Beitrag #7
„Danke, gut, das Wetter war scheußlich.“ Selbst in ihren Ohren klang ihre Antwort lasch, weshalb sie rasch auf Rouvenas Frage einging. „Nein...ja...ich weiß nicht...mal fragen...“ Babe lachte auf und wandte sich dann an Compatre: „Deshalb waren mir die Thorwaler von Anfang an sympathisch. Ich mache mir nichts aus Höflichkeitsfloskeln und Schöntuerei. Ein offenes Wort und eine ehrliche Antwort ist mir immer lieber und beides kann man meiner Erfahrung nach von einem Nordmann erwarten.“
„Und von einem Elfen...“ setzte die Kriegerin in Gedanken hinzu. Erfahrungen hörten mit der Zunahme des Alters nicht auf, sondern wurden nur noch wichtiger und kostbarer.
Babe lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und sah nun offen zum Nachbartisch hinüber. Nachdenkliche Stille war an ihm eingekehrt, die von dem zweiten Zwerg unterbrochen wurde.
„Es gibt in unserem Volk eine Sage, die besagt, dass eine Seele erst dann Ruhe findet, wenn er seinen letzten Schlag getan hat.“
„Dort lebten Thorwaler und keine Zwerge.“ Der Hüne brummte unwillig.
Der Zwerg machte eine wegwerfende Handbewegung. „Das macht doch keinen Unterschied. Es ist eine bloß eine Metapher und ich will damit nur sagen, dass es in der Ottajesko vielleicht jemanden geben könnte, der in seinem Leben nicht alles erledigt hat.“
„Was denn?“ Die Stimme des Thorwalers klang nun unverhohlen spöttisch. „Die letzte Laterne auspusten, zum Beispiel?“
Wieder kehrte Stille ein, die nur vom dumpfen Aufsetzen der Krüge auf dem Tisch unterbrochen wurde. Babe nutzte deshalb die Stille, um ihren Stuhl einen Meter weiter nach rechts zu rutschen und ihren Ellebogen auf den Tisch zu legen.
„Entschuldigt....von welcher Ottajesko ist hier die Rede?“
Die Köpfe der Männer flogen zu ihr hinüber. Die Kriegerin wartete, bis jeder sowohl sie, wie auch Compatre und Rouvena gemustert hatte und fragte dann. „Und?“
„Ich weiß nicht, wie sie heißt.“ Einer der Römer musterte sie immer noch unverhohlen, während die anderen Männer am Tisch zustimmend brummten oder schwiegen. „Sie liegt am Meer, unterhalb einer Klippe. Aber sie scheint erst seit kurzem verlassen worden zu sein.“
Babe nickte zum Dank und rutschte dann ihren Stuhl zurück. Mit einem nachdenklichen Ausdruck auf dem Gesicht griff sie zu ihrem Met, um daran zu nippen. Die Stimmen in der Gaststube rückten in den Hintergrund, als sie überlegte, wann sie zum letzten Mal in der Sturmwind gewesen war.
„Im Frühjahr, mit Ecthelion,“ beantwortete sie sich ihre Frage in Gedanken selbst. „Aber wir waren nicht IN der Otta.“
Sie hob ihren Kopf. „Ich war schon lange nicht mehr in Thorwal.“ Ihr Blick ging erst zu Compatre. „Wann warst du das letzte Mal dort?“ Anschließend zu Rouvena: „Und was ist mit dir? Hast du schon einmal an den Klippen gestanden und auf das Meer hinausgeblickt, während der Nordwind an deinen Kleidern zerrt und dir das Haar zerzaust?“ In den Augen der Kriegerin stahl sich ein verträumter Glanz. „Das sind die besonderen Momente, für die ich Thorwal so liebe. Das Meer unter deinen Füßen wirkt aufgewühlt. Es bricht sich an den Felsen und wirft das Wasser meterhoch hinauf. Währendessen kreischen Möwen über deinem Kopf und die Luft riecht so frisch, als wäre sie eben aus dem Waschzuber geholt worden. Du selbst stehst am Abgrund, deine Gedanken sind so klar und tief wie das Meer selbst und du weißt, dass sich dir nichts und niemand in den Weg stellen kann.“
Mit einem Blinzeln verscheuchte sie das Bild, das sich vor ihrem inneren Auge aufgebaut hatte. „Aber auf einem Schiff wird mir schlecht...“
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