Der Germane blickte Nairos in die Augen und versuchte in ihnen zu lesen, als sie ihren Mund öffnete und ihm ihr Geheimnis anvertraute.
Erst schob er alles, was er hörte auf einen Traum, in dem er sich befand. Ja, das musste es sein! Sie war nicht real, sie konnte es einfach nicht sein! Er war wahrscheinlich in irgendeiner Taverne abgestiegen, hatte sich betrunken und war dann mit den schönsten Gedanken im Kopf eingeschlafen. Gedanken an eine alte Liebe, die ihn schon lange verfolgte und sich oft in Traumen formiert hatte. Träume die ihm wie eine süße Realität erschien und dann so herb zerplatzen, sobald er die Augen öffnete. So würde es auch hier sein, dachte er sich.
Wie oft habe ich das nun schon erlebt... Jeden Tag, seit meiner Abreise dachte ich an sie. Auf den Schlachtfelder auf denen ich das Blut meiner Feinde und mein eigenes vergossen habe, dachte ich an sie.
Eomer betrachtete die Gestalt, die vor ihm stand und ihn mit verführerischen braunen Augen ansah. Äußerlich glich sie der Frau, die er vor langer Zeit verlassen hatte und auch innerlich schien sie die selbe zu sein, aber das konnte nicht sein. Solches Glück hatte er nicht. Nicht er, der er schon so oft diesen Moment herbeigesehnt hatte.
Egal was ich tuen werde, es kann nur ein Traum sein.
Fest entschlossen aufzuwachen, konzentrierte sich der Krieger und versuchte diesem Schauspiel zu entkommen. Seine Muskeln spannten sich an und seine Haltung wurde starr.
Doch plötzlich sah er ein Blitzen in den Augen der Frau, die er vor sich hatte. Ein Blitzen, dass ihm zu real erschien, als das es in einem Traum sein könnte.
Nur mit Mühe konnte Eomer seinen rechten Arm bewegen und ihr Gesicht vorsichtig heben, sodass sie ihm in die Augen sah. Alles was er sah, waren braune Augen, die eine gewisse Trübung aufwiesen. Es hätte Trauer sein können, oder Wut, er konnte es nicht sagen. Nur die Tatsache, dass diese Gefühle die Besitzerin der Augen belastete, die genau so aussahen wie die Augen, die er liebte, könnte er mit Sicherheit erkennen.
Ein paar Schweißperlen bildeten sich auf der Stirn des Germanen, während er angespannt überlegte. Es verstrichen nur ein paar Augenblicke, aber ihm kam es vor, als würde er Stunden lang bewegungslos verharren, bis ihm eines klar wurde. Das war kein Traum! das waren nicht die Augen einer Wunschgestalt, die sein geist für ihn erdacht hatte! Nein, das war wirklich Nairos! Seine alte und immer währende Liebe, die er vor Jahren verlassen hatte!
Zu keinem klaren Gedanken mehr fähig, schloss er kurz die Augen und atmete die Luft der Taverne ein. Den Geruch nach Kerzenwachs und Met, sowie nach Bier und verschiedenen Gewürzen, nach Feuer und nach altem Holz.
Plötzlich öffnete der hochgewachsenen Mann die Augen und küsste die junge Frau kurz und vorsichtig auf die Lippen, bevor er sie in die Arme nahm und sich seine Lieder wieder schlossen. Ein Bruchstück von dem was sie vorher sagt, schoss ihm durch den Kopf:
"... ich will dich nicht noch einmal verlieren."
Mit leiser, aber erstaunlich fester Stimme versuchte Eomer diese Angst zu zerstreuen. Die Wort kamen von selbst und spiegelten sein Innerstes wieder.
"Du wirst mich nie wieder verlieren!"
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