Beitrag #6
RE: Die Katakomben Roms
Das Netz erzitterte. In entzückter Erwartung. Kindliches Gelächter, lockend, voller Verheissungen, für jenen, mit dem sie Verstecken spielten, jener gedachte Fangen mit ihnen zu spielen. Erneut einer, wie all die anderen zuvor, nichtsahnend, dass das Spiel ihn in IHRE Fänge treiben würde. Sah nur die verheissungsvoll vor ihm tanzende Verlockung, nicht das über ihm drohende Verhängnis. SIE entfaltete sich, in all IHRER Massigkeit, schlangengleichartig, in Samt und Seide gehüllt, doch IHRE Blösse kaum verdeckend, übersät von huschenden kleinen Körpern, deren Augen gleich Juwelen funkelten, in denen sich IHRE weisse bleiche Haut widerspiegelte. Weit vor Entsetzen geweitete Augen desjenigen, der nicht jenes Vergnügen gefunden hatte, das er sich erhoffte, wurden von IHREN roten Augen ohne jedes Mitleid erwidert. IHRE Pranken packten blitzschnell zu, mit unmenschlicher Kraft umfassten sie dessen Haupt, zerrten... jener konnte nicht einmal mehr schreien, das Entsetzen in dessen Augen gefror angesichts des Todes, der ihn ereilt hatte. SIE badete in warmen Regen...
Ein Stöhnen. Fledermaus wandte sich vom Netz ab, Lys zu. Sie spürte seine tastenden Hände. Araneas Zangen erhoben sich drohend, sie sandte dieser beruhigende Bilder Keine Gefahr. Freund. Lys Worte waren von Entsetzen und Angst erfüllt. Seine in ihren Arm gekrallten Finger bereiten ihr Schmerz ihr Schmerz versetzte das Netz in Schwingung, SIE hielt inne, zischte, knurrte, bewegte sich rasant schnell, eines ihrer Kinder in GefahrGefahrGefahr...
Sie achtete nicht mehr auf den Schmerz, verbannte jeden Gedanken daran. Ihre Stimme war traurig: "Lys, Du kannst Dich hier nicht verstecken. Nirgendwo an diesem Ort gibt es ein Versteck. Nicht einmal im Tode!" Sie strich ihm sanft über das Haar: "Wir spielen ein Spiel. Wir spielen damit, kein Spiel zu spielen. Zeigst Du uns, dass Du uns spielen siehst, brichst Du die Regeln, und wir werden Dich bestrafen. Du musst unser Spiel, nicht zu sehen, dass Du das Spiel siehst, spielen!" Sie beugte sich zu Lys herunter, flüsterte: "Du trägst nicht das Mal. Du musst mitspielen. Breche nicht die Regeln. Ich führ Dich weg von hier. Folge mir, nur mir. Nicht Verlockungen. Nicht Deiner Angst. Nur mir. Wenn nicht, droht Dir Schlimmeres als der Tod!"
Sie umschlang Lys Handgelenk mit dem von Areana gewebten hauchdünnen Faden, verband dies mit ihrem Handgelenk, flüsterte: "Lys, ein Faden verbindet uns, nicht sichtbar, nicht spürbar, doch fest, kaum zu zerreissen. Wir können uns nicht verlieren, sei es auch noch so dunkel!" Sie horchte im Netz, spürte SIE, die rasch näher kam, in Wut als Leuchtfeuer entflammt sichtbar... hielt abrupt inne. Der Weg blockiert durch eine hünenhafte Gestalt, schweigend verharrend. Hünenhaft aus ihrem Blickwinkel, zwergenhaft aus IHRER Sicht, doch er trug das Mal, jenes Mal, dass nur IHRE Kinder zeichnete. SIE wich verwirrt zurück, die grollende Stimme des Hünen echote durch die Katakomben "Keine Frauen, keine Kinder!". Das Echo fand Widerhall in Kinderstimmen, hell, lauter werdend; "keine Kinder, Keine KINDER, KEINE KINDER..." SIE hielt inne, wirkte fasziniert, näherte sich dem Hünen, der ohne Furcht zu sein schien...
Sie löste sich, sie durfte Lys nicht vergessen: "Lys, Du kannst den Weg, den Du gehen wolltest, nicht mehr gehen. Er ist versperrt. Böses lauert dort. Wird ausgemerzt werden. Samt all jener, die dort weilen. Wir müssen tiefer gehen, viel tiefer, um wieder nach oben gehen zu können. Kannst Du laufen? Ich kann Dich nicht tragen, aber Dir den Stab holen, den Du verloren hast. Wenn der Dir Stütze sein könnte. Oder den Grossen rufen, der kann Dich tragen. Ich kann es nicht, ich habe nicht die Kraft dafür und nur kleine Hände..."
Ihre Worte wanderten durch die Katakomben, verloren sich dort, bis auf die zuletzt geäusserten, helle Kinderstimmen verbreiteten diese weiter, hallten durch die Katakomben: "Sind so kleine Hände... Sind so kleine Hände... Sind so Kleine Hände..." Ihre Stimme flehte: "Lys, nimm das MAL, Erkläre Dich bereit. Es wird Dir hier unten Schutz gewähren, Ängste nehmen, vieles vereinfachen.... Du wirst sehend werden! All die Schönheit hier erblicken können!" Sie sah das Netz in der Dunkelheit schimmern, das Netz, das die Katakomben erfüllte... seufzte. Wenn Lys dies sehen könnte, würde er verstehen- und keine Angst mehr haben!
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