guten Kämpfer hervor gebracht.", sie war näher zu ihrem Vater gerückt und lächelte ihn süß an. Sein Blick fiel wohlwollend auf seine Tochter und er verwünschte wieder einmal, dass sie seine Tochter und nicht irgendeine Frau war, die er sich einfach nehmen konnte.
"Eure Schule hat solch guten Ruf und Eure Kämpfer haben selten in der Arena verloren... würdet Ihr mir einen Wunsch erfüllen, Herr Vater?", sie lehnte sich vor und betonte bewusst ihren tiefen Ausschnitt, denn sie wusste um die Gelüste ihres Vaters, auch wenn sie einige davon verdammte.
"Sag nur, Tochter, was du begehrst. Ich werde dir einen Wunsch erfüllen, wenn der nächste Kampf vorüber ist und den Sieg von gerade untermauert hat." Sein Blick hing an ihrem Ausschnitt und erst als sie sich lächelnd zurück lehnte und mit einer Handbewegung seinen Blick einfing, schaute er seinem Sproß wieder in die Augen. "Nun offenbare mir schon deinen Wunsch, Tochter!", verlangte er zu wissen.
Sie lächelte kokett und stellte eine nachdenkliche Mine zur Schau. Ihr Blick glitt über die Balustrade der Loge in die Arena, in der gerade der zweite Kampf der beiden Schulen angekündigt wurde.
Aus den Toren zu den Katakomben traten erneut zwei Gladiatoren. Sie sah wie Khaleb seinen Kopf stolz erhoben hatte und mit federndem Schritt auf die Loge zukam. Er verbeugte sich vor seinem Besitzer und Juliana lachte leise auf.
"Herr Vater, mein Wunsch lautet: Wenn der Kampf für Euch gewonnen ist, lasst diesen Gladiatoren frei seiner Wege ziehen. Er hat Euch dann zu Rückhalt im Senat verholfen und sollte angemessen belohnt werden."
Ihr Blick weilte auf Khaleb, als dieser zur Arenamitte schritt und Kampfposition einnahm. So bekam sie den kalten Blick ihres Vaters nicht mit, der sie streifte. Als sie sich ihm zuwand, lächelte er und breitete großmütig seine Arme aus. "So soll es sein, Juliana."
Der Kampf begann und Juliana maß mit ihren Blicken die Bewegungen des Gladiators aus Gavius Schule. Der Mann war träge im Vergleich zu Khaleb. Auch hielt er das Schwert so in der Hand, dass das Handgelenk nicht lange zu gebrauchen war. Ihr Blick war mit Geringschätzung erfüllt. Ihr Herz schlug schneller mit jedem Schlag, den die Gladiatoren in der Arena ausführten. Sie fühlte, wie ihre Brust heftig gegen die Corsage gepresst wurde als sie tiefer Atem holte. Khalebs muskulöser Körper fing ihre Blicke. Die Rüstungsteile, die ihm angelegt worden waren betonten seine Muskeln noch und seine Bewegungen waren so geschmeidig, dass sie sich innerlich verfluchte für ihre Entscheidung ihm die Freiheit zu schenken. Zwischen ihren Schenkeln begann das verlangende Brennen zu ziehen und sie wünschte nichts sehnlicher als ihn bei sich zu haben.
Der Kampf zog sich in die Länge. Das Volk wollte unterhalten werden. Die Senatoren blickten immer wieder in die Logen der eigentlichen Kontrahenten, die stellvertretend Kämpfer in der Arena gegeneinander antreten ließen. Beiden war eine Anspannung an zu sehen doch Gavius war noch nervös dabei. Das trug ihm das Missbillen der alten Männer ein.
Auch entging den geschulten Blicken nicht, dass Augustus Gladiator der Bessere war und der Unterhaltung wegen seinen Gegner noch schonte. Doch auch die Zeit der Unterhaltung fand ein Ende und der Wüsten-Gladiator wurde vom Volk angefeuert. Khaleb schlug eine einfache Finte, die sein Gegner missdeutete und ihn seine Waffe kostete. Das Schwert flog in hohem Boden durch die Luft und landete im Sand. Siegessicher und -gewiss hob Khaleb sein Schwert in die Ausgangsposition und schaute seinen entwaffneten Gegner an und dankte seinen Göttern, dass er den anderen nicht töten musste um den Kampf zu gewinnen. Er war ein Sklave, genau wie Khaleb. Beide wurden von ihren Herren in diesen Kampf gezwungen.
Juliana verfolgte das Geschehen und hatte sich vorgebeugt. Es war nur noch eine Waffe im Kampfgeschehen und Khaleb ging auf seinen Gegner zu, die Waffe so haltend, dass der andere keine Chance hatte. Dieser jedoch tat etwas völlig unerwartetes. Sah er gerade noch niedergeschlagen aus als ob er sich mit seiner Niederlage abgefunden hätte, so ließ er sich jetzt fallen, rollte sich nach vorne ab und hatte somit Khalebs Deckung unterlaufen. Die Menge schrie erschrocken auf und hielt dann den Atem an. Man sah nicht, was geschah, dann ging Khaleb zu Boden. Juliana stieß einen spitzen Schrei aus und sprang auf. Aus dem Hals ihres Wüstenkriegers ragte der Schaft eines Dolches.
Der Gladiator Gavius' drehte sich mit triumphierend erhobenen Händen um und verbeugte sich vor der Loge seines Herrn. Dieser stand mit offenem Mund an der Balustrade und schien ebenfalls nicht glauben zu wollen, was dort unten vorgefallen war. Die Kolosseumswache eilte herbei und zwang den Sklaven in die Knie, bedrohte ihn mit Waffen und legten ihn in Ketten. Der Kampf war auf die Schwerter ausgelegt und mehr als diese waren auch nicht zugelassen gewesen. Den Sklaven würde seine gerechte Strafe ereilen.
Zu dem Gefallenen waren auch zwei Wachen geeilt, aber sie schienen nichts weiter tun zu können als den Körper zu einem Tor zu schleppen und dort in die Dunkelheit zu werfen. Ein deutlicheres Zeichen dafür, dass Khaleb tot war, gab es für Juliana nicht.
Die Senatoren hatten das Geschehen verfolgt und einige berieten sich leise über die Balustraden hinweg. Man ging davon aus, dass Gavius seinem Sklaven den Dolch gegeben hatte. Doch dieser Vermutung widersprach das Verhalten des Senators. Er hätte sich nicht so gehen lassen, wenn er davon gewusst hätte... oder doch? War nicht jeder von ihnen in gewisser Weise ein Schauspieler?
In der Loge der Marius lächelte Augustus kalt. Juliana hatte sich soweit im Griff, als dass sie nicht in Tränen ausbrach. Dennoch konnte er seiner Tochter ansehen, dass sie damit nicht gerechnet hatte und arg getroffen war.
"Tochter! Denkst du denn mir wäre nicht aufgefallen, das du mit diesem Sklaven unstandesgemäße Treffen hattest?"
Sie zuckte zusammen und schaute ihn ertappt an. Als ihr dann dämmerte, dass dies ein Geständnis war, schlugen ihre Gefühle in Zorn um.
"Ihr... Ihr habt...", sie suchte nach den richtigen Worten, wurde aber dann von ihrem Vater unterbrochen: "Ja, ich habe ihm den Dolch geben lassen. Zwar habe ich diesen Kampf verloren aber meine Schule hat solch gute Kämpfer, wie du eben selbst sagtest, dass ich den nächsten Kampf gewinnen werde. Und dass es da diesen Dolch gab... er könnte auch von Gavius sein."
Sein Lächeln war ein gehässiges Grinsen geworden und er betrachtete mit Genugtuung, wie seine Tochter sich im Schmerz wand.
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