RE: zum verrückten Waldläufer
"Könnte sein!" Tika zuckte zusammen, als die tiefe Stimme hinter ihr unvermittelt erklang, fuhr herum, erblickte Scar! Wie schaffte es der Kerl nur, sich derart lautlos zu bewegen? Das war jedenfalls nicht gut für ihr Herz, das ihr in den Ohren pulsierte. Scar begab sich zu seinem Bruder, der seine Anstrengungen einstellte. Bruise hielt den schmiedeisernen Ring fest, während Scar die Ränder der Falltür abtastetete. Ein leises Klicken war zu vernehemen, die Falltür senkte sich nach... unten.
Rasch eilte Tika zur Falltür, blickte hinunter. Dunkelheit erwiderte ihren Blick, kühle, trockene Luft schien aus der Tiefe emporzusteigen. In der Wand war ein hölzerne Sprossenleiter zu sehen. Kurzentschlossen liess sie sich nach unten gleiten, umfasste die Sprossen, begann hinabzuklettern. Zugreifende Hände- sie wusste nicht, ob die von Bruise oder Scar oder gar beider Pranken- verfehlten sie knapp. Erinnerungen stiegen in ihr auf, als sie rasch sich in die Tiefe begab an dunkle Gewölbe und Kavernen, in denen sie als Kind mit Krazak Verstecken spielte, und der alte Zwerg vor sich hin brummelnd widerwillig zugeben musste, es sei ihm, dem Zwergen, nicht mehr möglich, sie in der Dunkelheit zu finden.... Tika kicherte innerlich, der alte Zwerg hatte ihr gewiss eines beigebracht- Dunkelheit war nicht etwas, das sie zu fürchten hatte, sondern eine Freundin, die einen wie einen wärmenden Mantel umhüllte.
Tika war zwar am Ende der Leiter angelangt, hatte aber keinen Boden unter den Füssen. Sechs Meter waren es ihrer Schätzung nach, die sie zurückgelegt hatte. Ganz gewiss war das hier kein normaler Keller einer Taverne, hier Vorräte zu lagern und diese zu bewegen, würde einen Flaschenzug erfordern! Tika hielt sich an der letzten Sprosse fest, liess sich nach unten hängen, streckte sich... Bodenkontakt! Der Boden war aus Stein, die Luft fühlte sich feuchter an. Tika sah nach oben, das Rechteck der Öffnung der Falltür konnte sie zwar sehen, aber nichts von Bruise und Scar erblicken.
Sie versuchte ein Gefühl für ihre Umgebung zu bekommen. Ein Gewölbe! Gewiss kein abgeschlossener Keller, sie spürte Luftzug. Wieviele verrückte Waldläufer mochten hier wohl inmitten ihrer Schätze begraben liegen? Tika spitzte die Ohren- sie war hier nicht alleine, sie glaubte, jemanden atmen zu hören! Sie schnupperte. Dem Geruch nach zu urteilen, eine Mischung aus längere Zeit ohne jeglichen Kontakt mit Wasser und Angstschweiss! Tika bewegte sich vorsichtig gen Atmen, schloss die Augen- und entzündete eine Kerze.
Als sie ihre Augen wieder öffnete, blickte sie in die geblendeten und gleichzeitig sckreckgeweiteten Augen eines kleinen Mädchens von erschreckend ausgemergelt wirkender Statur. Zusammengekauert in einer steinernen Nische hockend, in Lumpen gehüllt, etwa sechs Jahre alt. Tikas Augen verengten sich, als sie der Blutergüsse gewahr wurde, die sich an den von Lumpen unbedeckten Körperstellen des Mädchens ihr darboten. Freundlich lächelte sie das Mädchen an :"Keine Angst, ich tue Dir nichts. Ich bin Tika. Wie ist denn Dein Name?" Das Mädchen schwieg, dessen Blicke wanderten wild umher. Tika suchte und fand in ihren Taschen ein Tuch, tupfte sanft das Gesicht des Mädchens ab, dieses zierten ebenfalls Blutergüsse :"Du redest nicht viel, nicht wahr? Ich werde Dich einfach Augenstern nennen, und ich denke, dass Augenstern zuerst etwas zu Essen und zu Trinken braucht. Honigmelone hätte ich für Dich oben in der Taverne!" In des Mädchens Augen zeichnete sich ein Ausdruck von fassungslosen Erstaunen ab, gefolgt von hoffnungsfroher Begeisterung...
Flackernder Lichtschein erfüllte den Raum- Tika sah sich rasch um- nein, das war nicht nur ein Gewölbe, das waren Katakomben eines Labyrinthes, mindestens drei weiterführende Gänge hatte sie im Lichtschein der Fackeln erblickt, die Bruise und Scar mit sich führten, die ihr wohl gefolgt waren. Hastig flüsterte sie dem Mädchen zu "Keine Angst, Augenstern, das sind Freunde von mir- und damit auch Deine Freunde!" Bruise und Scar näherten sich, betrachteten das Mädchen im Lichtschein mit undefinierbarem Gesichtsausdruck, murmelten gen Tika "Tu das...""Nie wieder!".
Tika kniete sich nieder, mit gen Augenstern zugewandten Rücken: "Auf geht's! Huckepack! Ich bringe Dich nach oben." Das kleine Mädchen bewegte sich unsicher, kletterte aber letztendlich auf ihre Schultern. Tika begab sich zur Öffnung mit der Leiter, ein auffordernder Blick erwies sich als unnötig, Bruise hob sie hoch, sie ergriff eine Leitersprosse, ihre Füsse fanden Halt an der untersten Leiersprosse, sie kletterte nach oben...
In der Taverne angelangt, wandte Tika sich Aine zu: "Ähm... das ist kein Keller, das sind Katakomben, nein, ein Labyrinth. Oh... die Kleine auf meinen Schultern ist nicht sonderlich redselig, aber ein Augenstern. Sie braucht erstmal was zum Beissen." Tika erhob ihre Stimme: "Lys, was immer Du gerade tust, lass es bleiben! Komm runter, im Keller der Taverne gibt es vermutlich erheblich interessante Dinge zu entdecken. Aber Du bleibst da bitte in Sichtweite von Bruise und Scar!"
Tika ging in den Schankraum, setzte das Mädchen auf einen Stuhl, lächelte: "Und hier, wie verprochen, Honigmelone! Lass es Dir schmecken. Und ich werde mal schauen, ob ich nicht etwas Kühlendes für Deine vielen Blauen Flecken finde!" Demjenigen, der Augenstern das angetan hatte (oder denjenigen), versprach Tika innerlich einen ganz heissen Tanz mit ihrer Pfanne...
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