Nachdenklich blickte night shadow sich in ihrem Zimmer um. Auch wenn sie jetzt schon fast einen Monat in Nuventia weilte, so hatte sie es bisher doch noch immer nicht geschafft es sich hier häuslich einzurichten. Zum wiederholten male stellte sie sich nun die Frage warum. Ihr schien es mittlerweile fast schon so, als weigere sich ein Teil in ihr diese Stadt wirklich als neue Heimat zu akzeptieren und das obwohl mittlerweile so viele altbekannte und hochgeschätzte Gesichter versammelt waren. Sie drehte sich zum Fenster um und blickte hinaus. Draußen auf den Straßen herrschte das blühende Leben, ja es befanden sich sogar so viele Menschen auf der Straße, dass man kaum ein Bein auf die Straße bekam und das war nach dem ruhigen und gemütlichen Camelot nun wahrlich eine Umstellung gewesen, mit der sie sich immer noch nicht abgefunden hatte.
Erschrocken zuckte sie zusammen, als eine wohl von dem Bolzen einer Armbrust getroffene Taube nur wenige Schritte vor ihrem Fenster auf dem Boden landete. Ärgerlich runzelte sie die Stirn. Natürlich konnte diese Tiere zu einer Plage werden, wenn sie in großen Massen eine Stadt heimsuchten, jedoch machten sich die Bewohner Nuventias mittlerweile einen Spaß daraus die wehrlosen Vögel, von denen nur noch wenige lebten, einfach vom Himmel zu holen. Wie auf Kommando fing Elenya an zu gurren. Elenya war die Taube, die sie ebenfalls angeschossen gefunden und in einem Käfig hielt, um sie wieder gesund zu pflegen. Night trat an den Käfig und streckte den Finger hinein, um der schneeweißen Taube den Kopf zu graulen.
“Ich weiß, du willst zurück in die Freiheit, jedoch würdest du gleich dem nächsten Pfeil zum Opfer fallen. Was denkst du? Soll ich hier bleiben und darauf hoffen, dass ich mich anpasse?“
Die Taube gurrte erneut und night bildete sich schon beinahe ein, dass die Taube ihr widersprach. Die Frau schüttelte lächelnd den Kopf. Soweit war es nun also schon gekommen ... Sie sprach mit einer Taube, weil die Menschen um sie herum viel zu sehr mit ihrem eigenen Leben beschäftigt waren, als dass sie sie mit ihren eigenen Gedanken belästigen wollte. Sie hielt einen Moment inne. Da gab es doch jemanden, mit dem sie oft bei einem Krug Met stundenlange Diskussionen über Gott und die Welt gehabt hatte, jemand der – so schien es ihr zumindest – sie verstand und vielleicht in gewisser Weise nach vollziehen konnte, wie es ihr ging. So setze sie sich sogleich an den Schreibtisch, griff nach der Feder und schrieb einen Brief.
Einige Zeit später stand sie vor den Stadtmauern Nuventias und hielt Elenya in der Hand, um ihr vorsichtig den Brief umzubinden. Leise flüsterte sie dem Vogel etwas zu und ließ sie dann los. ‘Hoffentlich findet die Taube ihren Weg ...‘, dachte sie, während sie fast schon ein wenig wehmütig dem immer kleiner werdenden weißen Punkt nachblickte. Erst als er in der Ferne verschwunden war, drehte sie sich um.
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