Irgendwie hatten wir es gemeinschaftlich geschafft uns einen Weg durch die Schneemassen zu bahnen; Magie und Muskelkraft gaben eine sehr gute Kombination ab und so brauchten wir letztlich nur um die vier Stunden.
Alle waren erschöpft, aber dennoch hatten wir ein leichtes freudiges Lächeln im Gesicht - sogar der sonst so scheinbar gefühlslose Venenarius.
Hier und da sprachen die Mannen aus dem Haus der Nacht, viele wunderten sich über die Sache mit dem schwarzen Schaf, wie der Mönch die Erscheinung immer wieder zu nennen pflegte. Johnny und ich gesellten uns nach einiger Zeit zu Vanner, der sich mit dem Kuttenträger über die Prophezeiung unterhielt, da er der Meinung war, dass Venenarius um den Weg zur Erfüllung der Legende wusste - was auch der Fall war, wie uns der Mönch mitteilte. Schnell schafften wir es die andere dazu zu bringen trotz Ermüdung weiter zu marschieren und so befanden wir uns keine halbe Stunde nach erfolgreichem Durchbruch durch den weißen Tod wieder auf dem Weg.
Wir wanderten und wanderten. Drei Tage unterwegs und der Schnee schien nicht weniger zu werden, aber auf nennenswerte Zwischenfälle oder Pausen konnten wir glücklicher Weise verzichten und daher waren wir auch alle erfreut, als die Landschaft langsam aber sicher begann sich zu wandeln.
Ich selbst betrachtete die Veränderung mit Interesse, da ich mich wunderte, wie mitten in den höchsten Bergen beinahe schon von einer Stelle zur nächsten nicht nur die weiße Masse weniger wurde, sondern hier und da auch zarte Pflanzensprösslinge ihren Weg ins Leben suchten und sich bahnten. Auch die immer stärker werdende Wärme verspürten alle und nach einiger Zeit rasteten wir, um uns alle etwas zu erholen - denn längere Ruhepausen hatten wir vorher nicht wirklich eingelegt aus Angst in einer Schneewehe am morgen aufzuwachen und auf Grund der sich damit unweigerlich ausbreitenden Kälte zu erfrieren.
Venenarius teilte uns mit, dass es nicht mehr weit wäre. Die sich verändernde Landschaft sei dafür ein deutliches Indiz und nur auf die Güte des Schafes zurückzuführen. Ich lachte innerlich über diese Ansicht, sagte aber nichts.
Insgesamt pausierten wir ungefähr zwei oder drei Stunden. Irgendwann war auch ich leicht eingedöst. Mit einem Mal aber war ich hellwach: ich hatte Kampfeslärm vernommen und instinktiv griff ich auf den Rücken um mein Schwert zu zücken. Augenblicklich fiel mir aber ein, dass ich meine Ausrüstung, mit Ausnahme des Dolches und der Lederstiefel, nicht mehr besaß und außerdem stellte ich fest, dass ich über einem Schlachtfeld zu schweben schien.
Schwer gerüstete Nordmannen. Orks auf der Gegenseite; mordlüstern schauten sie auf ihre auserkorenen Opfer. Dann ein Signal. Beide Gruppen liefen los, die Unterzahl der Menschen war unverkennbar. Sechs gegen einen hieß es. Die ersten Kämpfer fielen. Rotes Blut floss auf dem Boden, dunkelgrünes mischte sich mit hinein. Immer mehr Orks fielen - die Nordmänner schienen in der Lage ihre Feinde niederzuhacken. Kein Erbarmen. Todesschreie, tiefe angsterfüllte Grunzlaute. Stahl traf auf Stahl. Funken stoben auf; zuckende Gliedmaßen verteilten sich auf dem Kampfplatz. Das Schlachtengetümmel wurde immer enger und unübersichtlicher.
Plötzlich sah ich wie ein Trupp der Nordmänner ausbrach; ihre Freunde versuchten die Orks auf sich zu ziehen und ihren Gefährten die Flucht zu ermöglichen. Einige Gesichter kannte ich; schlagartig wusste ich, dass es die Mannen aus der Provinz von Ottajesko waren, die dort unten kämpften und starben, nachdem die Orks irgendwann in einen Blutrausch verfallen waren und wieder die Oberhand gewonnen hatten.
Jene, die flüchten konnten, liefen und rannten.
Dann; Szenenwechsel. Die Flüchtenden. Ein altes Gemäuer, einem Kloster sehr ähnlich.
Mit einem schmerzerfüllten Stöhnen fuhr ich aus dem Traum hoch, blickte mich um. Langsam beruhigte sich mein Puls, der Herzschlag wurde wieder langsamer. Johnny und einige andere blickten mich besorgt an.
Ich versuchte sie zu beruhigen, erzählte ihnen von meiner Vision, denn eine solche war es mit tödlicher Sicherheit. Venenarius, von meinen Worten sichtlich verwundert, mahnte nun schnell aufzubrechen, denn die Beschreibung des Klosters, so meinte er, entspräche haargenau dem Ort zu dem wir auf dem Weg waren. Auch unsere Versicherungen, dass die Krieger der Ottajesko nichts böses vorhätten, besänftigte sein plötzlich erregtes Gemüt nicht.
Wieder wanderten wir. Die Landschaft wurde immer grüner und lebendiger. Fruchtbarer Boden, unerklärliche Wärme und keine die Natur zerstörenden Menschen bildeten die Grundlage für dieser Außergewöhnlichen Umgebung.
Nach weiteren zwei Tagen Marsch gelangten wir an einen erloschenen Vulkan; dies erklärte zumindest teilweise die Wärme, die hier herrschte.
"Ich kenne diesen Ort. Das Kloster. Den Berg auf der anderen Seite müssen wir hinabsteigen.", meinte ich und erkannte tatsächlich die Landschaft als jene wieder, die ich zuletzt in meiner Vision erblickte. Schon von oben war es möglich die Nordmannen zu entdecken, die sich scheinbar nicht über unsere Ankunft wunderten.
Venenarius winkte einem weiteren Kuttenträger zu. Zwei Krieger der Ottajekso verschwanden und tauchten kurz danach wieder auf: Ihnen folgten zwei mir, ebenso wie den Leuten aus dem Haus der Nacht, bekannte Gesichter. Sir Tom und bumpfi.
Ein Aufschrei ging durch die Massen. Die Häusler rannten nun förmlich die letzten fünfhundert Meter den Berg hinab, umringten ihren Grimpi und den für tot geglaubten Schweinepriester; Tom erzählte von der Wunderheilung durch das schwarze Schaf und sofort fühlte ich mich an mein eigenes Erlebnis mit dem Wesen erinnert.
Vanner und Johnny standen als einzige noch neben mir, denn Venenarius hatte sich zu seinem Mönchskollegen begeben, den er uns als Bruder Révolté vorgestellt hatte. Der Kater hingegen schlich zwischen den Kriegern der Ottajekso herum, die mir zu nickten - eine größere Ansammlung von Freunden hatte es aus unterschiedlichsten Gründen zusammengeführt. An einem Ort, den wohl niemand von uns allen sonst gefunden hätte: Eine beinahe schon greifbare Ruhe und Friedfertigkeit erfüllte die Luft.
"Es ist gut, dass die Prophezeiung stimmt. Noch besser aber ist es ein neues Heim gefunden zu haben und zu wissen, dass unser Staatsoberhaupt nicht in den Flammen starb. Bumpfi lebt auch wieder. Besser geht es doch gar nicht, oder?!, fragte Vanner und deutete Johnny an, dass sie nun zu den ihren gehen sollten; er folgte.
Mit einem Lächeln im Gesicht ging ich nun auch auf die Versammelten hinzu, begrüßte diesen und jenen der Ottajekso, verneigte und bedankte mich bei Venearius und umschloss meinen guten alten Freund Sir Tom.
"Es besteht jetzt nur eine Frage: Wie nennen wir die Provinz, die wir zu Ehren des schwarzen Schafes begründen wollen?", fragte ich die Leute, denn es schien außer Frage zu stehen, dass wir hier alle gemeinsam etwas Neues aufzubauen gedachten und das schwarze Schaf, von dem der Kuttenträger sooft während der Wanderung geschwärmt hatte, als göttliches Wesen zu verehren. Ich blickte dabei einen nach dem anderen an und musste Venenarius anlächeln, da er zu ahnen schien, dass ich dem Schaf nicht wie die anderen inbrünstig huldigen würde.
"Schwarzer Wolldämon. Ob er diese Blasphemie jemals überstehen wird?!", dachte ich bei mir und grinste frech.
Ein Gemurmel und Getuschel begann. Immer neue Namensvorschläge wurden gemacht. Auf Grund des Lärmes war es mir aber nicht vergönnt alle Ideen zu verstehen.
"Megálo Metéoro!", hörte man in die mit einem Mal eingetretene Stille jemanden sagen. Alle drehten sich zu der Person um und blickten in das Gesicht von Bruder Révolté. Immer wieder wurde der Name wiederholte, sprang von Mund zu Mund und schon bald schienen alle einverstanden zu sein.
"Eine neue Allianz. Ein neuer Anfang. Irgendwo in den Bergen von Palatin.", hörte ich mich innerlich flüstern und ein Lächeln huschte über mein Gesicht...
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