RE: zum verrückten Waldläufer
Das muss ich träumen, dachte sich Tika, das kann nicht wahr sein! Sie kniff sich heftig ins rechte Ohrläppchen. "Autsch!" Das hatte weh getan. Wenn es ein Traum gewesen sein sollte, wäre sie jetzt aufgewacht, und Aine samt Taverne hätten sich in Nebel aufgelöst. Sie brachte ein "Ich danke Dir von ganzem Herzen, ich werde Dich ganz gewiss nicht enttäuschen!" heraus. Tika wollte sich schon abwenden, doch ihr fiel noch rechtzeitig Aines letzte Frage ein: "Ich kenne leider niemanden in Rom, aber das fahrende Volk, das mich nach Rom mitgenommen hat, kommt regelmässig in die Stadt, ich werde dort fragen, ob diese mir ein paar starke Männer empfehlen können. Wir sehen uns morgen zur gleichen Zeit!" Beschwingt lief sie los, und als sie sicher war, dass sie sich nicht mehr in Aines Sichtweite befand, schlug sie einen Purzelbaum nach dem anderen. Verwunderte Blicke von Augenzeugen bekümmerten sie nicht.
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Dem ohrenbetäubenden Gebrüll nach zu urteilen fand im Kolloseum wohl gerade ein die Zuschauer begeisternder Kampf statt. Jabba der Schlangenmensch sass zum Glück am Feuer, eine seiner Vorführungen hätte Tika nicht mitverfolgen wollen, das eine Mal als Zuschauerin hatte ihr für immer gereicht. Sie hätte sich, wenn sie das versucht hätte, sämtliche Knochen im Leib gebrochen! Mit einer einladenden Handbewegung bat Jabba Tika, Platz zu nehmen, um dann mit der Zubereitung von Tee zu beginnen. Tika konnte es allerdings nicht abwarten, bis Jabba seine Zeremonie beendet hat, sie musste die unglaubliche Geschichte einfach loswerden, diese sprudelte nur so aus ihr heraus. Ihre Erzählung beschloss sie mit "Eine Taverne verantwortlich zu führen, das bekomme ich hin. Aber das hier ist Rom, mit all seinen Schattenseiten. Was mache ich, wenn jene kommen, die eine Zahlung von Schutzgeld verlangen, oder mir nahelegen, eine Versicherung gegen Brand abzuschliessen? Andernfalls könnten gar schlimme Dinge passieren! Aine herrscht und befindet sich in Silva Romae, doch in Rom herrschen andere! Ich weiss nicht, ob ich dem gewachsen sein werde..." Tika liess die Schultern hängen, Zweifel standen ihr ins Gesicht geschrieben.
Jabba beendete seelenruhig seine Zubereitung von Tee, dann reichte er ihr eine Tasse. Tika war immer wieder fasziniert von diesem zerbrechlich wirkenden Gefäss, in einer Taverne würde dies gewiss nicht lange überleben. Jabba nippte an seinem Tee, seine Schultern zuckten, begann zu kichern. Tika blickte ihn verwirrt an. Jabba hüstelte: "Man sagt, alle Wege führen nach Rom. Viele dieser Wege führen durch die Wälder von Silva Romae. Wir sind oft auf diesen gereist, dünn besiedelt sind diese Wälder, es gibt unglaubliche Gerüchte über das, was sich in den Tiefen der Wälder befinden soll, doch wir blieben auf den Wegen, sammelten nur herumliegendes Holz. Ich weiss wenig über die Wälder, und Aine bin ich nie persönlich begegnet."
Jabba nahm einen weiteren Schluck Tee, seine Stimme bekam einen Unterton der absoluten Gewissheit: "Aber eines solltest Du wissen, Tika, und da kannst Du Dir sicher sein. In einer Taverne, die Aine besitzt, wirst Du gewiss niemals Besuch von jenen bekommen, die sich der Unterwelt Roms zugehörig fühlen. Jedenfalls nicht mit üblen Absichten. Die Unterwelt Roms geniesst gerade den für sie erfreulichen Umstand, dass die Stadtwache ihren Aktivitäten keinerlei Aufmerksamkeit schenkt." Jabbals Lächeln nahm teuflische Züge an: "Im Tavernenviertel führt das Kommando über die dort zuständige Stadtwache Thalya 'das Biest', doch sie in ihrer Hörweite als Biest zu bezeichnen, wäre alles andere als weise. Ihre Heimat? Die Wälder von Silva Romae. Ein hochrangiges Mitglied der Palastgarde, angeblich mit direktem Zugang zum Imperator, betrachtet das Tavernenviertel als seinen Zuständigkeitsbereich. Unbestätigten Gerüchten zufolge soll dies der Vater von Aine sein. Glaube mir, wenn jemand aus der Unterwelt in dieser Taverne durch seine Aktivitäten den Zorn der Stadtwache oder gar der Palastgarde auf sich zieht, wird Dir Roms Unterwelt Marmor aus Carrara abkaufen, des Übeltäters Füsse in diesen Marmor pflanzen und diesen dann im Tiber versenken, in der Hoffnung, dass Stadtwache und Palastgarde darauf verzichten, das Tavernenviertel auseinanderzunehmen... noch etwas Tee?"
Sämtliche Löwen der Arena hätten Tikas offenen Mund bequem als Eingangstor zur Arena betrachtet. Mit ewinem vernehmbaren Klicken schloss sie ihren Mund, um dann Jabba zu fragen, ob er starke Männer kenne, Aine würde diese am nächsten Tage benötigen, sie wisse leider nicht, wofür, sie hätte vergessen, Aine zu fragen.
Jabba nickte bejahend: "Bruise und Scar. Ehemalige Gladiatoren, aber nun zu alt für die Arena. Zwillinge. Du kannst sie anhand ihrer unterschiedlichen Narben auseinanderhalten. Momentan arbeiten sie als Geldeintreiber." Tika runzelte die Stirn, Jabba schmunzelte: "Nicht, was Du denkst. Die beiden arbeiten für Händler und besuchen jene Kunden, die ihre Rechnungen nicht bezahlen. Sie folgen diesen deutlichst sichtbar, jeder in Rom weiss, was dies bedeutet!" Jabba kicherte "Wenn die beiden Dir folgen, könnte das natürlich für Dich peinlich werden, aber sie werden Dich respektvoll behandeln, denn sie kennen Dich!"
Tikas Kinnlade entgleiste ihr erneut, Jabba grinste sie an und fuhr fort: "Ehemalige Gladiatoren prahlen gerne mit ihren Siegen, doch einige dieser erzählen ebenfalls die Geschichten ihrer peinlichsten Niederlagen. Corvax der Hüne gehört zu diesen, in einer Taverne mit einem Schlag gefällt von einer zierlichen Schankmaid... mit einer Pfanne! So etwas spricht sich durchaus bis Rom herum! Aber genug der Plauderei. Ich lasse nach Bruise und Scar schicken, ruhe Dich aus, damit Du morgen Deine Verabredung mit Aine einhalten kannst. Sie herrscht nicht in Rom, aber Du solltest durchaus beruhigt schlafen können!"
Tika begab sich zu ihrer Lagerstatt und rollte sich in ihre Decke. Ihre Gedanken wanderten, die Ereignisse dieses Tages waren einfach nur... überwältigend. Wie immer, wenn ihr das Einschlafen schwerfiel, erleichterte ihr dieses die Erinnerung an den Waffenschmied Bruessi und dessen acht Söhne, die Frage, welches Messerchen er ihr denn anfertigen solle, und dessen Gesicht samt der Fassungslosigkeit in den Gesichtern seiner Söhne ob ihrer Antwort 'Eine Pfanne'. Tika dämmerte in den Schlaf hinüber, vor sich hin lächelnd... morgen... morgen.. Morgen beginnt ihr Leben in Rom!
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