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Thorgrims letzte Ruhestätte
Anonymous

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Beitrag #55
 
„Gib mir einen letzten Moment mit ihm. Bitte...“ Kjaskar senkte seinen Kopf. Blonde Strähnen fielen über sein Gesicht, so dass er Babes Nicken nicht sah. Das Geräusch ihrer sich entfernen Stiefel ließ ihn seinen Blick wieder auf das Grab richten. Beinahe verzweifelt genoss er den kurzen Moment der Einsamkeit, den sie ihm mit dem Zwerg gegeben hatte. Sein Blick fiel auf den Steinhaufen, wanderte über die vielen Leichen der erschlagenen Gegner und fiel dann in den Höhleneingang.

Das Gefühl des Verlustes, des entgültigen Abschiedes füllte Kjaskar aus. Wie in einem stummen Gebet senkte er seinen Kopf, während sich seine Gedanken in den Erinnerungen an den Zwergen und der Vergangenheit befanden. Die Bilder in seinem Kopf kamen traten plötzlich auf, eines führte zu einem anderen.
Thorgrim, der Zwerg. Söldner und Handwerker. Saufendes Ekelpaket und überraschend kluger Kopf in einem. Der ewig meckernde, bärbeißige Angroschim, der für seine Gefährten jederzeit sein Leben gegeben hätte...
Der Thorwaler und der Zwerg waren vor einer halben Ewigkeit aufeinander getroffen, hatten sich auf Anhieb gut verstanden und miteinander gesoffen. Fortan reisten sie mit einer kleinen Schar an Abenteurern durch Aventurien. Sie stritten mit Elfen, kämpften in Traumwelten gegen Ungeheuer und Dämonen, waren auf den Spuren uralter Reliquien und kämpften immer wieder. Aber erst die Geschichte in Olport und die anschließende Reise zum Horizont hatte das enge Band zwischen den beiden ungleichen Kriegern geknüpft, dass so lange zwischen ihnen hielt. Thorgrim hatte dem Hünen in dessen schlimmsten Zeit beigestanden und ihn wieder auf die Beine geholfen. Zusammen mit Miguele, Vantessa, Thorbald, Xerkramon, Korhal und den anderen waren sie anschließend in dieses fremde Land gereist. Sie alle folgten Kjaskar. Einem Mann, welcher vor der jüngsten Vergangenheit floh. Ohne Sinn und Verstand segelten sie in das Horizont, einem Abenteuer entgegen. Dem Größten, das sie in ihrem Leben erhoffen durften. Das allerletzte für alle. Außer Kjaskar.

Der letzte seiner aventurischen Gefährten war entgültig von ihm gegangen. Plötzliche Einsamkeit erfasste ihn, als er über diese Tatsache nachdachte. Er war nun entgültig alleine in dieser fremden Welt. Er, der er sie alle mit auf ein großes Abenteuer nehmen wollte, hatte ihr aller Untergang bestimmt. Dieses Land hatte ihnen nicht das Abenteuer gegeben, das sie gesucht hatten. Warum nur? Kjaskar hatte sich nie wirklich Gedanken um den Tod gemacht – und er hatte ihm schon oft gegenüber gestanden. Er provozierte ihn immer wieder, ein um das andere Mal. Und starb doch nicht.
Er fühlte ein neues Gefühl in ihm, Scham. Wie konnte er in so einem Moment nur an sich selber denken? Und doch konnte er nicht anders, während sich seine Hände verkrampften. Warum fanden seine Gefährten den Tod, wo er ihn regelrecht zu verlangen schien? Was hatte Thorgrim getan, dass er solch einen Tod verdiente? Einsam, verlassen, von einer Meute Barbaren durch seinen eigenen Berg gejagt. Wie musste er sich gefühlt haben, als er bemerkte, dass er nicht gegen sie ankam? Ein trauriges Lächeln rang sich dem Hünen ab, als er über die Leichen um das Grab des Zwergen blickte. Er hatte gekämpft, wie ein wahrer Held. Hatte sich gestellt und war nicht weiter davon gelaufen. Hier auf diesem Plateau hatte er sein Schicksal selbst in die Hand genommen und sich für einen wahren Platz an Ingrimms Esse entschieden. Und doch...

Kjaskar kniff die Augen zusammen, als er die brennenden Schuldgefühle zu verdrängen versuchte, die sein Herz zu zerreißen drohten. Thorgrim war alleine gestorben. Einsam und verlassen hatte er den letzten Hieb entfangen. Und Kjaskar war nicht da, um ihm beizustehen. Bilder von einem blonden Thorwaler schossen ihm durch den Kopf. Thorbald war damals einsam und alleine gegen eine Horde Reiter gefallen. Sein Tod hatte den Verteidigern der Siedlung wertvolle Augenblicke geschenkt, die ihnen schließlich den Sieg erbrachten. Kjaskar war damals betrunken, rang mit seiner Vergangenheit. Ein anderes Bild schoss ihm durch den Kopf. Vantessa. Die ehemalige Magierin und Architektin fiel in einem anderen Kampf. Alleine verteidigte sie den Holzturm, den sie selbst errichtet hatte. Kein Angreifer schaffte es, ihn einzunehmen, selbst als die stolze Frau ihn nur noch alleine hielt. Kjaskar erinnerte sich an den unmenschlichen Schrei, als der von Feuerpfeilen hervorgerufene Brand Vantessa erreichte. Die Schreie verfolgten ihn noch immer in unruhigen Nächten...

Für einen Moment rang der Hüne mit seinen Gefühlen, bevor er sie ihn übermannten. Schluchzend brach er auf seine Knie und ließ seinen Tränen freien Lauf. Er selber hatte sie umgebracht. Seit dem Betreten der Wellenreiter in Thorwal hatte er ihr aller Schicksal bestimmt. Der Zeitpunkt des Todes stand damals vielleicht noch nicht fest, aber es war sicher, dass er ihnen nicht beistehen würde...
Nach einer Weile rappelte sich der Hüne wieder auf und zog laut seine Nase, bevor er sich mit seinem zerfetzten Hemdärmel über das Gesicht fuhr. Eine entschlossene Ruhe breitete sich in ihm aus, als er nach dem gewaltigen Trinkhorn an seiner Seite langte und es auf den Steinhaufen legte. Ein schwaches Lächeln zeichnete sich in seinem Gesicht ab.

„Ich weiß, dass du über Ingrimms Esse fluchen würdest, wenn ich dir eine Blume auf dein Grab legen würde, alter Freund. Nimm das deswegen – es sollte für den ersten Durst reichen, bis ich dich eines Tages bei deinem Gott besuchen gehen werde. Und dann werden wir unser wiedersehen feiern, wie bei unserer ersten Begegnung....“

Eine Träne lief über die verdreckte Wange des Hünen, als er auf das Steingrab des Zwergen blickte. Nach einem Augenblick schloss er die Augen, drehte sich um und schritt davon...
12.07.2005, 07:38


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Thorgrims letzte Ruhestätte - von Anonymous - 27.06.2005, 07:15
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