Beitrag #3
Unruhig ging Finlay in den Gängen unterhalb der Arena auf und ab. Sein Kämpfer war schon lange überfällig. Wo blieb dieser Stümper nur? Konnte er denn nicht eimal pünktlich sein? War es etwa zuviel verlangt, zumindest pünktlich zum Kampfe zu erscheinen? Scheinbar ja, denn das Duell gegen den wohl bekannten Zwerg Kamikaze Steinbrecher sollte in Kürze beginnen und Finlay's Schützling war noch nicht aufgetaucht. Aber was hatte er anderes erwartet, wenn man einen Kämpfer mit dem unmöglichen Namen "Gronk, der allmächtige Zerstörer aus Wratzelmanien, Beherrscher der sieben Tümpel und Eroberer des Reisighaufens hinter der abgerissenen Scheune" als Kämpfer antreten lassen wollte. Wo lag Wratzelmanien überhaupt? Irgendwann würde Finlay es wohl einmal rausfinden müssen. Nervös kratzte er sich am Hinterkopf, während draussen in der Arena das Publikum tobte. Ob sie einen guten Kampf sehen würden, war fragwürdig. Denn dies hier sollte nur ein Trick sein, um leicht an etwas Geld zu kommen. Der Zwerg würde Gronk in der Luft zerreissen, zum Frühstück verspeisen und die unverdaulichen Reste in die Erde stampfen. Und ganz genau darauf hatte Finlay auch gesetzt!
Natürlich hatte er dies nicht selbst getan, man hätte ihm schließlich später Wettbetrug vorwerfen können. Statt dessen hatte er seinen Gehilfen Glib, besser bekannt als unverzichtbare Spitzenkellnerkraft aus dem Wizard's Inn in der Drachenlegion geschickt, um das Geld an seiner Stelle zu setzen. Hoffentlich hatte der Gnom die Anweisungen auch wirklich verstanden. Nicht das Glib nachher alles Geld auf Gronk gesetzt hatte, das wäre fatal. Finlay drehte um und tigerte den Gang wieder hinunter. Vielleicht hätte er Alwina bitten sollen, das Geld zu setzen. Andererseits hätte sie bei so einem kleinen Schwindel vermutlich nicht mitgemacht. Und so blieb ihm nichts anderes übrig, als sich wieder einmal auf den höchst unzuverlässigen Glib zu verlassen. Als Kellner war der Gnom unbezahlbar, aber leider war er auch sehr... simpel. Finlay zog ein reich besticktes Tuch aus seinem Mantel und tupfte sich damit über die Stirn. Die Zeit wurde langsam knapp. Wo blieben nur Gronk und Glib? Manchmal war es schon nicht einfach, sich mit solch Personal den Lebensunterhalt zu verdienen...
In diesem Moment kam Glib um die Ecke geschliddert und hetzte auf Finlay zu. "Meister! Meister!", rief der Gnom einen Wettschein schwenkend, "Glib hat genau das getan, was der Meister gesagt hat und die Denarii auf den Sieg von Gronk gesetzt! Niemand wird eine Chance gegen den Zerstörer aus Wratzelmanien haben, da ist Glib sich sicher!" Finlay schlug sich mit der Hand vor die Stirn. Irgendwie hatte er es gewußt. Es wäre auch zu schön gewesen, wenn der Gnom diesen einfachen Auftrag korrekt ausgeführt hätte. Ein tiefer Seufzer entfuhr Finlay und er klopfte dem Gnom auf die Schulter. "Sehr schön Glib, das hast du ganz hervorragend hinbekommen...", murmelte er und tupfte sich erneut die Stirn ab. Nun mußte der Maulheld von Gronk also doch gewinnen, damit Finlay seinen Einsatz nicht verlor. Gut, so schlimm war der Verlust nun auch nicht, aber er hatte eigentlich vor gehabt, von dem gewonnenen Geld einige Anschaffungen für das Wizard's Inn zu tätigen. Daraus würde nun wahrscheinlich nichts werden. Kopfschüttelnd stapfte Finlay in Richtung der Zelle, in der Gronk sich auf den Kampf vorbereiten sollte. Vielleicht war der Beherrscher der sieben Tümpel ja endlich eingetroffen...
Kurze Zeit später hatte er sein Ziel erreicht und schob die schwere Eichentür ohne anzuklopfen auf. Aus dem Inneren schlug ihm ein mörderischer Gestank nach billigem Schnaps entgegen, gepaart mit einem Geräusch, das nach einem Schaf mit Verdauungsproblemen klang. Angewiedert zog Finlay ein weiteres Tuch aus seinem Mantel und hielt sich dieses vor die Nase. „Ui ui ui, das hier riechen nicht gut Meister.“, jammerte Glib und schob sich hinter ihm in die Unterkunft, „Und Glib muß nachher wieder alles sauber machen. Ui ui ui...“ Vosichtig manövrierte Finlay sich an etlichen leeren Krügen vorbei in die hintere Ecke des Raumes, denn von dort kamen die seltsamen Geräusche. Er ahnte fürchterliches und Sekunden später wurden seine Befürchtungen bestätigt: Gronk, der allmächtige Zerstörer aus Wratzelmanien, Beherrscher der sieben Tümpel und Eroberer des Reisighaufens hinter der abgerissenen Scheune, lag friedlich schnarchend unter einem Haufen Felle begraben in der Ecke und schlief. „Das darf doch wohl nicht wahr sein!“, fluchte Finlay und trat mit dem Fuß gegen eine der Flaschen, die laut klirrend an der Wand zerbarst. „Bitte Meister, nicht noch mehr Dreck machen...“, jammerte Glib und Schlug die Hände über dem Kopf zusammen.
Seufzend setzte Finlay sich auf eines der leeren Fässer. Nicht jedoch ohne vorher ein weiteres Tuch aus dem Mantel gezogen und als Unterlage verwendet zu haben. Schließlich wollte er sich nicht seine edles Beinkleid beschmutzen. Ein anderer Kämpfer mußte her und zwar schnellstens. Doch wer sollte an Stelle von Gronk antreten und einen halbwegs guten Kampf liefern? Vielleicht sogar einen so guten Kampf, das er den Zwerg besiegen konnte? Finlay sah zu Glib hinüber, verwarf den Gedanken aber sofort wieder. Wären sie zu Hause in den Provinzen der Drachenlegion, hätte Finlay diesen seltsamen Kauz gefragt, der einmal wie aus dem Nichts im Wizard’s Inn aufgetaucht war, diesen Jadefalcon. Der Mann hatte wie ein erfahrener Veteran vieler Schlachten ausgesehen. Außerdem hatte er etwas in seinem Blick gehabt, das Finlay jetzt noch eine Gänsehaut beschehrte. Aber Jadefalcon war mit einigen Anderen auf irgendeine Unternehmung gezogen und selbst wenn er in den Provinzen der Drachenlegion gewesen wäre, so würde er wohl eher nicht rechtzeitig hier in der Arena der Hauptstadt eintreffen können.
Während er noch über eine Lösung des Problems nachgrübelte, begann Glib mit dem Aufräumen. Leere Flaschen wanderten in die eine Ecke, halb volle neben die Tür und ungeöffnete in die andere Ecke. „Seht hier Meister, Gronk’s Rüstung. Könnte euch direkt passen!“, kicherte der Gnom. Finlay legte den Kopf schief und starrte Glib an. Der Gnom hatte recht, die Rüstung schien ungefähr seine Größe zu haben. Rohe Gewalt war Finlay zwar zuwider, schließlich war er ein Mann des Geistes, nicht der Muskelkraft. Andererseits wußte er sich sehr wohl seiner Haut zu wehren, wenn es keinen anderen Ausweg gab. Und wie es schien, gab es keinen anderen Weg. Es mußte also sein, Finlay würde kämpfen müssen. „Glib! Schau mal, was du noch an Rüstungsteilen finden kannst. Unser Zerstörer aus Wratzelmanien scheint heute nicht in der Lage zu sein, in der Arena zu kämpfen. So werde wohl oder übel ich seinen Platz einnehmen müssen...“, seufzte Finlay und kratzte sich am Hinterkopf. Warum mußte sowas immer ihm passieren...
Kurze Zeit später hatte Glib alle Rüstungsteile beisammen. Kopschüttelnd besah Finlay sich den vor ihm liegenden Haufen Schrott. „In sowas hält Meister keine Minute gegen Kamikaze Slayerzwerg durch. Wir sollten verschwinden Meister, zurück ins Wizard’s Inn.“, jaulte Glib und versuchte Finlay in Richtung Tür zu ziehen. „Nein Glib, ich stehe zu meinem Wort. Ich habe dem Volk einen Kampf versprochen und einen Kampf wird es bekommen. Wenn du mir helfen willst, dann besorg schon mal einen versierten Heiler. Ich denke, den werde ich nach dem Duell brauchen...“, erwiderte Finlay mit fester Stimme und zog seinen Mantel aus. Mit einem riesen Satz sprang Glib Finlay an und schlang seine kleinen Arme um dessen Beine. „Nicht kämpfen Meister, Glib hat Angst um euch. Der Steinbrecher wird bestimmt auch euch zerbrechen und das will Glib nicht.“, wimmerte der Gnom und Finlay hatte Mühe, den kleinen Kerl abzuschütteln. „Nun beruhig dich endlich wieder und geh einen Heiler holen, das wird auch schon schwer genung ohne das ich dich am Bein mitschleifen muß!“, grunzte Finlay und scheuchte den Gnom hinaus.
Nachdem Glib die Tür hinter sich geschlossen hatte, sackte Finlay in sich zusammen. Wie hatte er nur so dumm sein und sich in eine solch aussichtslose Situation bringen können? Das war doch sonst nicht seine Art. Seufzend legte er die beschlagene Lederrüstung an und zog sie fest. Das Ding stank zwar nach Kuhstall, aber zumindest passte sie Finlay wie angegossen. Dabei war Gronk doch fast zwei Meter groß... Er dachte lieber nicht weiter über diesen Umstand nach und zog statt dessen die mit Nieten beschlagenen Unterarmschoner über. Unglaublich was er hier durchstehen mußte, er war doch kein Barbar aus den Nordlanden. Dort war sowas vielleicht gerade in Mode, aber doch nicht hier in der Hauptstadt. Nun brauchte er nur noch ein vernünftiges Paar Stiefel, schließlich ware sein momentanes Schuhwerk eine Sonderanfertigung von Gianni Armanii, dem bekanntesten Schuster Roms. Eine Waffe und ein Schild wären vermutlich auch hilfreich.
Finlay schlüpfte aus der Tür hinaus und stiefelte zurück in den Stall. Glücklicherweise hatte er seine Ersatzstiefel und seinen Krummsäbel dabei, sonst hätte er sich jetzt noch auf eine Odyssee begeben müssen. Doch dafür war keine Zeit, schließlich wartete das Publikum. Er nickte dem Stalljungen kurz zu, als er den Stall betrat und ging ohne zu zögern zu seinem Pferd. Flink zog er seine Ersatzstiefel mit den eisernen Schienbeinschonern und den stählernen Fußkappen aus den Satteltaschen hervor und tauschte sie gegen sein bisheriges Schuhwerk aus. Selbiges verstaute er vorsichtig wieder in den Satteltaschen. Dann löste er seinen Krummsäbel vom Sattelhorn und band ihn sich auf den Rücken. Einer Eingebung follgend holte er noch seine Kukris aus der Satteltasche und befestigte sie rechts und links an seiner Hüfte. Danach zog er seine Handschuhe hervor und legte auch diese an. Nun fehlte ihm nur noch ein Schild. Ratlos kratzte Finlay sich am Kopf. Wo sollte er nur auf die Schnelle ein solches Gerät herbekommen...
Doch das Glück war ihm zumindest für den Moment hold. Er wollte gerade den Stallbuschen fragen, wo man wohl am ehesten einen Schild ergattern konnte, als sein Blick auf das Pferd in der Nachbarbox fiel. Was hing denn dort am Sattelknauf? Ein großer, mit Eisen verstärkter, hölzerner Rundschild, aus dessen Mitte ein spitzer Dorn hervorragte. Finlay sah sich unauffällig im Stall um. Außer ihm war niemand zu sehen und auch der Stalljunge schien gerade etwas anderes zu tun zu haben. Mit zwei Schritten war Finlay bei dem Schild und löste ihn mit flinken Fingern vom Sattel. Er würde den Besitzter später angemessen entlöhnen, nun mußte er erstmal in die Arena. Denn dort wartete ein Zwerg darauf, ihn nach Strich und Faden verprügeln zu können, was Finlay hoffentlich irgendwie verhindern würde...
So gerüstet betrat er die bis auf den letzten Platz gefüllte Arena. Scheinbar war ganz Rom gekommen, um den berühmten Kamikaze Steinbrecher wieder einmal in Aktion zu erleben. Finlay nickte dem Zwerg freundlich zu und trat dann ersteinmal an die Schiedsrichterloge heran. Schließlich mußte das unabhängige Schiedsgericht von den kurzfristigen Änderungen informiert werden. Finlay verbeugte sich elegant und sagte dann freundlich lächelnd: „Es tut mir leid euch darüber informieren zu müssen, daß der angekündigte Kampf in der vorhergesehenen Form leider nicht stattfinden wird. In letzter Minute mußte Gronk, der allmächtige Zerstörer aus Wratzelmanien, Beherrscher der sieben Tümpel und Eroberer des Reisighaufens hinter der abgerissenen Scheune, leider den Kampf absagen. An seiner Stelle werde ich, Finlay Campbell, meines Zeichens Wirt des ehrwürdigen Wizard’s Inn in den Provinzen der Drachenlegion, die Ehre haben gegen den berühmten Kamikaze Steinbrecher anzutreten.“ „Und hoffentlich lebend aus der Sache heraus kommen, um meinen Enkeln davon berichten zu können...“, fügte er in Gedanken hinzu.
Ohne auf eine Antwort der ehrwürdigen Schiedsrichter zu warten drehte Finlay sich um und schritt zu dem Zwerg, der vermutlich schon ungeduldig auf den Beginn des Kampfes wartete. Einer Eingebung folgend blieb Finlay außerhalb des Kreises stehen, den Kamikaze um sich gezogen hatte und verbeugte sich. „Es tut mir leid, Master Steinbrecher, aber ihr werdet leider euer Duell gegen mich bestreiten müssen. Ich hoffe jedoch, ein angemessener Ersatz für euren vorherigen Gegener zu sein.“, sagte Finlay und lächelte Kamikaze aufrichtig an...
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