RE: Die Katakomben Roms
Fledermaus strich sanft über Lys Gesicht, ertastetete die feuchten Tränen, führte die Finger an die Lippen, schmeckte das Salz, flüsterte "Sie werden sie sich holen. Früher oder später. Diese Augen. Deine Augen. Ohne das Mal kannst Du es nicht verhindern!" Sie ergriff Lys rechte Hand, führte sie sanft zu ihrem linken Handgelenk. "Du kannst es ertasten. Hier- an mir. Einst das Mal der Schattenmädchen. Nun das der Schatten in Dunkelheit...". Der Stab, den der Junge weggeworfen hatte, bereits im Netz verankert- sie zog an Fäden, holte ihn zu sich, drückte ihn in des Jungen linke Hand, die sich reflexartig um den Stab schloss.
Areanas Biss erfolgte blitzschnell, deren Zangen das Mal in des Jungen Handgelenk brennend. Lys Augen weiteten, dessen Hände verkrampften sich, um ihr Handgelenk, um den Stock. Sie neigte ihren Mund zu Lys Ohr hinab, summte leise Brennender Schmerz. Wandert zum Herz. Bösen zerspringt Herz in Brust. Dir gibt's auf neues Leben Lust. Ängstlich betrachtete sie Lys schmerzverzerrtes Gesicht, lauschte dem röchelnden Atmen, achtete nicht auf den Schmerz, der ihr dessen verkrampfte Hand zufügte. Gleich musste der Zeitpunkt nahen, an dem der brennende Schmerz Lys verzehren, das Herz erstarren, den Atem verstummen lassen oder die Verwandlung in wohlige Wärme erfolgen würde.
Sie nickte, erleichtert und zufrieden zugleich. Lys Griff um ihr Handgelenk lockerte, dessen Gesicht entspannte sich, der Atem wurde wieder regelmässig. Fledermaus legte sich nieder, kuschelte sich an Lys, murmelte: "Jetzt ist die Dunkelheit Dein Freund. Wärmt Dich. Versteckt Dich. Niemand kann Dich in ihr finden. Keiner kann sich in ihr vor Dir verbergen. Ein Schatten in der Dunkelheit, Hauch in der Finsternis, verborgen vor jenen, die blind und taub sind, geblendet durch Laterne, Sonne, Mond und Sterne..."
Sie musterte das silbrige Gespinst, das die Katakomben durchzog. Das Lys nun auch würde sehen können. Vernahm den Gesang ihrer Brüder und Schwestern. Den Lys nun auch würde hören können. Spürte IHRE Allgegenwart. Die Lys nun auch würde spüren können. Ihre Ohren zuckten, es näherten sich jene, die bemerkt hatten, dass der Junge noch keinen Vertrauten hatte. Wen würde Lys sich erwählen? Falls überhaupt... sie selbst hatte nicht gezögert, als Areana sich ihr angeboten hatte.
Fledermaus kicherte: "Jetzt kannst Du, wenn Du willst, auch hier schlafen. Ohne böse Träume. Den Stock brauchst Du nicht mehr. Jedenfalls nicht wegen dem Knöchel. Der wird Dir nicht weiter wehtun. Wenn Du willst, kannst Du weiter mit in die Tiefe kommen. Oder wieder nach oben gehen." Ihre Stimme wurde traurig: "Ich gehe nicht mehr nach oben. Böse Menschen dort. Brennen sollen sie. Brennen werden sie!"
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