Beitrag #4
RE: Die Katakomben Roms
Das Knirschen einer Luke. Modrige kalte Luft. Hörte es, spürte den Luftzug. Erkannte, wer da nach unten ging. NeinNeinNein. Der lautlose Schrei verhallte ungehört. Sie huschte davon. Wählte den anderen Zugang. Gut verborgen, nie entdeckt, krabbelte nach unten, tiefer und tiefer. Verharrte. Betrachtete verzückt die Muster des Netzes, die sich vor ihr ausbreiteten, pulsierend, flatternd im Lufthauch. Huschende Schatten in Dunkelheit, Augen, schimmernde, herrliche Augen. Badete in deren dunklem Schein, tanzte in den Schatten. Araneas Biss versetzte sie in Ekstase, gab ihr Kraft, liess ihr Blut pulsieren, dem Rhythmus des Netzes folgend.
Sie rannte. Lautlos. Es war tatsächlich Lys, der sich durch die Katakomben bewegte. Mit feurigem Licht. FalschFalschFalsch. Nicht hier, Nicht jetzt. Sie hörte ihn singen, rannte schneller. NarrNarrNarr. Dumm, töricht, unwissend. Trug nicht das Mal. Brachte stattdessen Feuer. Lärmte. Hier- im Reich der Schatten. Sie spürte ihre Schwestern. Schwestern in Dunkelheit. Nahm ihre Brüder war. Brüder im Tod. Die Kleinen bewegten sich, lautlos. Noch lautloser huschten die Kleineren durch Netze. Folgtem dem lodernden Feuer. Wollten es in sich aufnehmen, nach oben tragen...
Sie spürte SIE erwachen, IHREN Zorn, IHR Weben. Ihre Brüder blieben stumm, doch ihre Schwestern liessen ihre Stimmen erklingen, auch sie selbst konnte nicht anders, sie stimmte ein. SoSchönSoSchönSoSchön. Sie riss sich los, eilte weiter, folgte Lys, konnte kaum folgen- bis dieser fiel. Das grelle Feuer verlor. Er selbst regungslos am Boden. Das war gut. Sehr gut!
Die Kleinen konnten sich nicht mehr beherrschen, stürzten los, in Wellen, manche über den gefallenen Lys hinweg, dem grellen Feuer entgegen, warfen sich auf dieses, manche entflammten, wollten nach oben enteilen. IHRE Stimme erklang, gebieterisch 'Noch nicht, noch nicht, noch ist eure Zeit nicht gekommen'. Weitere Wellen kamen, erstickten das Feuer, begruben die Entflammten unter sich. Dunkelheit breitete sich aus, wie auch der Gestank verbrannten Fleisches.
An silbrig leuchtenden Fäden- deren Anblick sie in Entzücken versetzte- senkten sich die Kleineren hinab, bereit, zu spinnen, zu weben, ein Netz, aus dem es kein Entrinnen gab. Sie bewegte sich, erreichte Lys, erhob ihren Blick, der sich in zahlreichen Augen spiegelte...deren Besitzer entschwanden wieder in ihre Verstecke...
Fledermaus beugte sich über den gestürzten Lys, flüsterte leise seinen Namen, tastete nach seinem Puls. Er lebte. Ihr Flüstern durchdrang die dunkle Stille: "Du darfst hier nicht sein. Nicht ohne das Mal. Nur jene, die das Mal tragen, sind hier sicher. Willst Du es gewährt bekommen? 's wird weh tun. Sehr weh tun. Brennen. Furchtbar brennen. Der Grosse Mann da oben hat es ertragen. Aber Du? Du könntest sterben... zu einem Bruder im Tode werden."
Sie summte leise vor sich hin. DAS Lied. Das sie immer sangen. Voller Wehmut. Flüsterte erneut: "Nicht schlafen, Lys. Du darfst hier nicht schlafen. Dann kommen böse Träume. Immer. Fressen Deinen Verstand. Zerfetzen Deine Seele. Zerreissen Dein Herz. Lassen nur bleiche Kochen übrig."
Sie summte weiter DAS Lied. Leise vor sich hin, doch es wollte hinaus, lauter werden. Ihre Schwestern in der Dunkelheit, ihre Brüder im Tod, sie summten mit, das Netz vibrierte, ihr Chor erklang, aus allen Richtungen, helle Kinderstimmen, im Kanon, echote durch die Katakomben, nur eine Strophe, wiegte SIE in Schlaf...
Sind so kleine Seelen
offen und ganz frei
darf man niemals quälen
gehn kaputt dabei
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