Aufbruchsstimmung herrschte. Trotzdem nahm sich K`Ehleyr die Zeit, Traumtaenzer zumindest mit ihren Blicken zu töten, da er sich tatsächlich und äußerst mutig vehement weigerte, sich auf das große Pferd zu setzen. „So ein Sturkopf,“ brummte sie ungehalten. „Ich hoffe für ihn, sein Maulesel macht keine Zicken und kann Schritt halten. Und von wegen Rosinanta – ich geb ihm gleich Rosinanta...“
„Der Wagen bleibt hier;“ knurrte sie anschließend Tirgatao an, die schon wieder einmal im ungünstigen Augenblick neben ihr stand und damit ihren Ärger völlig zu Unrecht als erstes abbekam. „Würden wir den Wagen nehmen, dann können wir gleich eine Tröte nehmen und unsere Ankunft lauthals bekanntgeben. Und ich glaube, laut, sind wir wahrlich genug.“
Da Asil zum Aufbruch drängte, setzte sie ein wenig versöhnlicher nach: „Wir packen alles nötige auf die Maulesel, das ist eine gute Idee. Ich mache mich gleich dran und dann geht es endlich los.“
Obwohl K`Ehleyr rasch arbeitete und Tirgatao ihr dabei half, dauerte es noch eine gute halbe Stunde, bis am Ende wirklich alle abmarschbereit waren. Ezekiel hatte sich eines der Bauernpferde genommen und da Rael sich weiterhin weigerte, sich auf den Schecken zu setzen, wurde sie von K`Ehleyr höchstselbst hinter den Engel gescheucht.
„Damit bist du zumindest in besten Händen,“ gab sie als Erklärung ab. „Und das Pferd ist dazu noch breit genug, dass selbst du nicht herunterfallen dürftest. Aber halt dich trotzdem fest und wenn du dafür Ezekiels Hemd zerreißen müsstest.“
Am Ende schwang auch sie sich auf ihre Fuchsstute und gab damit das Zeichen für den Aufbruch. Der Tross setzte sich ein weiteres Mal in Bewegung, langsam zwar, wegen Tirgatao, die ihre Stute am Zügel führte, aber immerhin ließen sie den Rastplatz mit den zwei Kadavern rasch hinter sich.
Obwohl sie am Anfang nur nur in einem raschen Schritttempo vorwärts kamen, änderte sich nach einigen Tagen das Bild ihrer Umgebung. Die flache und fruchtbare Gegend wurde von sanften, bewaldeten Hügeln abgelöst. Den Hügeln wichen erste Ausläufer des am Horizont auftauchenden Gebirges, die wiederum von steinigen Wegen begleitet wurden. Obwohl Tirgatao nun inzwischen auf ihrer Stute ritt, konnten sie immer noch nicht im vollen Galopp vorwärtspreschen. Felsblöcke, abgegangene Moränen, vom Regen angeschwollene Flüsse und undurchdringliche Wälder ließen sie immer wieder Umwege gehen und die Stadt, die sie anvisiert hatten, in weiter Ferne rücken.
Die Stadt selbst lag mitten im Gebirge, ihres Zeichens ein Ort des Handels und der Information. K`Ehleyr war es gewesen, die dieses Ziel vorgeschlagen hatte, da sie sich vor Jahren von diesem Ort aus auf die Suche nach den anderen Schwestern gemacht hatten.
„Es herrschte nur eine andere Stimmung im Land,“ erklärte sie gerade Drakonia, die neben ihr ritt. „Zwar herrschte auch damals Krieg, aber die Leute wirkten nicht so...verängstigt. Keiner musste wie jetzt hungern und man begegnete uns auch nicht mit solchem Misstrauen.“
Die Kriegerin dachte an das Dorf, dass sie an diesem Morgen passiert hatten. Das Gefühl ließ sie nicht los, dass man sich ihnen gegenüber immer abweisender verhielt, je näher sie sich der Stadt in den Bergen näherten. Kaum einer wollte ihnen Auskunft geben, schon gar nicht um die seltsamen Tiere, auf die sie immer wieder trafen und denen sie sich noch zweimal hatten erwehren müssen. Zwar hatten sie einmal versucht, nähere Erkundungen über diese Bruderschaft einzuholen, doch sie waren auf eine Mauer des Schweigens und des Entsetzens gestoßen. Selbst die Erwähnung der Schwester hatte die Zungen der Bewohner Askaarels nicht gelöst.
„Armut, nichts als Krieg und Armut.“ K´ Ehleyr schüttelte bei dem Gedanken an die letzten Tage den Kopf. Die Biester waren nur der Anfang gewesen. Kriege erschütterten das Land, marodierende Männer hatten mehr als einmal versucht, ihnen ihr weniges Hab und Gut zu nehmen und wären die Wölfe nicht gewesen, die sie rechtzeitig gewarnt hatten, hätte zumindest das eine Mal äußerst übel ausgehen können.
Noch in Gedanken über den letzten nächtlichen Angriff, führte die Kriegerin ihre Fuchsstute über einen flachen Bach. Das Wasser sprudelte von den Bergen herab in die Tiefe und tauchte ihre Umgebung in ein leises Rauschen, das sich mit dem der Bäume vermischte. Hinter ihr ritt Ezekiel und ihm folgte Asil. Der Rest der Truppe befand sich noch einige Meter weiter hinten auf dem schmalen Waldweg, würde aber bald um die letzte Biegung kommen. Wenn sie die Erinnerung nicht trog, dann würden sie in zwei Tagen die Stadt erreichen – vorausgesetzt, sie blieben weiterhin auf dem Pfad, der mit jedem Tag steiler und abgründiger wurde.
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