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Thorgrims letzte Ruhestätte
Anonymous

Gast

 
Beitrag #28
 
Schweigend wandte sich Babe von dem Fenster ab, durch dessen Ritze sie hindurchgespäht hatte. Ihre Miene zeigte Bedauern - denn auch, wenn sie die Famiien nicht persönlich gekannt hatte, erschütterte sie das Schicksal der Leute. Sie ging deshalb zu Kjaskar an den Kamin und legte ihm leicht die Hand auf die Schulter während sie vor ihm hinkniete.

"Der Winter ist hart in diesem Jahr..." versuchte sie ihn leise zu trösten. "Der Hunger wird die Tiere halb wahnsinnig gemacht haben."

Ihre Stimme erstarb. Nichts konnte das Ungeheuerliche, das hier geschehen war, in Worte fassen. Das Dorf war auf grausame Art und Weise ausgelöscht worden und Njodgul würde in Zukunft leer stehen, bis der Wind und das Wetter die Ansiedlung dem Erdboden gleichgemacht hatte.

Mit einer sanften Geste strich die Kriegerin über den Arm des Nordmann um am Ende kurz die Hand zu drücken. Dann stand sie wieder auf und ging zu ihrem Posten ans Fenster zurück. Die Wölfe hatten inzwischen eingesehen, dass sie nicht an die Menschen im Haus herankommen würden, weshalb sie damit begonnen hatten, an ihrem Rucksack herumzuschnüffeln. Der Geruch des Trockenfleisches schien ihnen sehr zu gefallen, denn Babe konnte sehen, wie die Tiere ihren Rucksack zerbissen um kurz danach über ihren Proviant herzufallen.

Das Gesicht der Kriegerin verfinsterte sich. Es war äußerst dumm von ihr gewesen, den Rucksack überhaupt abgelegt zu haben. Ihre Leichtsinnigkeit würden sie und Kjaskar spätestens dann schwer bedauern, wenn ihnen der Magen knurren würde.

"Ich könnte mich ohrfeigen..." murmelte Babe in einem Anflug von Selbstmitleid. "Und ich hielt mich für erfahren."

Sie blickte wieder zu Kjaskar, der immer noch wie ein Häufchen Elend an der Wand saß. Auf ihn konnte sie im Moment nicht zählen, denn er sah aus, als würde er im Geiste all die Freunde durchgehen, die er verloren hatte. Babe blickte deshalb noch einmal kurz zu den Wölfen und ging dann kurzentschlossen zu der Türe, die Kjaskar mit seiner Orknase verschlossen hatte.

"Die Wölfe kauen auf dem Trockenfleisch herum.." dachte sie, die Axt aus den Haltern nehmend. "Das gibt mir Gelegenheit, uns etwas zu Essen zu besorgen."

Die Axt wog schwer in ihren Händen, doch Babe nahm sie mit, als sie vorsichtig die Türe öffnete und hinaus in den Gang glitt. Kein Tier war zu sehen, weshalb sie rasch zur nächsten Tür ging und dort hineinspähte.

Kalte Luft drang ihr entgegen, die durch ein offenstehendes Fenster ungehindert hineinströmte. Die Wölfe mussten durch das Fenster gesprungen sein, was auch die nassen Schneespuren auf dem Holzboden bestätigten. Schnee war in den Raum hineingeweht worden und bedeckte den Boden und das darunterstehende Bett. Die Felle des Bettes lagen in völligem Durcheinander im Zimmer herum, so dass sich Babe eine Handvoll schnappte und nach draußen schleppte.
Die Kriegerin ging ein weiteres Mal in das Schlafzimmer, zog weitere Felle vom Bett und aus einer Truhe, um sie anschließend vor der Türe abzulegen, hinter der sie sich verbarrikadiert hatten.

Nachdem sie noch aus einer Kleidertruhe eine Handvoll frischer Wäsche und Hemden geschnappt hatte, untersuchte Babe den anderen Raum. Zu ihrer Freude war es die Küche: Töpfe lagen auf dem Boden und auf dem Board, Kräuter und Zwiebeln hingen an Haken an der Wand. Auf einem Brett über der Kochnische standen buntbemalte Tonkrüge, von denen sich Babe zwei nahm. Sie füllte sie noch mit den Zwiebeln und den Kräutern, bevor sie sich einer Truhe zuwandte, die mit einem Vorhängeschloss versehen war.
Da Babe nicht mit irgendwelchen Reklamationen einer verärgerten Hausfrau rechnete, schwang sie kurzerhand die Orknase und brach damit den Deckel der Truhe auf. Ein erleichtertes Seufzen entrang sich ihr, als darunter Nahrungsmittel wie Trockenfleisch, Brote, Rüben und einen, in einem Tuch eingewickelten, Käse hervorkam.

"Manchmal sind einem die Götter doch wohlgesonnen..." dachte Babe erleichtert, während sie einen großen Kochtopf nahm und soviele Nahrungsmittel wie möglich hineinlegte.

Kurz darauf stürmte sie in den Raum zurück, in dem sie Kjaskar zurückgelassen hatte. Es waren nur wenige Minuten vergangen, doch in dieser Zeit hatte sich der Raum durch das Feuer schon mit Wärme und LIcht gefüllt. Babe lächelte deshalb leise, zog die Felle in den Raum und stellte anschließend den Topf mit den Nahrungsmitteln vor dem Feuer ab. Nachdem sie die Türe mit der Orknase wieder verschlossen hatte, kniete sie vor dem Kamin, fütterte das Feuer mit den Resten eines Stuhles und leerte kurzerhand den Topf vor den Füßen Kjaskars aus. Rüben, Fleisch, Brot und Käse kullerten auf ihn zu, stießen an seine Stiefel und blieben anschließend dort liegen.

"Wenn du etwas warmes im Bauch hast, wird es dir wieder besser gehen," versuchte Babe den Nordmann aufzumuntern. "Wir sind in Thorwal, Kjaskar. Die Natur ist gausam, vor allem im Winter. Aber bevor ich das Schicksal der Menschen hier teile, will ich wenigstens noch eine letzte warme Mahlzeit haben und eine Runde schlafen."

Auf den Lippen der Kriegerin legte sich ein Lächeln, das nicht ganz ehrlich gemeint war. Ein harter Zug hatte sich an ihren Mundwinkeln festgesetzt, der nicht nur ihre Erschöpfung sondern auch ihre Entschlossenheit zeigte. Sie würde sich nicht kampflos den Wölfen ausliefern, dessen war sie sich bewusst.

Wieder strich sie ihm kurz über den Arm, stand dann auf und ging zu dem Bündel mit den Fellen, die sie hinter der Türe abgelegt hatte. Sie hatte die Kleidungsstücke nicht ohne Hintergedanken aus der Truhe gezogen, denn sie fühlte sich verschwitzt und matt darin. Den ganzen Tag hatte sie in ihren Kleidern gesteckt, mit denen sie durch den Schnee gestiegen und das nicht nur von Nässe durchsetzt, sondern auch von ihrem Schweiß und dem Blut der Wölfe durchtränkt war. Babe zog sich deshalb alle Felle, ihre Hose und ihr warmes Flanellhemd aus und zerrte dann aus dem Bündel ein langes Leinenhemd hervor. Die Frau, der es gehört haben mochte, musste ungefähr Kjaskars Statur gehabt haben, denn es ging ihr bis zu den Knieen und schlackerte um ihre Hüften herum, als hätte sie sich in ein Zelt gewickelt. Es tat jedoch seinen Dienst, denn die Kriegerin fühlte sich sichtlich wohler, ihre nassen und schmutzigen Sachen gegen etwas saubereres ausgewechselt haben zu können - auch wenn sie die Blumenstickerei über ihrem Busen als zu unkriegerisch emfpfand und der Ausschnitt immer wieder über ihre Schulter rutschte.

Gleiches würde sie auch Kjaskar gönnen, weshalb sie aus dem Bühndel ein weiteres Hemd zog. Es hatte die gleichen Maße wie das ihrige, dürfte somit auch den Nordmann passen - über die Blumen musste er einfach hinwegsehen, so wie sie es ebenfalls tat.

Mit bloßen Füßen lief Babe wieder zu ihm hin. Das Hemd legte sie unauffällig neben ihm ab - er würde selbst entscheiden müssen, in welcher Aufmachung er die Nacht verbringen wollte.

"Wo sind die Wasserflaschen?" fragte sie anschließend. "Wenn wir sie hierhaben, schau ich mal, ob ich einen Eintopf zaubern kann."
03.07.2005, 07:28


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