RE: zum verrückten Waldläufer
Kurze Zeit bevor Tika mit den Zwillingen die Leiter hinab steigt, wird die Szenerie in den Katakomben Roms, unterhalb der kleinen hölzernen Taverne, bereits von einer hageren männlichen Gestalt in einer grauen Mönchskutte beobachtet. Soweit die hier und da erleuchteten Fackeln dies zulassen. Darüber hinaus verläßt er sich auf sein Gehör, auch wenn dies dem Alter geschuldet wohl schon etwas nachläßt. Was Eusebius, so sein Name, unweit der Stiege zur Taverne dort unten vorfindet, versetzt selbst seinem arena-erprobten Magen einen üblen Stoß. Vor ihm liegt ein Prätorianer in Ausgehuniform, etwa 40 Jahre alt, von der Uniform her höheren Ranges, definitiv tot! Dessen Gesicht betrachtet den Rücken, die Waffenscheide enthält kein Kurzschwert mehr. Ein etwa 60 Jahre alter wohlbeleibter Mann in einer Nische ein paar Meter weiter, bekleidet mit edler Tunika, Toga mit rotem Purpursaum, hohe rote Schuhe, die am Knöchel mit einer Elfenbeinspange geschlossen sind und mit schwarzem Riemen um die Wade gehalten werden. Goldener Ring am rechten Mittelfinger. Im alten Rom war das die einem Senator vorbehaltene Kleidung. Dieser war nicht bei Bewusstsein, die Arme wurden ihm wohl über den Rücken mit Brachialgewalt gebeugt. Alle Finger waren ihm gebrochen. Eusebius hält die Fackel nah ans Gesicht des adligen Römers und erkennt eindeutig in ihr die Person, nach der er gesucht hat. In einiger Entfernung entdeckt Eusebius noch einen weiteren Prätorianer, mit dem Kopf in einem Abwasserkanal, offensichtlich erstickt. Auch diesem fehlt das Kurzschwert.
„Was zur Hölle ist hier abgelaufen. Wollte uns da womöglich jemand unsere Arbeit abnehmen? Was in aller Welt………………“, Eusebius unterbricht seine ruhig daher gebrummte Erkenntnissuche, weil in nicht allzu großer Entfernung Geräusche und kurz darauf eine helle Frauenstimme zu hören sind. Er löscht seine Fackel und sucht sich eine dunkle Nische. Von dort kann er jedes Wort verstehen. Das Weib hört aber auch gar nicht mehr auf zu reden. Was hat sie hier unten gefunden? Ein Kind?? Offenbar ein kleines Mädchen! Jetzt wurde Eusebius manches klarer, doch mangelt es ihm an Zeit, darüber in Ruhe nachzudenken. Schon dringen weitere Stimmen an sein Ohr. Diesmal tief und rauh. Zweifelsfrei von zwei stattlichen Burschen, die sich nun anschicken, das Gewölbe näher zu untersuchen. Sie laufen in seine Richtung. Eusebius drängt sich nur noch tiefer in die dunkle nasskalte Mauernische. Er hält es für klüger, sich jetzt besser nicht zu erkennen zu geben. Für das, was die beiden gleich finden würden, hätte er keine plausible glaubwürdige Erklärung. Auch hat er kein Interesse daran, zwei unschuldigen Burschen unnötig den Hals umzudrehen. Was er sich durchaus noch zutraut.
Es kommt wie es kommen muss. Die zwei Brüder finden die Prätorianer und den Senator. Offensichtlich haben sie die Absicht, Letzterem das Leben zu retten, indem sie ihn mit nach oben nehmen. Dazu fordern Sie ein Seil an. Doch Ihr Radau, den sie bei der versuchten Rettungsaktion verursachen, ruft stattdessen weitere ungebetene Gäste auf den Plan. „Das wird ja noch ein richtiges Gelage hier unten. Um nicht zu sagen eine Orgie. Wir sollten Einladungen verteilen und Eintritt verlangen!“ denkt sich unser gute Eusebius und knirrscht unwillig mit den Zähnen. Sogleich lauscht er angespannt, um die Zahl der Gäste genauer zu bestimmen. Wohl vier bis sechs Recken. Ohne Zweifel bewaffnet und in Eile. Nun könnte es nochmal richtig ungemütlich werden hier unten. Das denken sich wohl auch die zwei „Retter“, denn Eusebius vernimmt den Ruf "Vergesst das Seil, schliesst die Falltür und verkeilt sie!" und kurz darauf die davoneilenden stolprigen Schritte der zwei Burschen. Offenbar ist ihnen daran gelegen, den kleinen Trupp aufgebrachter Soldaten von der Falltüre abzulenken, was ihnen auch ohne weiteres gelingt. Nach einer Weile ist es wieder vollkommen still dort unten. Die lauten aufgeregten Stimmen, die stampfenden Tritte lederner Sohlen, das Klappern und Klirren der Waffen, nichts mehr – alles ruhig.
Eusebius entzündet seine Fackel. Auf leisen Sohlen sucht er abermals den Senator auf. Seine Zielperson. Diese hat sich inzwischen aber still und leise in die ewigen Jagdgründe verabschiedet. Wohl besser so. Eusebius durchsucht seine Kleidung, doch es ist nichts Brauchbares mehr darin zu finden. Ein leiser Fluch dringt durch seine zusammengepressten Lippen. Jemand ist ihm ohne Zweifel zuvor gekommen. Aber wer? Ob dieses kleine Mädchen etwas weiß oder gesehen hat? Es ist einen Versuch wert, sie zu befragen. So stapft er denn durch die dunklen kalten Gewölbe, bis er die Falltüre gefunden hat. Ein Stab, welcher ihm zum Stützen, aber durchaus auch zum Kämpfen immer wieder gute Dienste leistet und den er deshalb immer bei sich trägt, hilft ihm nun, dreimal nachdrücklich an den Boden der Falltüre zu klopfen und zu rufen:“ Keine Gefahr mehr von hier unten. Bitte öffnet und lasst einen Diener Gottes zu Euch nach oben kommen!“
Aus dem Notizbuch des Eusebius von Caesarea:
Wo Gott nah ist, ist auch der Teufel nicht fern.
Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden.
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 23.04.2013, 09:09 von Eusebius. )
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