Zunächst war um ihn herum nur die wohlige Schwärze der Nacht. Er hatte seine Augen geschlossen, war in einen friedlichen Schlaf gefallen. Der Lärm um ihn herum wurde vom Nichts, das seinen Geist umnebelte, aufgesogen und konnte seine Ruhe so nicht weiter beeinflussen. Schemen huschten vor seinem inneren Auge vorbei, bildeten verschwommene Szenen, die ihm vertraut vorkamen und die er dennoch nicht erkennen konnte. Verzweifelt mühte er seinen Geist mit dem einen Bild ab, während schon das nächste und übernächste an ihm vorüber huschte und seine Verwirrung vervollkommnete.
Mit einem Mal blickte ihm die Fratze der Untoten aus dem Kampf entgegen, starrte ihm direkt in die Augen. Erschrocken wich er zurück, sah seine Hand, wie sie den Dolch in der Hand hielt, der sich von unten in ihren Kopf gebohrt hatte. Grauen und Entsetzen packten ihn, ließen ihn herumfahren, sein Blick fiel auf einen Mann, er mochte jung sein und gerade eine Familie gegründet haben. Auch in seinen Augen war ihm der Schreck anzusehen, der ihm durch die Glieder gefahren sein musste, als TheUnforgiven in der Dunkelheit nach seinem Genick gegriffen und es gebrochen hatte. Nun hielt er die Leiche dieses jungen Mannes in seien Armen, einzig und allein besorgt darum, ihn nicht zu laut auf dem Boden aufschlagen zu lassen.
Damals wie heute hatte der Hass ihn angetrieben, war zu seiner tödlichsten Waffe und zugleich zu seiner größten Schwäche geworden. In dem Leid, dass dieses Monster aus der Taverne über seine Freunde und die vielen rechtschaffenen Menschen dieser Welt brachte, hatte er das Leid, das ihm einst seine Peiniger hatten zukommen lassen, gesehen. Als ob ein heftiger Wind einen Laubhaufen fortweht, wurden die Bilder um ihn herum in Fetzen gerissen, flogen davon. Nichts blieb mehr, nur in der Ferne blitzte ein kleines, helles Licht auf. Ein Stern in der Dunkelheit der Nacht, die ihn umfing. Mit einem Mal fing er an zu Laufen, als ob dort vorne der einzige Ausweg aus einer Höhle sei, die in wenigen Minuten mit glühend heisser Lava gefüllt wird.
Niemals sollte er dieses Licht erreichen. In dem Augenblick, in dem eine eisige und verdorrte Hand nach diesem Licht greift, sich wie eine Wolke davorschiebt, um es für immer zu verschlingen, erkannte er, was dieses Licht war. Das tränenerfüllte Auge seiner Mutter, im Feuer der um sie herum brennenden Hütten leicht rötlich schimmernd. Er hörte sie nach ihm rufen, sah, wie sie verzweifelt, zurückgehalten von den Männern, die ihn holten, ihre Arme nach ihm ausstreckte. Dass er sie nie wieder sehen wurde, hatte er erst viel später begriffen, obwohl der helle Aufschrei, der damals durch die Nacht gellte, seine eigene grausame und klare Sprache gesprochen hatte.
TheUnforgiven wusste, dass er diesem Hass immer unterliegen würde, bis er Gelegenheit gefunden hatte, sich seiner Vergangenheit zu stellen. So lange hatte er geglaubt, in Minas Bellorum seinen Frieden gefunden zu haben, selbst der ewig währende Streit, der den Orden mit der Bruderschaft verband, konnte diesen Eindruck nicht trüben. Vielmehr diente er ihm als Ablenkung von den viel tiefer liegenden Konflikten, die seine Seele in die Enge trieben, während es den Ereignissen des heutigen Tages gelungen war, all dies wieder an die Oberfläche zu spülen.
Benommen blinzelte er mit den Augen, erblickte über sich die helle und saubere Decke eines Zimmers, das er nicht kannte. Spürte um sein Bein einen Verband, hörte in seiner Nähe die Stimmen anderer Leute, entfernt und nicht zuzuordnen. Er wusste, was ihm nun bevorstand. Es war fraglich, ob er dem gewachsen war, doch eine Wahl hatte er nicht. Diese Wunden würden nicht so schnell verheilen, waren sie doch nie wirklich verheilt. Ein Stöhnen entrang sich seinen Lippen, als er versuchte, sich aufzurichten und entkräftet gleich wieder zurück auf sein Lager fiel.
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