Beitrag #2
RE: Erwachen
Es scheint es was besonderes zu sein, einen freien Platz an einem Tisch haben zu wollen, der bereits von einem Gast belegt ist. Zumindest ist der fragende Blick und die hochgezogene Braue so zu deuten. "Darf ich mich dazusetzen?" frage ich dann der Freundlichkeit halber und der Mann nickt leicht. Ich nicke ebenfalls und die Schankmeid lässt nicht lange auf sich warten. "Einen Wein, und etwas Eintopf, bitte!" Ich schaue mich um, es sind einige Menschen in der Taverne und die Themen könnten nicht unterschiedlicher sein. Zum einen unterhält man sich über Götter, was immer man von ihnen auch halten mag. Sie lassen einen leben oder sterben, ganz wie es ihnen beliebt. Sie retten oder zerstören Ernten und ich bin mit ihnen im Zwiespalt. Ich möchte an sie glauben, doch etwas in mir sagt mir, dass es so nicht sein kann. Ganz sicher bin ich mir nicht, deshalb belasse ich es dabei, dass ich, wenn ich ein paar Münzen übrig habe, diese dem Tempel spende. Beten war noch nie meine Welt, denn bisher wurden sie nicht erhört. Aber wie sagt man so schön? Neue Stadt, neue Gewohnheiten? Neue Liebschaften? Wir werden sehen, wie sehr mir die Stadt ins Blut geht und was sie aus mir macht und vor allem, ob sie meiner Reise Ende bedeutet.
Wein und Essen kommen und ich bedanke mich, drücke der Frau etwas Geld in die Hand. Sie nickt und lächelt, der Mann an meinem Tisch blickt auch kurz zu mir und vertieft sich dann wieder in sich selbst. Alles nicht sehr gesprächig, aber ich bin eh damit beschäftigt, dem Trubel innerhalb des Ortes zu lauschen. Die Gespräche über die Götter können nicht unterschiedlicher sein. Die einen danken dem Segen, der ihnen zu Teil wurde, die anderen verfluchen die Niederlagen. Einige erzählen von den Erfolgen, die ihre Gladiatoren erreichten, andere schimpfen auf die verlorenen Denarii. Eine Frau erzählt einem Mann, wie sehr sie ihn liebt und was sie für ihn aufgeben will und der Mann, dem sie dies schwört, sieht sich seinem Etappenziel näher kommen. Es gibt nicht viele Menschen, die, wie mein Tischnachbar und ich, schwiegend den Gesprächen lauschen. Kaum einer beachtet uns und das verbindet uns schon wieder. Zwei Einzelgänger an einem Tisch, die im Grunde nur ein wenig Ruhe erhaschen wollen.
Ich widme mich dem Essen und spüre wie sich die Mahlzeit wärmend in meinem Magen ausbreitet. Nach ein paar Löffeln fühle ich die sättigende Wirkung des Eintopfes und ich bin überrascht, dass ich die Schüssel nicht zu leeren vermag. Ich war hungrig wie eine Bärin nach dem Winter und schaffe die Portion eines Rabens. Satt und zufrieden lehne ich mich auf dem Stuhl zurück und nippe an meinem Wein. Mir fällt das Gesicht meines Gegenübers auf, der grinsend da sitzt. Ich proste ihm zu und er erwidert den Gruß.
Sei mindestens genauso ideen- und erfindungsreich in deiner Suche nach innerem Frieden, wie du es auch in der Welt des Wettkampfs und der Neurosen bist.
Die Anzahl unserer Neider bestätigt unsere Fähigkeiten. (Oscar Wilde)
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