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Im Angesicht des Krieges
Anonymous

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Beitrag #1
Im Angesicht des Krieges
Anitra sah nachdenklich von einem Dokument auf über welches sie gerade Ihren Kopf gebeugt hatte und auf dem beinahe unübersehbar das Siegel Roms prangte. Es ging allerorten das Gerücht, dass die Geißel des Krieges über das Land kommen sollte. Dies war nun der Beweis. Viele Provinzen hatten bereits zur Mobilmachung aufgerufen, viele Mütter nahmen Abschied von ihren Kindern, viele Kinder von ihren Elternteilen, viele Eheleute von ihren Partnern, kurzum viele Menschen von Menschen die ihnen lieb und teuer waren, da sich die Armeen allmählich in Lagern zusammenfanden in denen Kriegstaktiken gelehrt und Waffen und Ausrüstungsgegenstände ausgegeben wurden. Elend würde dieser Krieg über das Land bringen, doch schien es so, als sei er unumgänglich.

Aus Nachbarn und Freunden würden über Nacht erbitterte Gegner, ja sogar Feinde werden. Menschen die gestern noch in einem der zahlreichen Grenztavernen bei einem Krug Wein beisammensaßen würden sich schon morgen falls sie sich erneut dort treffen würden ebenjene Krüge gegenseitig auf dem Haupte zerschlagen wollen. Familien würden durch die Schließungen der Grenzen auseinandergerissen werden, die Wirtschaft würde erlahmen da Reisen zu Märkten in Nachbarprovinzen ausbleiben würden. Waren würden beim Transport verschwinden, da unbekannte Plünderer sich die Wirren des Krieges zunutze machen würden und Handlungsreisende um ihre Waren erleichtern würden.

Ani wurde das Herz schwer bei diesen Gedanken, liebte sie doch ihr Volk und ihr Land und wollte sie doch alles Unheil abzuwenden versuchen. Doch der Krieg mit all seinen Grausamkeiten würde auch vor ihrer Heimat nicht haltmachen. Längst hatte auch sie ihr Volk über das drohende Unheil unterrichten müssen. Mit ihrem Militär hatte sie den Verteidigungsfall durchgesprochen, Taktiken überlegt und zusammen mit den versiertesten Schmieden des Landes hatte sie für eine bestmögliche Ausrüstung im Rahmen der Möglichkeiten gesorgt. Die Baumeister des Landes waren mit dem Bau von Verteidigungsanlagen betraut worden welche ihre friedliebende Provinz bislang nicht benötigt hatte, der Schutz ihres Volkes befahl ihr aber sämtliche notwendigen und möglichen Maßnahmen zu ergreifen.

Sie blickte aus dem Fenster ihres Audienzsaales in dem Ihr mächtig anmutender, aus alten Eichen heimischer Wälder gefertigter Schreibtisch stand an dem sie ihre Staatsgeschäfte für gewöhnlich erledigte. Im Innenhof der Palastanlage herrschte reges Treiben. Lastkarren wurden instandgesetzt, Das Feuer in der großen Schmiede brannte Tag und Nacht, die besten Schmiede der Provinz waren an den Hof gereist und fertigten dort im Schweiße ihres Angesichts die diversesten Schmiedearbeiten an.
Es lag eine beinahe bedrückende Spannung in der Luft. Man begegnete sich mit vielsagenden Blicken, vermied es aber das Wort auszusprechen, das bereits in aller Munde zu liegen schien: K-R-I-E-G. Das plötzlich an ihr Ohr dringende unbekümmerte Kinderlachen wirkte in diesem Moment eher bizarr.

Die heutige Monarchin erinnerte sich an ihre Kindheit und Jugend zurück, in der sie so manchen Krieg hatte erleben müssen, in der sie ihre Eltern und deren Geschwister verloren hatte. Geblieben war ihr nur ihr Bruder der sich vor langer zeit bereits dem Orden der Rose angeschlossen hatte. Viel war sie seit jener Zeit im römischen Reich herumgekommen, oft hatte sie in Rom verweilt. Stets war es ihr Anliegen gewesen kritische Situationen durch Diplomatie zu lösen.
Doch dieses Mal schien ein solches Ansinnen schon von vornherein aussichtslos. Viele wollten den Krieg, vielen hatte der Imperator in Rom den Krieg versprochen. Die indifferenten Tendenzen im Volk wurden durch das geschickte Wirken der Demagogen einiger Provinzen überlagert. Nun lag es an ihr ihrer Aufgabe als Schützerin des Volkes nachzukommen. Diese Bürde ihres Amtes die sie allein zu tragen hatte lastete schwer auf ihren Schultern. In Momenten wie diesen war sie beinahe froh keine eigene Familie gegründet zu haben und somit keine unschuldigen Kinder den Gefahren aussetzen zu müssen. Jedoch schmerzte sie zusätzlich die Aussicht, viele ihrer Freunde durch den Krieg zu verlieren.

In ihrem Kopf kreisten die Gedanken und sie beschloss die Arbeit für eine Weile ruhen zu lassen. Sie erreichte ihre Gemächer durch eine Geheimtür an der Stirnseite des Audienzsaales, legte dort ihre aufwändigen Kleider ab die sie bei den heutigen Audienzen getragen hatte und tauschte diese gegen ein einfaches weißes Gewand das sie mit einer Spange fixierte. Ihre eher streng anmutende straff hochgesteckte Frisur löste sie ebenso, sodass ihre Haare offen über ihre Schultern fielen. Ani überlegte Kurz, fasste dann aber eine Falte ihres Gewandes und zog diese über ihr Haupt. Sie wollte unerkannt bleiben, wollte vermeiden, dass man sie aufhalten und in ein Gespräch verwickeln würde. Sie wollte für eine Weile allein sein.

Durch den hinteren Turm gelangte sie in einen Gang den die Dienstboten nutzten wenn sie in ihre Gemächer gelangen wollten. Dieser Gang endete im Flur vor Küche und Speisesaal von dem aus eine Tür in den hinteren Palasthof führte. Anitra überlegte kurz in den Palastgarten zu gehen, entschied sich aber dann doch dagegen. Aus Richtung der Schmiede vernahm sie ein lautes Wortgefecht und meinte die Stimme des überall bekannten Weinhändlers heraushören zu können. Wenige Meter vor ihr stand ein Pferdegespann auf dem er für gewöhnlich Weinschläuche transportierte. Dieser war nun leer. Sie erklomm die abgeplante Ladefläche. Sie hatte den Händler stets für einen hervorragenden Geschäftsmann gehalten, dieser Eindruck bestätigte sich nun, da sie die erstaunlich saubere Ladefläche begutachtete. Der Wagen schwankte leicht und sie vermutete der Händler habe auf dem Kutschbock platzgenommen. Schon setzte sich das Gefährt in Bewegung und Anitra verfolgte durch einen kleinen Riss in der Plane ihre Wegstrecke.

Als sie die Tore hinter sich gelassen hatten begab sie sich nach vorn und sprach leise "Erschreckt nicht Marcus Valerius" während sie die Plane ein wenig beiseite schob und den Schleier von ihrem Haupt nahm. Erstaunt sah dieser sie an, allerdings war er ungewöhnliches sicherlich bereits von ihr gewohnt, gab es doch zu viele Anekdoten die man sich erzählte. "Ich habe eine Gelegenheit benötigt unerkannt die Mauern des Palastes zu verlassen und ihr seid zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen" sprach sie lächelnd. Wissend nickte der Händler sie an, auch ihm war sicherlich die angespannte Stimmung bei Hofe nicht verborgen geblieben. "Seid so gut und lasst mich an der Lichtung dort vorn absteigen!" fuhr Anitra fort. Der Händler war kein Mann vieler Worte, so nickte er nur und tat worum sie ihn bat. Mit ein paar dankenden Worten verabschiedete sie sich und ging.

Es war im Wald angenehm kühl für diese Jahreszeit. Ani ging zielstrebig gen Osten und erreichte nach einiger Zeit eine kleine Lichtung mit einer Quelle die sich in ein Flüsschen nicht breiter als ein schmales Rinnsal ergoss. Dieses war einer ihrer Lieblingsplätze an dem sie entspannen und klare Gedanken fassen konnte. Von Zeit zu Zeit verirrten sich auch Rehe oder andere Tiere des Waldes an diesen Platz, ließen sich aber meist durch ihre Anwesenheit nicht stören. Sie setzte sich auf einen großen Stein am Rande der Quelle den die wenigen durch das Blätterdach fallenden Sonnenstrahlen ein wenig erwärmt hatten und sah auf das Wasser. Das Zwitschern der Vögel überdeckte das leise Plätschern des Wassers auf dessen Oberfläche einige Eichenblätter tanzten und von der leichten Strömung fortgetrieben wurden. Ebenso wie diese Eichenblätter fühlte sie sich. Gegen ihren Willen mitgerissen von der Umgebung, Gefahr laufend in einem plötzlichen Strudel hinabgerissen zu werden. Was würde die Zukunft bringen? Würde sie ihr Volk beschützen können? Würden die Provinzen des römischen Reiches sehr leiden müssen? Dieser ihr aufgezwungene Krieg war nicht ihr Krieg, sie hatte ihn nie gewollt. Es war nun aber ihre Aufgabe als Staatsoberhaupt Schaden von ihrem Volk abzuwenden. Sie fühlte sich erdrückt von der schweren Bürde die auf ihren Schultern lastete und sie fühlte sich beinahe verloren. Aber sie musste um ihres Volkes Willen Stärke beweisen, sie musste ein Vorbild sein und die Moral des Volkes stützen. Anitra seufzte tief, doch ihr blieb nichts anderes übrig als die Herausforderung anzunehmen die sie niemals provoziert hatte.
06.06.2004, 18:41