Beitrag #3
Teil 2: Die Zwerge
Bäume flogen an ihm vorbei, während er durch diesen undurchdringlichen Wald rannte. Sein Atem ging schnell und stoßweise und Schweiß rann ihm in die Augen. Noch immer hörte er schnelle Schritte hinter sich näher kommen und er war sicher jeden Moment zu sterben. Während er sich schnell nach der Bestie umblickte spürte er einen Ruck in seinen Körper und er flog mehrere Meter nach vorne.
„Verdammt“, dachte er als er nach hinten blickte und die große Wurzel sah über die er gestolpert war. Doch dann rieb er sich verwundert die Augen, die Bestie war nicht mehr da. Erschöpft blieb er liegen und dachte über die vergangenen Stunden nach.
Er war mit einer Expedition in diesen Wald gekommen und ein neues Lager aufzuschlagen und sie hatten sich in den letzten Wochen eine kleine Lichtung geschaffen. Alles lief gut und schon bald würden weitere Zwerge aus dem Westen ankommen um dieses Land zu besiedeln. Doch dann begannen die Vorfälle. Zuerst war es ein Zwerg namens Klarin gewesen, welcher urplötzlich verschwunden war. Er war ein erfahrener Jäger und Krieger, sodass es nicht wahrscheinlich war, dass ein Tier ihn getötet hatte. In den folgenden Nächten hörten die Zwerge im Lager von seltsamen Geräuschen geweckt worden und nahezu jeden Morgen fehlten Vorräte. Unruhe machte sich im Lager breit, doch Drato sorgte dafür dass alles soweit seinen normalen Gang ging. Doch vor zwei Stunden wurden sie angegriffen. Drato hatte keines dieser Wesen erkennen können, sie schienen auf zwei Beinen zu laufen, doch sie waren wesentlich größer als ein Zwerg. Aber das sonderbarste war, sie schienen nur Schatten zu sein. Man musste wissen wo sie stehen um sie sehen zu können und sie waren schnell. Zu schnell! Drato glaubte einen erledigt zu haben, bevor die Angst seinen Verstand vernebelte und er einfach loslief, verfolgt von einem dieser Wesen. Nun war es bereits dunkel und Drato fiel in einen erschöpften Schlaf.
Die Zwerge kamen aus einem Wald im Westen, hatten sich allerdings aus Gründen der Überbevölkerung entschlossen auch das umliegende Gebiet zu erobern. Sie waren ähnlich den Menschen, welche sie nicht kannten, allerdings viel kleiner. Einige von ihnen wurden etwa so groß wie ein zehnjähriges Kind der Menschen. Durot war ihr König und er hatte vier Söhne. Einer davon war Drato und dieser hatte die Aufgabe bekommen im Osten nach neuem Land zu suchen. Die anderen Söhne waren in alle Himmelsrichtungen geschickt worden. Die Zwerge waren die perfekten Waldbewohner, denn sie waren in gewisser Hinsicht wie die Tiere welche den Wald bewohnten. Sie töteten nur zu ihrem Bedarf und sie waren Freunde vieler Tiere. Auch fällten sie nur Bäume wenn sie Platz brauchten oder um Holz für den Hausbau zu fördern. Die Zwerge kämpften zwar selten, doch mit ihren gewaltigen Hämmern konnten sie furchterregende Krieger sein. Während dieser Tage lag jedoch ihr König im Sterben und das ganze Volk war in tiefer Sorge. Boten waren zu seinen vier Söhnen und drei von ihnen hatten sich bereits auf den Rückweg gemacht um notfalls einen neuen König unter sich auszumachen. Nur von Drato hatte man nichts gehört.
Als Drato am nächsten Morgen aufwachte, hatte er Schmerzen an gesamten Körper. Nach kurzer Überlegung entschloss er sich vorsichtig ins Lager zurückzugehen und nach einigen Minuten erreichte er es humpelnd, denn er hatte sich seinen Knöchel verstaucht. Was er sah trieb ihm die Tränen in die Augen. Überall lagen tote Zwerge und die Holzhütten waren allesamt ausgebrannt. Während er durchs Lager humpelte und hier und da Vorräte in seinen Rucksack packte, hörte er plötzlich Schritte hinter sich. Sofort fuhr er herum, während er seinen Hammer zog. Doch vor ihm stand keine grauenhafte Schattengestalt sondern sein bester Freund Tharn. Tränen der Freude waren in Dratos Augen und die beiden Freunde mussten trotz des Unglücks lächeln. Schnell war man sich einige sofort nach Westen zur Hauptstadt der Zwerge zu reisen und Bericht zu erstatten. Sofort nachdem ein wenig Proviant eingepackt war gingen sie los.
Zwei Wochen später
Nach zweiwöchiger Reise erreichten die beiden Zwerge endlich die Stadt, doch bereits von weitem sahen sie Rauch über dieser aufsteigen. Wortlos beschleunigten sie ihren Schritt und als sie über den letzten Hügel, von dem aus man die Stadt überblicken konnte, kamen stockte ihnen der Atem. Vor der Stadt war eine Schlacht im Gange, aber nicht Zwerge gegen Zwerge oder Zwerge gegen unheimliche Schattenwesen kämpften dort. Nein die Angreifer waren Tiere angeführt von kleinen buckligen Wesen mit ledriger Haut, welche Feuer in der Stadt legten. Viele Zwerge lagen bereits tot auf den Felder und Wiesen vor der Stadt und andere kämpften verbissen gegen die Natur. Sofort eilten die Freunde los, wurden jedoch von einem großen Wildschwein angegriffen, welches ihren Weg kreuzte und Tharn zu Fall brachte. Als es mit seinen riesigen Hauern eben jenem des Garaus machen wollte, zerschmetterte Drato dem Tier den Rücken. Sofort sank der Eber zu Boden, doch wild vor Raserei kroch er weiter auf die Zwerge zu bevor ihm ein weiterer Hammerschlag den Schädel einschlug. Nachdem Tharn sich aufgerafft hatte liefen die Beiden weiter. Als sie auf den Felder ankamen wurden sie von einer Gruppe der ledrigen Gestalten angegriffen, welche sie mit dreckigen Dolchen und kurzen Schwertern angriffen. Doch die kampferprobten Zwerge trieben sie mit mächtigen Schwüngen ihrer Hämmer zurück und töteten fünf von ihnen bevor die restlichen Drei die Flucht antraten. Wenige Minuten später hatten Tharn und Drato die Stadt erreicht.
Die Belagerung schien bereits Tage anzudauern, denn verwesende Leichen lagen auf dem Boden und viele der Gebäude waren bereits ausgebrannt. Am Ende der Strasse, durch die die Zwerge die Stadt betraten, hielt eine Gruppe von Zwergen dem Ansturm der Tiere angeführt von mehreren ledrigen Gestalten stand. Sofort gesellten sich die Beiden zu ihnen und nach kurzem Kampf waren die Wesen besiegt. Nun endlich konnten sie erfahren was passiert war.
Vor drei Tagen war die Stadt urplötzlich angegriffen worden und viele Zwerge waren ohne Gegenwehr getötet worden. Seitdem hatten die Feinde den größten Teil der Stadt unter ihre Kontrolle gebracht, lediglich einige kleinere Gruppen und der Palast konnten sich bisher verteidigen. Offenbar wurden diese Bestien von schattenhaften Gestalten angeführt, welche jedoch nur selten in das Kampfgeschehen eingriffen. Als der Kommandant der Widerstandstruppe nun seinerseits Drato ausfragte, war er zuerst beunruhigt ob der Nachrichten aus dem Westen. Als er jedoch Dratos Namen erfuhr huschte ein Lachen über sein Gesicht und er versprach sich und seine Männer in den Dienst des Prinzen zu stellen.
Drato hatte bereits einen Plan gefasst. Er musste mit seinem Vater sprechen und dazu musste er zum Palast durchbrechen. Als der Kommandant dies erfuhr zeigte er sich optimistisch, nur das Herauskommen würde schwer werden. So zogen die siebzehn Männer los und trafen nur auf sporadischen Widerstand. Doch seltsamerweise flohen die Gegner sobald sie leichte Verluste erlitten und so kamen die Zwerge schnell voran. Nach einer knappen Stunde hatten sie den Palast beinahe erreicht und beobachteten wie die Palastwachen sich einer großen Übermacht stellen mussten. Drato entschied in den Kampf einzugreifen und so entwickelte sich eine Schlacht vor dem Palast. Drato erschlug zuerst einen tollwütigen Wolf, welcher gerade dabei war die Eingeweide eines, noch lebenden, Zwerges zu verschlingen. In dem Moment wo er für einen Moment die Szenerie beobachtete wurde er von hinten angefallen. Ein Waldbär stemmte sich mit seinem Gewicht auf Dratos Schultern und wollte ihm in die Kehle beißen, doch Drato duckte sich nach unten weg und rollte sich dann zur Seite. Sofort spürte der Bär einen mächtigen Hammerschlag im Rücken und brach zusammen. Einen Moment verschnaufte Drato und sah sich um. Überall starben Zwerge und plötzlich stockte ihm der Atem. Zehn Meter von ihm entfernt klammerten sich vier der ledrigen Gestalten an Tharn und bissen und stachen ihn. Er blutete bereits heftig aus mehreren Wunden und sank in diesem Moment tot zu Boden. Verzweifelt schaute Drato weg und sah wie zwei seiner Brüder von den Bestien überwältigt wurden. Doch Drato wusste, dass er nicht jetzt zu trauern hatte. Er sammelte die Überlebenden und zog sich kämpfend in die Burg zurück. Als sich das Tor schloss hatten die Zwerge fürs erste ein wenig Ruhe und nun sank Drato zu Boden und trauerte um seinen Freund und um seine Brüder.
Nach mehreren Stunden raffte sich Drato mühsam wieder auf und beobachtete wie die Sonne langsam am Horizont verschwand und in eben jener Stunde saß Helmuth am ersten Abend der Schlacht auf dem Hügel und blickte in den Himmel. Drato hingegen wollte zu seinem Vater, doch als er sich dem Tor zu den Innenräumen des Palast näherte trat ihm ein verwirrt dreinblickender Zwerg entgegen und erklärte ihm, dass der Könige vor einem Tag verstorben sein und dass Dratos Bruder Dungil verschwunden sei. Daher war Drato der neue König der Zwerge. Anstatt sich abermals auf den Boden zu werfen nickte Drato nun und nahm die Führung seines Volkes damit an. So legte sich der innerlich leere König zur Ruhe und schlief eine Nacht in der ihn schreckliche Alpträume plagten. Am nächsten Morgen weckte ihn Kampfeslärm und, aus dem Fenster blickend, sah Drato wie im Innenhof Adler hunderte dieser widerlichen, buckligen Kreaturen abwarfen. Es lebten noch etwa fünfhundert Zwerge in den Innenräumen des Palastes, doch diese hatten ernsthafte Probleme. Auch fingen bereits einige Zwerge an zu fliehen und so entschloss sich Drato einzugreifen. Schnell zog er sich die Rüstung des Zwergenkönigs an, eine prächtige, mit Gold verzierte, Platinrüstung, welche von einem mächtigen Helm gekrönt wurde. Dazu nahm er den runenverzierten Hammer seines Vaters und einen einfachen Dolch, welchen er sich an Seite band. Dann eilte er in den Kampf und musste sich bereits auf den Gängen des Palastes einigen dieser Bestien stellen. Doch schnell flohen sie, da Drato zwei von ihnen mit seinem ersten Streich an die Wand schlug, wobei ihnen etliche Knochen brachen. Als er ins Freie trat, gesellte er sich sofort zu den übrigen Zwergen, welche bei seinem Anblick wieder Kampfeswillen fassten und die Kreaturen zurücktrieben. So wurde es abermals ein Bluttag und viele der Zwerge starben, doch die Überlebenden scharten sich um Drato und so gelang es ihnen die Übermacht zu vernichten ohne dass diese das Tor öffnen konnten. Drato erschlug an diesem Tage mehr dieser Kreaturen als er zählen konnte, sodass seine Rüstung rötlich in der Abendsonne schimmerte, als er seinen letzten Gegner erschlug. Einhundert Zwerge hatten diesen Tag überlebt und es schien keine Hoffnung auf eine Flucht zu geben und so sangen die Zwerge traurige Lieder als sich die Nacht über die Burg legte. Lange noch lauschte Drato diesen Gesängen, bis er sich erschöpft zur Ruhe legte.
In dieser Nacht hatte Drato einen Traum. Er träumte er wäre alleine in einem dunklen und schwarzen Wald. Um ihn herum waren Spinnenweben und unheimliche Geräusche drangen an sein Ohr, vor denen er sich fürchtete. Immer wieder huschten Gestalten in der Dunkelheit und voller Panik blickte der Krieger umher. Doch urplötzlich spürte er eine Ruhe in sich und blickte langsam umher und da sah er es. Ein kleiner Weg führte hinaus aus diesem Wald, denn weit entfernt konnte er Licht sehen. Und obwohl der Weg so klein war, war er doch ziemlich offensichtlich und ungefährlich. Der Zwerg lief nun also diesen Weg entlang und kam zu einer wunderschönen, grünen Wiese und als er sich umsah, sah er kleine, ledrige Gestalten die ihm aus den Bäumen heraus mit den Fäusten drohten. In diesem Moment erwachte Drato, geweckt von einem Sonnenstrahl und sofort wusste er was zu tuen war.
Schnell stand er auf und verspeiste ein karges Frühstück und als er dieses verzehrt hatte, befahl er alle Lebensmittel einzupacken und seine Männer sollten sich versammeln. Bereits eine Stunde später war dies alles erledigt und wortlos führte Drato seine Männer eine Treppe im Hof herunter. Hier war der offensichtliche Fluchtweg, den keiner der Männer bisher erkannt zu haben schien, die Kanalisation. Mehr als zwei Stunden wanderten die Zwerge durch die stinkenden Wasser dieser Gänge und mehr als einmal stolperte Drato und fiel in die ekelhafte Brühe zu seinen Füssen, doch endlich blickten kamen sie aus der dunklen Höhle heraus und sahen den weiten Wald vor sich. Sie wussten, dass sie fliehen mussten und machten sich nach kurzer Rast auch auf den Weg ins Ungewissen. Drato hatte sein Amt in einer sehr schweren Lage angenommen, doch er hatte vor sein Volk in Zeiten zu führen, in denen das Reich der Zwerge wieder glänzen würde und er würde sich auf neue Kämpfe vorbereiten.
|