Beitrag #2
Die folgenden Zeilen wurden mit ungeübter Hand verfasst. Ich bitte darum, etwaige Unleserlichkeiten zu verzeihen.
Tag 2/3: Traum und Wirklichkeit
Wider meiner festen Erwartung und inneren Konstitution, brachte die Nacht den Schlaf mit sich. In dieser Nacht jedoch, bot auch er keinen sicheren Hafen vor den Ereignissen des vergangenen Tages und auch nicht vor der eigenartig verseuchten Atmosphäre des dunklen Gemäuers, in das es mich verschlagen hatte. Träume, die den Rahmen dessen, was man gemeinhin mit dem Wort "Albtraum" beschreibt, bei weitem sprengten, suchten mich heim und erweckten die just verdrängte Panik von Neuem.
Unsichtbare Flügel trieben meinen Körper in wahnwitziger Geschwindigkeit über bizarre Landschaften von unsagbarer Andersartigkeit. Monumentale Gebirgszüge, karge Steppen und seltsam verpestet anmutende Landstriche wichen nach und nach der offenen See. Ganze Meere, ja Ozeane glitt ich, hilflos gefangen in wildestem Flug und ohnmächtig den Mächten des Windes überlassen, über sturmgepeitschte Wogen und spiegelglatte See. Ständiger Begleiter auf meiner Reise durch die Traumlande war die Gewissheit, dass die Welt, die sich so bereitwillig meinen Blicken preisgab, zwar der unseren ähnelte, ihr jedoch nicht vollends glich, sondern ihr sogar hinsichtlich der auf unserer Welt verbindlich geglaubten Naturgesetze geradezu widersprach.
Die Kälte und den unvermindert an meinen Kleidern zerrenden Wind auch in meinem realen Selbst deutlich verspürend, sprengte ich träumend durch die Nacht, die sich allmählich über den tosenden Ozean gelegt hatte und fand schließlich die Bestätigung meiner Vermutung. Nichts an dem gestirnten Himmel dieser Welt entsprach dem, was ich jemals von aegyptischen Astronomen über die Beschaffenheit des Kosmos erklärt bekommen hatte. Im Traum vermeinte ich zu spüren, wie mein reales Selbst sich beim Anblick der zwei Monde, die sich langsam inmitten des strahlenden Nachthimmels zu entlarven begannen, in Krämpfen wand.
Minuten oder auch Äonen später kroch erneut die Panik, einer schwarzen Viper gleich, in mein Bewusstsein und streute, wie von blinder Wut getrieben, Ihr Gift in mein Denken - war die Reise bislang zwar in halsbrecherischem, jedoch zumindest gleich bleibendem Tempo verlaufen, gewann ich nun rasch die Gewissheit, dass ich an Fahrt und Höhe verlor. Schon sah ich mich hilflos in den, nun immer ohrenbetäubender rauschenden, Wogen versinken und einem kalten Grab auf dem Grund dieses unbekannten Ozeans entgegenstürzen.
Mein Fall endete jedoch abrupt etwa 50 Ellen über der Wasseroberfläche, wo die Kronen der, sich unter mir in wildem Tanz auftürmenden und wieder aneinander zerschellenden, Brecher meine Beine mit Eiseskälte überzogen.
Noch immer glitt ich durch diese, einzig dem Sturm und seiner schier unendlichen Wut geschuldete, Nacht, als sich, verdeckt von der Gischt der Wellen und den unnachgiebig prasselnden Regenfluten, die Kontur einer Erhebung ausmachen konnte, die, entgegen des sich ständig in Bewegung befindlichen Wassers, in unwirklicher Stille dalag. Ich brauchte nur einen Moment, um das sich verringernde Tempo und die seltsame Erscheinung in diesem Ozean in Verbindung zu bringen - hier lag das Ziel meiner Reise.
Ein tiefes Unbehagen ergriff Besitz von mir. Das Gefühl, nicht an diesem Ort sein zu dürfen, etwas seltsam Verbotenes zu erblicken, wurde übermächtig, doch auch die größte Anstrengung meines Willens wollte nicht genügen, mein Bewusstsein zurück in unsere Welt zu zwingen. So fand ich mich schließlich, sachte im frostigen Wind schwebend, vor der Küste einer kleinen Insel. Beißender Gestank brannte sich in meine Nasenflügel, war jedoch nicht zu vergleichen, mit den Qualen, die mir der Anblick dieses von den Göttern verlassenen Ortes bereitete. Kein Fleck der Insel schien unbelastet von der allgegenwärtigen und über alle Maßen lebensverneinenden Aura dieser Insel. Der gigantische Felsen, der im Zentrum des Eilandes thronte, glich einem Tafelberg. Irgendetwas schien die Macht besessen zu haben, ihn seines Gipfels zu berauben. Doch was immer dies vollbracht haben mochte, es hatte sich damit nicht zufrieden gegeben. Die gesamte Fläche des Felsens war mit bizarren Verzierungen versehen worden, nur unterbrochen von einer Handvoll schlanker Türme und im Ungewissen mündender Tunnel, die wie in den Fels geschlagene Wunden anmuteten. Auf dem schmalen Küstenstrich, der den entstellten Berg umgab, war jegliches Leben lange verloschen. Rotbrauer Staub und dunkles Gestein formten wellenartige Formationen, die den Anschein erweckten, das Leben sei auf seiner Flucht vor irgendeinem unbekannten Bösen erstarrt und zu Staub zerfallen. Ein Grollen erscholl aus dem Inneren des Berges und mein allmählich den Halt verlierender Geist wand sich erneut in Schmerzen, brachte dieses berstende Geräusch, das sogar das Tosen der anbrandenden Fluten übertönte, doch das unbarmherzige Wissen mit sich, dass sich nun das Eintreffen desjenigen Wesens ankündigte, das der Urheber sowohl der Verwüstungen auf der Insel, als auch der jüngsten Ereignisse in meinem Leben war. Mein Versuch, die Augen vor diesem drohenden Anblick zu verschließen, scheiterte. Eine unsichtbare Gewalt schien die Kontrolle über meinen Körper ergriffen zu haben und verhinderte von nun an nachhaltig, dass ich meine Augen auch nur für einen Augenblick schließen konnte, was mir jedoch zumindest die Gnade erwies, dass meine Augen nunmehr schutzlos dem aufspritzenden Salzwasser ausgesetzt waren und ich nicht die volle Wirkung dessen zu ertragen gezwungen war, was sich nun aus der riesigen Gipfelplattform zwängte. Wieder einmal versagen an dieser Stelle meine schriftstellerischen Möglichkeiten kläglich und doch zweifle ich daran, dass auch der größte Meister des Wortes es bewerkstelligen könnte, diese Monstrosität auch nur einer ungefähren Schilderung zu unterziehen. Eines vermag ich jedoch trotz meiner tränengefüllten Augen mit Gewissheit zu sagen: Was mir dort, an diesem verfluchten Ort in den Träumen, begegnet war, war ebenjene unheilige Wesenheit, die mich erst am gestrigen Abend aus den ausdruckslosen, steinernen Augen einer Statue in der Vorhalle des Klosters fixiert und an den Rand des Wahnsinns getrieben hatte.
Ich erwachte schreiend. Schwer bedrängt von rasender Angst und Sorge um meine Verstandesfähigkeiten, kauerte ich mich schweißgebadet und am ganzen Körper zitternd in die Zimmerecke, die meinem Bett am nächsten war. Der Raum lag in beinahe vollständiger Dunkelheit, was ich erst wahrnahm, als ich nach langem inneren Ringen den Mut fand, meine Augen zu öffnen. Langsam begann sich mein Geist wieder zu fangen, doch wurde die Angst nur abgelöst von unerträglichen Schmerzen, die sich über meinen rechten Arm ergossen, um schließlich in meinem Kopf zu kulminieren. Wieder schrie ich auf, selbst entsetzt über die Kläglichkeit, die meiner Stimme innewohnte. Nach der Ursache der Pein forschend, hielt ich meine Hände in den matten Schein des Mondlichts, der durch das Fenster eindrang, nur um sogleich vor Wut und Schmerz erneut aufzubrüllen. Die Kuppen des Zeige- und Mittelfingers meiner rechten Hand hatten sich in blutende Stümpfe verwandelt, die unablässig brennenden Schmerz durch meinen Leib pumpten. Ächzend und Halt suchend richtete ich mich auf und entzündete mühselig die Öllampe, die den Raum sogleich in warmes Licht tauchte. Ungläubig blickte ich mich um. Alle Wände des Raumes waren mit Blut bekritzelt worden - meinem Blut, korrigiert ich mich. Ich trat näher an eine der besudelten Wände heran, wobei sich mein erster Eindruck bestätigte - es handelte sich bei allen Versen um ein und denselben Reim:
"Es ist nicht tot, was ewig liegt,
bis dass der Tod die Zeit besiegt."
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