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Der Weg in die Tiefe
Ecthelion
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Palastwache

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Beitrag #97
 
Mit zusammengekniffenen Lippen tastete sich Ecthelion weiter an der Felswand entlang. Mit Mühe verkniff er sich einen Kommentar, denn er dann müsste er wahrscheinlich die nächste Zeit einäugig das geheime Tor suchen. Vertieft in die Suche und seinen Blick unablässig auf den kalten, nassen Fels gerichtet, ging er wortlos weiter. Erst als er etwas bemerkte, blieb er stehen und machte Babe darauf aufmerksam. Vor ihm hoben sich feine Linien aus der glatten Oberfläche heraus. Fasziniert betrachtet der Elf die Runen, die wohl in der Zwergensprache verfasst waren. “Dann schauen wir doch mal, ob Zwergentüren auch für Elfen gemacht sind.“ dachte er sich und ging mit Anlauf durch die Tür. Kein dumpfes Auftreffen auf den Fels folgte, sondern ein Kribbeln, was seine Nackenhaare aufstellte. Genauso schnell wie es gekommen war, verschwand das Gefühl auch wieder und der Elf atmete die leicht abgestandene Luft im Inneren des Berges ein. Verblüfft stellte er fest, dass keine Luft von außen heran kam. Auch die wenigen Geräusche waren verschwunden. Erst jetzt bemerkte er, dass er Babe auf der anderen Seite zurückgelassen hatte. Er drehte sich um und sah ihre Hände, die aus dem Stein zu kommen schienen. Energisch nahm er die Kriegerin bei den Händen und zog. Dabei konnte er noch grade verhindern, dass die Kriegerin durch sein Verschulden einen Sturz vollführte. “Entschuldige, meine Neugierde ist mit mir durchgegangen.“ murmelte er leise vor sich her und gab dann Babe wieder frei.

“Das war das geheime Tor. Ich hätte nicht gedacht, dass Zwerge so etwas schaffen können. Hier war sicher Magie mit am Werk.“ Mit funkelnden Augen streckte der Elf seinen Arm durch die Wand. Sein Arm schien im Stein zu verschwinden, kein Anzeichen der Außenwelt war zu erkennen. Die Stille im Inneren der Mine hielt an, bis sich Babe räusperte. Ecthelion zog seinen Arm wieder zurück und ließ seinen Blick schweifen. Sie standen am Anfang eines Ganges, der soweit es der Elf überblicken konnte, abwärts führte. Die wenigen Fackeln, die an Halterungen an der Wand eingelassen waren, waren mit Spinnweben überzogen und hatten schon vor langer Zeit ihr letztes Licht in den Gang abgegeben. Es gab nur diesen einen Weg. “Wir scheinen am Ziel zu sein, dort geht es in die verlassene Zwergenmine. Aber wir sollten unsere Ausrüstung holen.“ Babe nickte zustimmend und kurze Zeit später waren sie wieder im kleinen Wäldchen und sammelten ihre Sachen zusammen. Als beide die letzte Ausrüstung aufgenommen hatten, machten sie sich wieder auf den Weg zum geheimen Tor. Diesmal wartete der Elf, so dass die Kriegerin nicht erneut durch die Dunkelheit irren musste. Wieder unter dem Berg angekommen, entzündeten sie eine Fackel, die Babe an sich nahm.
“Pass auf, dass du mir nicht die Fackel ins Gesicht hältst, wenn ich versuche in völliger Dunkelheit etwas zu sehen, sonst bin ich es, der blind eine zeitlang hinter dir herstolpert.“

Schmunzelnd sah sich der Elf nicht um, denn er konnte sich auch so vorstellen, dass nun die Kriegerin ein Lachen unterdrückte und sich für sein unterdrücktes Lachen von zuvor revanchierte. Um zu vermeiden, dass er vom flackernden Licht geblendet wurde, lief der Elf einen Schritt vor Babe her, so dass er über den Schein der Fackel hinaus in die Dunkelheit des Ganges blicken konnte. Still gingen sie den Gang herunter, der sie immer tiefer ins Innere des Berges führte. Es war kein Ende zu erkennen, auch wenn der Gang geradlinig ohne jegliche Biegungen verlief. Der Elf fragte sich, wie sich die Zwerge hier mit frischer Luft versorgt hatten, als er einen frischen Windhauch spürte. Der Gang nahm eine Biegung und dahinter verbarg sich eine tiefe Schlucht. Über die Schlucht führte eine Hängebrücke. Eine äußerst unsichere Konstruktion in den Augen des Elfen, der sich an den Rand vortastete und einen Blick hinunter riskierte. Schluckend drehte er sich zu Babe um, die neben ihm stand und ebenfalls versuchte das Ende der Schlucht zu ergründen. Die Kriegerin schien von der unergründlichen Tiefe wesentlicher weniger beeindruckt zu sein und ging zu den Holzstämmen, die den Beginn der Brücke kennzeichneten. Erst als sie grinsend mit Fingern auf das Holz trommelte, begab sich der Elf neben sie. Mit einem denkwürdigen Blick sah er auf die andere Seite, die ihm viel zu weit weg vorkam. “Nach dir, aber lass dir Zeit.“

Stirnrunzelnd betrat er direkt hinter ihr die Planken, die unter seinen Tritten schwankten. Sofort griff er zu den, zur dicken Tauen, zusammengefassten Seile. Um nicht mehr als unbedingt nötig von der gähnenden Leere unter sich zu sehen, als unbedingt nötig war, gewöhnte sich Ecthelion wieder an das Fackellicht. Knarrend und schwankend bewegte sich Ecthelion langsam hinter Babe her, die sich immer wieder umsah. Als er zur ihr aufgeschlossen hatte, schnappte er sich einen Zipfel ihres Hemdes. Ohne auf ihr unterdrücktes Lachen zu achten, ging Ecthelion wie auf Eierschalen hinter der Kriegerin her. Das Knarren und Ächzen war das einzige Geräusch, was zu hören war, während sich die beiden Freunde ihren Weg hinüber bahnten. Leichtfüßig übersprang Babe die letzten Planke und erreichte das Ende der Hängebrücke. Dabei verlor der Elf den Stoff aus seiner Hand und hielt sich prompt wieder am Seil fest, worauf er heftiger als sonst schwankte. Mit einem trotzigen Blick hangelte er sich herüber und hatte endlich wieder festen Boden unter den Füssen. Im schwachen Schein der Fackel konnte er deutlich das Grinsen von Babe erkennen.
“Auf dem Rückweg kannst du mich Huckepack nehmen. Mir egal, ob das ganz Rom erfährt.“ dickköpfig sah er sie an und wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn, wo sich Schweißperlen angesammelt hatten. Für einen kurzen Moment war der Elf versucht, die Fackel unter dem Vorwand, dass er den Boden ergründen wollte, hinunter in die Tiefe zu werfen. Aber dann rang er sich ebenfalls ein schiefes Grinsen ab und ging wieder einen Schritt vor, um den weiteren Weg erkennen zu können.

Erneut führte ein einzelner Gang weiter, aber diesmal konnte Ecthelion schon in der Entfernung eine Krümmung ausmachen. Die Wände des Ganges waren glatt behauen und nur die Spinnweben an der Decke und die Staubschicht auf dem Boden deuteten darauf hin, dass hier lange kein Wesen mehr entlang gekommen war. Die Fackeln an den Wänden waren hier in regelmäßigen Abständen angebracht, was sie hoffen ließ, dass sie bald auf Anzeichen der ehemaligen Bewohner treffen würden. Die Luft wurde besser, auch wenn Ecthelion hustete, weil seine Kehle sich trocken anfühlte. Von irgendwoher schien Luft zu strömen, denn der Staub zu ihren Füßen war in ständiger Bewegung und wirkte wie leichter Nebel, der durch ihre Schritte zerstoben wurde. An den Felswänden tauchten Schrammen und Schnitte auf. Kurzerhand blieb Ecthelion stehen.
“Das sieht nach Waffenspuren aus. Als hätten die Zwerge die Wände angegriffen.“ der Elf erinnerte sich an die Erzählung von Gerambolosch und an die Schatten, durch die die meisten Waffen der Bewohner einfach hindurchgegangen waren. Er warf der Kriegerin einen fragenden Blick zu, denn jetzt fiel ihm ein, dass sie völlig vergessen hatten einen Priester aufzusuchen. An sich war Ecthelion über die Tatsache nicht sonderlich betrübt, aber als er sich die Spuren im Fels ansah, machte sich ein mulmiges Gefühl in seinem Magen breit. Weder der Elf noch die Kriegerin bemerkten, dass sich im Licht der Fackel ein fremder Schatten zeigte, der sich jedoch nur schemenhaft zeigte und dann wieder lautlos im Boden versank.

Babe betrachtete ebenfalls die Kratzer, aber der Elf konnte ihren Gesichtausdruck nicht erkennen, da sie die Fackel zwischen sie hielt. Mit einem Finger zog er die Vertiefungen nach und wandte sich dann wieder ab, um dem hellen Licht der Fackel zu entgehen. Kurz darauf gingen sie weiter, bis sie die Krümmung erreichten, die er zuvor schon gesehen hatte. Der Gang machte eine Kurve und dahinter zeigte sich eine Höhle. Die Wände ragten steil herauf und der Elf konnte die Decke ausmachen, die hoch über ihnen thronte. Im Inneren der Höhle zeigten sich hohe Pfeiler, die sich bei näherer Betrachtung als Schmelzöfen entpuppten. Doch die Glut darin war schon lange erkaltet und die Arbeitsplätze wirkten verlassen. Sehr überhastet, denn überall lagen noch Werkzeuge und Karren herum. Mit einem Seitenblick auf Babe entfernte sich der Elf ein paar Schritte und beide untersuchten die nähere Umgebung. Ein Knacken ließ den Elfen dann inne halten. Sein Blick glitt auf den Boden und schnell zog er seinen Fuß zurück. Er war auf Knochen getreten, auf eine Hand, die noch immer eine Spitzhacke in ihrem klauenartigen Griff hielt. Mit aufgestellten Nackenhaaren kniete sich Ecthelion hin und untersuchte die Gestalt. Die Überreste bestanden nur noch aus Knochen, die von zerlumpten Stoffresten bedeckt waren. Was auch immer den Zwerg getötet hatte, es hatte keine weiteren Spuren hinterlassen. Mit zusammengezogenen Augenbrauen richtete sich der Elf wieder auf und sah sich weiter um. Es waren nicht die einzigen Überreste, die verteilt in der Höhle lagen. Erst ein Geräusch ließ ihn herum fahren und er sah, dass Babe ebenfalls auf einen der Zwerge gestoßen war.
“Was auch immer diese Schatten darstellen. Sie waren schnell und effizient.“ raunte er mit dunkler Stimme zur Kriegerin, nachdem er sich neben sie gestellt hatte.

Beide schauten erst sich, dann die Umgebung an. Die Zwerge schienen teilweise an Ort und Stelle ihren Angreifern zum Opfer gefallen zu sein. Und so wie es aussah, hatten die meisten nicht mal sie Chance gehabt, sich zur Wehr zu setzen. “Oder die Gegenwehr war nutzlos.“ ging es dem Elfen durch den Kopf, als er neben einem weiteren Zwerg kniete. Fragend blickte er zu Babe hoch, als ein Funkeln an einer der Wände ihm ins Auge fiel und seine Aufmerksamkeit in den Bann zog. Er gab der Kriegerin ein Handzeichen und ging schnurstracks zur Quelle des Funkelns. Erstaunt blieb der Elf vor der Wand stehen und fuhr mit der Hand über die dicken Linien, die den Stein durchzogen. Eine Metallader durchzog die Wand und schien sich bis tief in die Höhle zu ziehen, bevor die Ader kurz vor dem Boden abrupt versiegte. Ecthelion konnte das Metall nicht identifizieren, aber so wie er die Zwerge kannte, musste es von großem Wert sein. Er drehte sich um und wollte Babe heranwinken, als er feststellte, dass sie schon hinter ihm stand.
“Das muss wohl den Reichtum der Zwerge ausgemacht haben. Und es hat ihren Untergang herbeigeführt. Ich werde wohl nie verstehen, was Zwerge dazu veranlasst, hinter solchen Adern hinterher zu graben. Wie die Maulwürfe.“
Kopfschüttelnd sah sich der Elf nochmals die Ader an und verschränkte seine Arme vor der Brust. Babe sah sich erst eine Weile die Ader an, dann blickte sie zu dem Elfen, bevor sie ihn in die Seite stieß und darauf hinwies, dass sie nicht hier waren um die Eigenarten der Zwerge zu ergründen.

Die beiden durchquerten die Höhle, wo sich überall das gleiche Bild bot. Plötzlich verlassene Plätze, umgestürzte Karren und hier und da Zwerge, die nicht rechtzeitig den Weg aus der Höhle geschafft hatten. Das Fackellicht flackerte als sie weiter vorwärts gingen. Vor ihnen mussten weitere Gänge liegen, aus denen die Luftströme kamen. Fast gegenüber vom Eingang taten sich zwei Gänge auf, die v-förmig von der Höhle wegführten. Die Eingänge wurden von hohen Steinstatuen gesäumt. Bei näherer Betrachtung konnten die beiden Freunde erkennen, dass es sich um Zwerge handelte, die in voller Rüstung und mit Waffen dargestellt waren. Erstaunt stellten sie fest, dass die aufwendigen Verzierungen die bei den Waffen und Schilden zu sehen waren, welche mit edlen Metallen überzogen waren, noch immer vorhanden waren. So wie die diversen Edelsteine, die ebenfalls noch immer vorhanden, Augen und Rüstung verzierten. Was auch immer an Wert vorhanden, es war nicht geraubt worden. Die Angreifer hatten sich darauf beschränkt, die Zwerge zu vertreiben. Und die, die es nicht geschafft hatten, zu töten. An den Sockeln waren Tafeln angebracht, welche die gleiche Schrift wie zuvor geheimen Eingang zeigten. Der Fels rund um die Eingänge hier war, abgesehen von den Statuen, mit Schriften und Runen verziert.
“Wir hätten uns die wichtigsten Worte in der Zwergensprache mitgeben lassen sollen. Sind das Wegweiser, Warnungen oder einfach nur Willkommensgrüße?“ rätselnd stand der Elf vor den beiden Eingängen sah die Kriegerin schulterzuckend an.
In the end, all things betray you.
Honor. Ideals. Heroism.
Allies. Comrades. Lovers.
Your eyes. Your limbs. Your heart.
And in the end, you betray yourself.
And that is the greatest betrayal of all.


[Bild: otta.jpg]
14.12.2005, 18:01


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