Eomer war stumm am Tisch gesessen und hatte der Szenerie nur apathisch zugeschaut. Andere Gedanken gingen ihm durch den Kopf, als der Wunsch nach etwas zu Essen. So bemerkte er nur am Rand, wie ein Fremder die Taverne betrat und sich zu ihnen gesellte. Ezekiel stellte ihm die gesamte Gruppe vor und der Germane nickte kurz, als sein Name erwähnt wurde, mehr aber auch nicht. Die Ankunft von Tao und ihr Abtransport in den Stall interessierte ihn da schon mehr, doch als er sah, dass er nichts machen konnte, wurde er es leid, nutzlos herumzusitzen und stand auf. Er entschuldigte sich bei K` und teilte ihr mit, dass er die Stadt erkunden würde, um sich einen bessern Überblick über die Situation zu verschaffen. Vor allem aber wollte er die Stadtmauer erkunden. Wer wusste schon, wie lange sie hier bleiben würden? Also würde es sicherlich von Nutzen sein, zu wissen, wo etwaige Schwachstellen oder Fluchtmöglichkeiten in dem massiven Steinwall vorhanden waren. Geduldig und gewissenhaft legte er sein Wehrgänge an und ordnete seine Rüstung, sodass alles wieder perfekt saß. Kurz verabschiedete er sich bei der Gruppe und verlies die Taverne.
Zurück im Licht der Sonne, die zwischen den Giebeln der Dächer hindurch schien, atmete er Germane erst einmal auf, doch die Luft war nicht die frische Luft der Wälder Germaniens oder wies die salzige Meeresbriese auf, die in Tyros vorherrschte. Nein, es herrschte ein Geruch nach Geschäftigkeit, harter Arbeit, Angst und... Tod. Letzteres war zum jetzigen Zeitpunkt nur eine schwache Note, aber es würde sich bald verstärken und alles andere verschlingen. Nichts würde hier mehr an die Geschäftigkeit erinnern. Nichts an die harte Arbeit. Vielleicht würde sich ein klein wenig von der Angst halten können, aber der Tod würde dominieren. Seufzend schloss der blasse Krieger die Augen und senkte den Kopf. Seine rechte Hand löste den Lederriemen in seinem Haar, welches sich aus der Form befreit wusste und über seine Schultern fiel. Doch die Freiheit hielt nur kurz, denn schon wurden sie erneute zusammengefasst und mit dem Riemen fixiert. Lediglich der Anblick war nun ordentlicher und alle Haare in dem Pferdeschwanz zusammengefasst, ohne dass sich einige wenige abseits befanden und ihm Wind wippten. Sich noch kurz streckend führte Eomer seine Schritte in Richtung Stadtrand. Seine Stiefel tönten leise auf dem steinernen Weg wider und das Geräusch wurde von den vielen Menschen, die um ihn herumliefen, ganz überdeckt. Eine innere Stimme sagte ihm, dass viele von ihnen nicht mehr lange leben würden... Warum sind nur wir hier? Warum ist hier keine Armee mit tausenden Männern, die dem alle hier Einhalt gebieten könnten? Kann dieses Land etwa nur uns versorgen? Oder kann man dem Übel, das hier wütet nicht mit herkömmlicher militärischer Stärke entgegenwirken? Aber was soll ich dann hier? Ich bin ein Krieger kein Magier... Diese Gedanken von sich weisend, rückte die Stadtmauer in seinen Blick und es dauerte nicht lange, bis er eine Treppe entdeckte, die zum Wehrgang führte. Doch, wie zu erwarten war, wurde sie bewacht. Zwei Soldaten in lädierten Rüstungen und mit schartigen Speeren standen am Fuss des Aufgangs und schienen gelangweilt in der Gegen umherzublicken. Als ein kleiner Junge an dem Germanen vorbeilief, hielt jener das Kind sanft fest. Nicht wissend, wie ihm geschah, blickte sich der Junge um und sah seinem Fänger ins Gesicht. Mit einem freundlichen Blick beugte sich der Krieger zu ihm hinunter, flüsterte ihm etwas ins Ohr und steckte ihm einen Apfel zu, den er auf dem Weg zu den Befestigungsanlagen erworben hatte. Nach einem kurzen Nicken und mit leuchtenden Augen rannte der Knabe die Straße entlang.
"Sagt mir, meine Freunde, warum sind eure Speere schartig? Achtet ihr etwa nicht auf eure Waffen?", richtete Eomer seine Worte an die beiden, als er schräg neben ihnen stand. Beide fuhren leicht erschrocken herum und musterten den Krieger vorsichtig. Die hochgewachsenen Gestalt in der dunklen Rüstung, mit dem Anderthalbhänder an der Seite und der selbstbewussten Haltung schien sie in gewissem Maße einzuschüchtern, was in Anbetracht der Umstände auch nicht weiter verwunderlich war.
"Und wieso sind eure Rüstungen beschädigt? Wart ihr auf einem Schlachtfeld?", fuhr er mit fester Stimme fort.
"W-w-wir...", stotterte der größere der beiden los und besann sich dann seiner Stellung als Wächter und räusperte sich. "Wir waren wirklich auf einem Schlachtfeld, doch wüsste ich nicht, was Euch das angehen würde." Sein Ton wurde deutlich arroganter, je mehr er sagte.
"Wer seid Ihr überhaupt und was sucht Ihr hier? Es ist allen, die nicht in der Stadtwache sind, verboten, die Stadtmauer zu betreten!"
Mit einem selbstsicheren Lächeln schritt Eomer auf den Sprecher zu, ohne außer Kenntnis zu lassen, dass dieser leicht zurückwich, verängstigt von dem Auftreten des Germanen.
"Nun, ich bin ein fahrender Krieger aus einem Land, dass Ihr nicht kennt, mehr braucht ihr nicht zu wissen. Und ihr seid anscheinen von der Stadtwache..."
Plötzlich ertönte ein lauter Schrei und ein kleiner Tumult bildete sich unweit der drei Männer.
"... und wie es scheint, habt ihr jetzt zu tuen, oder fallen Recht und Ordnung nicht mehr in euren Bereich?"
Verwirrt sahen sich die Wächter um und suchten hilfesuchend jeweils zu ihrem Kameraden, doch keiner schien zu wissen, was zu tuen war. Eomer schüttelte den Kopf und machte ein paar Schritt die Straße hinuntern, als er hörte, wie sich Eisen in Bewegung setzte und gerade noch sah, wie die Wächter in Richtung des Tumultes rannten. Na bitte... Wenn etwas richtig gemacht werden soll, was Verwirrung stiftet, dann lass es einen Lausbuben machen. Wie auf ein stilles Kommando kam der Junge von vorher aus einer Seitenstraße auf Eomer zu und erhielt von diesem noch zwei Äpfel und ein Stück Brot.
Die Tatsache, dass die Treppe nun unbewacht war, nutze der blasse Krieger aus und begab sich unbemerkt auf die Stadtmauer und musste zu seiner Verwunderung feststellen, dass es dort kein Zeichen von Wachen gab. Was geht hier vor? Es herrscht Krieg, aber auf der Stadtmauer ist niemand!? Rasch sah er sich um und suchte nach einem Weg, auf dem er halbwegs unbemerkt wieder von der Mauer herunter kommen konnte. Die beiden Wachen von der Treppe wollte er nicht noch weiter in Verlegenheit bringen.
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