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Thorgrims letzte Ruhestätte
Anonymous

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Beitrag #58
 
Ein niedriger Gang erwartete Babe, der wie die ganze Miene in völliger Dunkelheit lag. Die Decke war gerade so hoch, dass sie in geduckter Haltung gehen musste - ein Umstand, der sie schmerzlich an die Wunde in ihrem Bauch denken ließ. Im grünlich-fahlen Licht konnte Babe zudem erkennen, dass Boden und die Wände uneben waren. Es war offensichtlich, dass dieser Gang nicht für den alltäglichen Weg gedacht worden war. Sie vermutete, dass er als Fluchtweg oder Abkürzung angelegt worden war.
Am Ende des Ganges stieß Babe auf eine glatt gehauene Wand. Sie wäre umgedreht, wenn sie nicht durch den Durchgang in der Badegrotte geahnt hätte, dass sich eine Tür darin befand. So aber begann sie damit, die Wand abzutasten in der Hoffnung, einen geheimen Mechanismus zu finden, mit der sie sie öffnen konnte.
In dem Moment, als sie schon aufgeben wollte, ertasteten ihre Fingerspitzen eine kaum spürbare Vertiefung im Fels. Eine Art Knopf lag darin eingebettet, der sich mit etwas Mühe niederdrücken ließ.
"Oh.."
Babe drückte gegen die kleine Tür, die sofort und erstaunlich leicht aufsprang. Fast wäre sie deshalb in den Raum gefallen, der sich hinter ihr eröffnete.
Licht flutete ihr entgegen, die Babe instinktiv einen Arm hochreißen ließ um ihre Augen zu schützen. Die Armbrust, die sie in der Hand gehalten hatte, entfiel ihr dadurch und fiel mit einem lauten Poltern auf den Steinfußboden. Erschrocken und immer noch geblendet, presste sich Babe sich an die Wand hinter sich. Instinktiv tastete ihre Hand dabei nach der Armbrust zu ihren Füßen. Gleichzeitig blinzelte sie unter ihrem Arm hervor, darauf hoffend, dass sie sich nicht wieder irgendwelchen Horden gegenüberstand.

Sekunden verstrichen. Ein Gefühl der Erleichterung machte sich in Babe breit, als kein Knurren oder ein anderes Zeichen der Anwesenheit Fremder zu hören war. Vorsichtig und langsam senkte Babe ihren Arm, um gleich darauf ungläubig in die geräumige Höhle zu blinzeln. Anschließend schob sie sich an der Wand hoch und verharrte dort, wo sie fasziniert den Raum betrachtete.
Sie war in Thorgrims Schlafzimmer gelandet. Das Licht, das sie geblendet hatte, entstand durch einen einzigen Strahl, der direkt aus dem Berg zu kommen schien. Viele kleine Spiegel, die überall im Raum verteilt standen, lenkten ihn so oft um, dass es den Anschein hatte, als wäre es taghell.
"Faszinierend," murmelte Babe während sie sich von der Wand löste. "Unglaublich."
Ihr Blick ging zum breiten Bett, auf dem die Felle in wilder Unordnung lagen. Es wirkte, als wäre Thorgrim soeben erst aufgestanden. Kleidungsstücke, die alle aussahen, als wären sie schon lange nicht mehr gewaschen worden, lagen unordentlich verteilt auf dem Boden. Immer noch staunend ging Babe von einem Kleidungsstück zum anderen, hob es auf und warf es auf das Bett. Es war ihr nicht bewusst, dass sie Thorgrims Höhle aufräumte, als wäre sie seine Mutter, so staunte sie über die persönliche und intime Atmosphäre dieser Höhle. Während ihres Tuns glitten ihre Blicke jedoch weiter in der Höhle umher, registrierten die Kleidertruhe in der Ecke, den kleinen Tisch, an dem zwei Stühle standen und den wuchtigen Schreibtisch. Auf dem Tisch stand ein Teller mit irgendeinem Eintopf. Ein dicker Schimmelpanzer hatte sich darüber gelegt, so dass Babe mit einem Naserümpfen das soeben aufgelesene Hemd darüberwarf und zum Schreibtisch trat.
Ein Wust an Papieren und Notizen bedeckten das dunkle Holz des Arbeitstisches. Vorsichtig zog Babe die Pergamente auseinander, bis sie eine Zeichnung in ihren Bann zog, die sie in die Hand nahm und zu studieren versuchte. Es zeigte eine Art Eisenrohr, an denen verschiedene Anbauten angebracht worden waren. Die Kriegerin drehte und wendete das Pergament einige Male in der Hand, um deren Sinn zu verstehen. Doch egal, wie sie das Pergament hielt - sie konnte keinen selbst auf den dritten Blick hin erkennen. Es erschien ihr unsinnig, an einem Rohr irgendwelche Dinge zu befestigen. Zwar ahnte sie, dass die Zeichnung vielleicht eine Art Armbrust darstellen sollte, aber sie konnte nichts erkennen, woran man einen Pfeil oder Bolzen befestigen hätte befestigen können.
Nachdenklich legte Babe das Pergament hin und griff zu einem anderen. Es zeigte eine stilisierte Person, die die soeben gesehene seltsame Armbrust trug. Wieder konnte Babe keinen Bolzen an der Waffe erblicken, obwohl das Männchen sie auf Augenhöhe genommen hatte.
"Vielleicht kommt der Bolzen aus dem Rohr heraus?" fragte sich die Kriegerin mit einem leichten Kopfschütteln. "Oder er wird an der Seite befestigt?"
Sie wollte sich bereits vom Schreibtisch abwenden, als ihr ein anderes Schriftstück ins Auge fiel. Die Schrift war unregelmäßig und zeigte einen steilen Neigungswinkel nach Rechts an. Ein Zeichen dafür, dass der Schreiber es beim Verfassen entweder eilig gehabt hatte oder es persönliche Notizen waren. Babe zögerte kurz. Normalerweise beachtete sie die Post anderer Leute nicht, aber Thorgrim war tot und es könnte ja sein, dass der Brief auf jemanden hinwies, dem man antworten sollte. Sie nahm deshalb das Pergament auf und begann zu lesen.
Gleich darauf ließ Babe das Schriftstück jedoch wieder sinken. Der Brief war auf zwergisch verfasst worden und somit unlesbar für sie. Selbst wenn Thorgrim auf dem Schriftstück eine Verschwörung gegen den Imperator angezettelt hätte - sie würde nichts davon lesen können.
Enttäuscht ließ Babe das Pergament sinken und griff zu einem anderen. Dieses war in lateinischer Schrift verfasst worden und konnte somit wesentlich interessanter sein. Sie überflog deshalb das Pergament, stutzte nach dem Lesen, las es wieder und blickte anschließend auf das Siegel, das daruntergesetzt worden war.
"Ich kenne das Siegel." Babe dachte die Worte nur, während sie den wachsroten Fleck betrachtete. "Ich weiß nicht, wem es gehört, aber ich habe es schon einmal in Rom gesehen."
Wieder zögerte Babe. Es war offensichtlich, dass Thorgrim an etwas gearbeitet hatte, das für eine hochgestellte Persönlichkeit sehr wichtig gewesen war. So wichtig, dass er sich in einen Berg verzogen hatte, um nicht gestört zu werden oder damit niemand außer ihm und dem Verfasser dieses Schreiben davon bekannt war.
Unschlüssig, was sie tun sollte, starrte Babe weiter auf das Siegel. Thorgrim hatte anscheinend selbst vor seinem Hetmann ein Geheimnis gehütet. Ihr gegenüber hatte Kjaskar aber einmal erwähnt, dass er niemals erfahren hat, warum der Zwerg die Ottajesko verlassen hatte. Sie überlegte deshalb, ob es ihm Genugtuung oder wenigstens eine Linderung seines Kummers verschaffen könnte, wenn sie ihm die Pergamente übergab.
Nach kurzer Überlegung raffte Babe die Pergamente zusammen, faltete sie und steckte sie in ihren Ausschnitt bis hinunter zu ihrem Bauch. Anschließend verließ sie die Höhle, nicht ohne einen letzten Blick in sie zu werfen.

An Thorgrims Schlafzimmer grenzte fast übergangslos die Küche. Die gleichen Lichtverhältnisse und die gleiche, wilde Unordnung, die sie in seinem Schlafraum vorgefunden hatte, herrschte auch hier. Auf dem Regal über der Herdstelle standen Krüge und Töpfe. Einige von ihnen waren umgeworfen worden und Scherben, die auf dem ganzen Boden verstreut lagen, zeugten davon, dass ein Kampf stattgefunden haben musste. Die Kriegerin zuckte unwillkürlich zusammen und trat einen Schritt zurück. Ein irdener Krug, noch halbvoll mit schalem Bier, flog daraufhin von einer Konsole und zersprang mit einem hellen Klirren auf dem steinernen Boden.
Erschrocken horchte die Kriegerin auf. Der Krach war ihr in der leeren Höhle unwirklich laut erschienen. Es war, als würde der ganze Berg den Atem anhalten. Ein unbestimmtes Gefühl der Einsamkeit erfasste sie, das sie nach vorne stürmen ließ - in den Gang, an dessen Ende ein Licht zu sehen war.
Wenig später blieb sie jedoch wieder abrupt stehen. Sie war in einer kleineren Halle angelangt, die von einem Glasdach überspannt worden war. Bevor sie sich allerdings näher umsehen konnte, nahm sie aus den Augenwinkel heraus eine leichte Bewegung wahr. Die Erfahrungen der letzten Tage zwangen Babe sofort, sich hinter einer der Tische zu werfen. Die Armbrust in der Hand, blieb sie dort angespannt sitzen.
15.07.2005, 09:20


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Thorgrims letzte Ruhestätte - von Anonymous - 27.06.2005, 07:15
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