Erschrocken und doch fasziniert folgte Osta dem kurzen, aber intensiven Gerangel. Sein Körper hatte sich mittlerweile beruhigt, er stand zweihundert Meter von den Abendländern entfernt, genug Abstand um gegebenenfalls den Rückzug anzutreten.
Nach einem kurzen Kräftemessen, dem seine Gefährten nicht standgehalten hatten, wurden die drei auf das Schiff gebracht, die fremden Angreifer machten Anstalten den Kai nach Zeugen abzusuchen, was Osthato Zwang, sich langsam aber bestimmt zu entfernen.
Der Alte rechnete jede Sekunde damit, von hinten angehalten zu werden, doch es geschah nichts dergleichen, bis er in das Zentrum des Hafens gelangte und sich unter die Menschen mischen konnte. Ein Blick zurück ließ das Schiff und sein Segelwappen noch bedrohlicher erscheinen. Die Sonne hatte sich hinter weißen Wolken verkrochen.
Osthato Chetowä wandelte solange ziellos durch den Hafen, bis er sich selbst zur Ruhe zwang. Er ließ sich auf einem Tau, nahe des Wassers, nieder, sein Blick verlor sich am Horizont.
Seine Gefährten würden höchstwahrscheinlich dort festgehalten werden und auch nicht wieder in Rom freigelassen werden. Er hatte schon viele Geschichten von abendländlichen Sklaven und Gefangenen gehört. Keine von ihnen war gut ausgegangen.
Osta ging seine Möglichkeiten durch, musste allerdings recht schnell feststellen, das sie äußerst begrenzt waren. Er würde den Teufel tun, alleine zu den Kriegern zu gehen, und nach den Dreien fragen. Zu aller Wahrscheinlichkeit würden sie ihn genauso einsacken.
Der Kaiser würde ihm in dieser Gelegenheit kaum mehr zuhören als der Papst. Eine Chance in den nächsten Wochen vorgelassen zu werden, war nicht vorhanden.
Geld für Söldner hatte er nicht, doch irgendwas musste der Alte doch tun.
Er kratze sich nachdenklich am Kinn, gute Ideen waren oft aussichtslos in solchen Situationen. Eine Möglichkeit wäre es vielleicht, dem Schiff zu folgen, und seinen Gefährten später zu helfen, wenn man versuchte sie im Morgenland auf den Sklavenmärkten zu verkaufen. Dadurch würden sie zwar lange auf dem Schiff verweilen müssen, doch was sollte er auch tun!?
Von der Idee gepackt und nicht wieder losgelassen erhob sich Osta und eilte zu dem größten Gebäude um Hafen. Dem Sitz des Hafenmeisters, der für allerlei Dinge wie Anlegesteuer und ähnliches zuständig war.
Das schlichte Haus wurde von einer römischen Stadtwache bewacht, welche ihn auf Grund seiner ärmlichen Kleidung zwar zweifelnd musterte, ihm aber dem Eintritt nicht verweigerte.
Im Inneren war es deutlich kühler als auf den Straßen, eine erfreuliche Abwechslung für den Alten.
Der Eingang mündete in einen kleinen Vorraum, der sich in zahlreichen Gängen und Türen verlor. Ohne Pläne welche er wählen sollte, folgte der Bettler dem breitesten Gang und war nach wenigen Kurven vor einer massiven Holztür angelangt. Im Gegensatz zum Eingang war sie nicht bewacht. Osta wusste zwar nicht, was ihm im Innern erwarten würde, doch vielleicht konnte man ihm sogar weiterhelfen und zu dem Hafenmeister führen. Er klopfte leise und wartete bis er eine ärgerliche Stimme vernahm:
„Komm rein Ramirez, wie lange soll ich denn noch warten?“
Verdutzt aber nicht verschreckt öffnete Osthato die Tür und schloss sie wieder vorsichtig. Er befand sich in einem dreißig Quadratmeter großem Raum, vollgestopft mit Schränken voller Akten, Papieren und vereinzelten Geldsäcken. Ein peinlich aufgeräumter Schreibtisch stand im Zentrum. Ein kahler Mann war auf ihm gelehnt, sitzend auf einem groben Holzstuhl.
„Tritt näher Ramirez“, begann der auf die Papiere starrende Hafenmeister,“ ich habe endlich ein Mittel gefunden, wie wir der verdammten spanischen Handelskogge mehr Gold abknüpfen können. Diesem fetten Kapitän von einem Spanier werden die Augen ausfallen und wir haben endlich wieder Ruhe im Hafen. Laut ungewissen Zeugenaussagen sollen sie sogar an Mordopfern von letzter Woche beteiligt gewesen sein. Stell dir das mal vor. Unsere eigenen Männern von Fremden niedergestochen. In unserem Hafen. Wenn ich diese Schweine erwische, werde ich die gesamte Kogge im Meer versenken!“
Der Hafenmeister lachte dreckig und schaute zum ersten Mal auf seinen bislang stummen Gast. Osta konnte nicht genau sagen, ob er Überraschung, Zorn oder Beides auf dem Gesicht seines Gegenübers erkennen konnte, doch die Ader an seiner Schläfe war gewachsen.
Brüllend sprang er auf:
„Eh du“, sein Finger schien sich in Ostas Brustkorb bohren zu wollen, so energisch zeiget er auf diesen,“ verdammt Mann, du bist nicht Ramirez. Wo zum heiligen Bar’tu steckt der Taugenichts?! Und was willst du in meinem Arbeitszimmer? Ich habe weder Essen noch Gold für dich Bettler. Also antworte!“
Einige Meter zurückweichend entgegnete Osta:
„Keine Sorge, Herr, ich bin nicht hier um mir Gaben zu erbetteln.“ Osthato redete bewusst untertänigst, wusste er doch, das solche eingebildeten Menschen dies oft mit Befriedigung wahrnahmen.“ Es sollte mir wahrlich leid tun, wenn ich Euch gestört haben sollte, doch ich bin auf der Suche nach dem Hafenmeister von Rom. Ich brauche ein paar dringende Informationen.“
„Der Hafenmeister steht bereits vor euch, Mann, doch was für dringende Informationen könnten das sein?“
„Ich brauche so schnell wie möglich Informationen über eines der hier liegenden Schiffe. Könntet ihr mir diese gewähren.“
„Hm...“, der Hafenmeister schien eine ganze Weile nachzudenken, bevor er energisch fortfuhr“, NEIN! Mir ist es nicht gestattet Informationen über hier liegende Schiffe an Fremde weiterzugeben. Da kann ich nichts für euch tun.“ Der Hafenmeister machte ein gespielt entschuldigendes Gesicht und fügte rasch an:“ Und nun raus aus meinem Zimmer, ich habe wichtigere Sachen zu erledigen.“
„Aber“, stammelte Osta, damit hatte er nicht gerechnet. Rasch tastete er seine Kleidung ab, oft waren solch Beamte bestechlich und wenn Osta all sein Geld zusammenkratzen würde...
„ ich kann euch diese Bronzestücke geben, Herr, bitte, ich brauche diese Informationen wirklich.“
Der Hafenmeister beäugte die Stücke zunächst näher, fing jedoch kurz darauf an lauthals zu lachen:“ Wollt ihr mich etwa bestechen Bettler? Da müsst ihr schon mit mehr kommen, als mit diesen Krümeln, doch wie ich sehe liegt euch da tatsächlich was auf dem Herzen. Lasst doch mal durchblicken um welches Schiff es sich handelt.“
„Nun, es handelt sich um die Galeere dieser Morgenländler. Ich muss wissen, wohin sie von hier aus fährt. Diese Art von Information muss man doch schließlich als Kapitän hier bei Euch angeben.“
„Ah“, das Gesicht des Hafenmeisters hatte sich erhellt“, es handelt sich also um diese Wüstenratten. Ich denke da kann ich eine Ausnahme machen. Dieser zerknitterte Araber wollte nicht einmal meine Hafengebühr nach dem Anlegen zahlen. Hätte ihn natürlich zerquetscht, wenn nicht die Stadtwache zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen wäre und die Sache geregelt hätte. Diese Hundesöhne sind mir schon lange ein Dorn im Auge.“ Mit den letzten Worten erhob sich der dickliche Mann und watschelte zu einem der zahlreichen Schränke, nahm eine schwarze Akte heraus. Er blätterte kurz in ihm herum, bis er die richtige Seite gefunden zu haben schien, fuhr mit den Fingern durch das Buch und ließ es mit einem lauten Knall wieder zuschnappen. “Sidon“, sagte er an Osta gewandt,“ ihr Ziel ist Sidon, sie haben allerlei teures Rüstungszeug, sowie hochkarätige Waffen geladen. Eine heiße Fracht, wenn ihr mich fragt. Wahrscheinlich setzen sie genau diese Waffen in den nächsten Kriegen gegen uns ein. Wäre ich Kaiser, dürften die hier gar nicht erst anlegen, geschweige denn Waffen kaufen.“
„Da bin ich genau Eurer Meinung, Herr,“ beschwichtigte Osta,“ und danke Euch für diese kostbaren Informationen.“ Mit einem Nicken verschwand Osta aus Raum und Gebäude. Der Nachmittag machte langsam dem Abend platz.
Nun, nachdem er das Ziel kannte, würde er Möglichkeiten suchen müssen, um vor seinen Gefährten in Sidon einzutreffen, um sie dort abzufangen und ihnen zu helfen.
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