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Erfahrungen [Rael_Steinbrecher]
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Palastwache

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Beitrag #1
Erfahrungen [Rael_Steinbrecher]
Erfahrungen
Lederhosen sind einfach besser.

Ich seufzte, konnte keinen klaren Gedanken fassen. Die Sonne war im Untergang begriffen und mein Blick schweifte immer wieder auf die Welt vor dem Fenster. Eine Sehnsucht bemächtigte sich meiner, als ich mir das rege Treiben in den Gassen, den Straßen Roms vorstellte. Frauen, die ihre Kinder auf den Hüften wiegten, während sie auf den Märkten ihre Waren feil boten. Männer, die sich im Armdrücken maßen und zotige Witze erzählten. Kinder, die mit Steinen ihre Kräfte erprobten. Wer kann die Kiesel am weitesten werfen?

Die Sonne kitzelte in meinen Augen. Sie stand mittlerweile so tief, dass sie mir direkt ins Gesicht schien. Ich seufzte abermals, konnte die Stimmen in meinem Inneren nicht mehr verhöhnen, gar verneinen. Stimmen, die voller Sehnsucht von Freiheit kündeten und förmlich danach schrien auszubrechen aus dem Alltag, dem Trott, dem Gefängnis der eigenen vier Wände. Mein Blick fiel auf das Schriftstück vor mir, welches ich gerade begonnen hatte abzuschreiben. Dies war eine meiner Aufgaben und ich tat mich schwer damit sie an jemand anderen zu übertragen. Ich tat mich insgesamt schwer damit die Zügel aus der Hand zu geben und der eine oder andere machte sicherlich Witze darüber. Hinter vorgehaltener Hand, versteht sich. Mir war es jedoch egal. Ich war bemüht meine Arbeit gut zu machen.

Doch heute würde ich nichts mehr zustande bringen. Die Unruhe, die mich erfasst hatte, ließ mich mit dem Fuß wippen. Ein Räuspern neben mir ließ mich aufblicken und dem vorwurfsvollen Blick meines Lehrers begegnen. Widerstrebend wanderte mein Blick zurück auf das Pergament vor mir. Ich umfasste den Federkiel fester und stellte mir vor, wie es wäre, hier auszubrechen und die Welt dort draußen besser kennen zu lernen. Doch war ich hier gefangen in einem goldenen Käfig. Zu Höherem erkoren mußte ich lernen und meine Lehrer waren unerbittlich. Respektvoll, jedoch sehr strikt in der Einhaltung der Regeln. Ihrer Regeln - keine davon entsprach meinen Vorstellungen, aber ich wurde nicht gefragt.

Ich senkte meinen Kopf, suchte um Ruhe, um Konzentration und drängte die Bilder von bildhübschen Frauen in dünnen Stoffen, die in einer Taverne zu lauter Musik tanzten zurück. Ja, nur zu gerne würde ich ausbrechen. Doch meine Aufgabe war eine andere. Für mich würde ein Abenteuer außerhalb dieses Hauses so gut wie nie ein Teil meiner Existenz sein. Dies hier war mein Leben.

Voller Verbitterung konzentrierte ich mich auf den Text, den ich übersetzen sollte und machte mich abermals an die Arbeit, als ich den Federkiel in die Tinte tunkte und tat mein Bestes, die lateinische Arbeit ins italienisch zu übersetzen. Nach gefühlten Stunden konnte ich endlich das Tintenfass zuschrauben und den Federkiel zum trocknen beiseite legen. Ein vom Herzen kommender Seufzer erfasste mich, ebenso die Erleichterung für heute fertig zu sein. Mein Lehrer klopfte mir aufmunternd auf die Schultern und brummelte etwas von, dass heute genug getan sein. Ich war entlassen und konnte mich nun zum Essen auf mein Zimmer zurückziehen. Endlich allein, endlich…

Ich schüttelte den Kopf, als ich leisen Schrittes die langen Gänge des Hauses entlang schritt. Es war ruhig, das gesamte Haus war in Aufruhr für die beginnenden Festtage morgen. Die feierliche Eröffnung der Gladiatorenspiele stand kurz bevor und ich hoffte, dass ich dabei sein durfte. Ob Vater es mir erlauben würde? Ich hoffte es, wußte jedoch, dass diese Hoffnung sich nur sehr schwer erfüllen würde. Doch hatte ich nicht ein Recht auf die Welt dort draußen? Nur lernen und bilden füllte mich einfach nicht aus. Ich war mittlerweile ein Mann, kein Kind mehr, welchem man derartige Vorschriften machen konnte. Ich war in den letzten Jahren in die Höhe geschossen und hatte dank eines unerbittlichen Trainings sogar ein breites Kreuz entwickelt, die mich zu einem stattlichen … Mann … machten. Ich war zwar erst 17 an Jahren, doch gab es andere, die in meinem Alter bereits eine Familie hatten und weitaus mehr Verantwortung trugen.

Mein Gewand raschelte, als ich um die Ecke bog. Sogleich schob ich mich in eine der dunkleren Nischen und verbarg mich vor den Blicken der beiden Männer, die mir entgegen kamen. Ich hatte keine Lust auf ein Gespräch oder sonstige Tändeleien der Beiden. Ihr Getue widerte mich an. Ich wollte Ehrlichkeit, ehrliche Gefühle und ehrliche Worte. Ich hielt den Atem an, als sie in Hörreichweite kamen. Von einem Tanzabend im „Der grüne Boden“ war die Rede. Eine Taverne Roms, die bekannt war für ihre ausschweifenden Tanzabende.

Ein, zwei Gedankengänge lang dauerte es und mein Entschluss stand fest. Ich würde mich heute davonschleichen und das wahre Leben Roms kennenlernen. Es war an der Zeit, dass ich meine Flügel ausbreitete und dem Nest davon flog. Es war an der Zeit, dass ich meine eigenen Erfahrungen machte. Als die beiden Männer verschwunden waren, trat ich aus meinem Versteck heraus und rannte schnellen Fußes zu meinem Zimmer. Schwungvoll riss ich die Tür auf, begab mich zu meinem Ankleidezimmer und suchte die einfachste, schäbigste Kleidung heraus, die ich finden konnte. Überzeugt von meiner Verkleidung holte ich einen dunklen Umhang heraus, von dem ich sorgsam die Insignien des Hauses entfernte.

Ich wollte inkognito gehen. Ich wollte um meinetwillen gemocht werden und nicht um der Verbindung zu diesem Hause willen. Vor Aufregung pochte mein Herz bis zum Hals und ich betrachtete meine „Verkleidung“ im Spiegel und drehte mich kurz um mich selbst. Die Haare ordentlich gekämmt, brachte ich mit einer Handbewegung durcheinander und nickte mit freudig erregten Augen meinem Spiegelbild zu. Endlich wieder beschwingt, fühlte ich das Leben durch meinen Körper fließen. Ja, ich würde das Leben kennenlernen. Heute Nacht würde ich einfach nur ich sein und niemand sonst.

Ungesehen von den Wachen huschte ich durch eine der hinteren Türen. Mit Adrenalin gepeitschtem Körper schlich ich lautlos von dannen und ließ mein Leben und das Haus hinter mir. Ein Lachen perlte von meinen Lippen und mit beschwingten Schritten eilte ich davon. Ich hatte keinerlei Ahnung wo sich „Der grüne Boden“ befand, nahm mir jedoch vor diesen heute unbedingt zu besuchen. Ich wollte sehen, was die Männer an einem normalen Abend wie diesem machten und wollte mit ihnen tun, was normale Männer eben so taten.

Die Apathie, die mich den ganzen Tag erfasst hatte, war wie weggewischt, als ich Männer wie Frauen nach dem Weg fragte. Ihre befremdlichen Blicke ignorierte ich, ich tat so, als käme ich von außerhalb und ließ mich auf ihre Wegbeschreibung hin zum „Grünen Boden“ lotsen. Den Geschmack des einfachen Biers schon auf den Lippen schmeckend, genoss ich den Anblick der geschmückten Gassen und Läden, die sich ebenfalls auf die Festspiele vorbereiteten, wie es jeder in Rom tat. Ich blickte lachend in die Gesichter von Männern und Frauen, sah Freundlichkeit, Glück und Freude. Ich sah nicht die Armut in den Seitengassen oder gar die Bettler an den Straßenecken, die Banden von Kindern, die die reichen unwissenden Reisenden um ihr Geld erleichterten. Ich war blind für die Krankheit, die Alten und Gebrechlichen. Ich war einfach zu sehr gefangen in meinem Traum von Rom, von meiner Vorstellung, wie Rom sein sollte, als ich endlich die Gasse erreichte, in der „Der grüne Boden“ zu finden sein sollte.

Einmal tief durchatmend stieß ich die Tür auf und betrat ein brodelndes Fass von Energie, Menschen, Gerüchen und Geräuschen. Mit einem Lächeln auf den Lippen hüllte ich mich etwas fester in meinen Umhang und ignorierte gekonnt die plötzliche Stille, die sich im Schankraum breit machte. Ich blickte mich suchend um, erhaschte einen Blick auf leicht bekleidete Tänzerinnen, die nur mit Schleier bekleidet ihrem Tanz und der Musik erlagen und sich normalerweise wohl in lasziver Weise bewegten. Doch auch sie hatten ihren Tanz jäh unterbrochen, um mich anzustarren. Ich warf einen vorsichtigen Blick über die Schulter. “Habt ihr noch nie einen normalen Römer in euren Reihen gesehen, werte Damen und Herren?“, fragte ich mutig in die Runde und konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Ja, heute war ich mutig. Heute würde ich das Leben genießen – außerhalb der Mauern, außerhalb des Hauses.

Die Unterhaltungen setzten langsam wieder ein, als die Menschen in der Taverne wieder ihren Tätigkeiten nachgingen und erleichtert stellte ich fest, dass ich nicht mehr im Mittelpunkt des Geschehens stand. Natürlich fiel mir nicht auf, dass ein jeder mich beobachtete und sich einen Reim darauf zu machen versuchte, was in drei Gottes Namen ich hier wollte oder woher ich kam. Doch ich war im siebten Himmel und schlenderte nun betont lässig zum Tresen und bestellte ein Bier. Der Wirt blickte mich mit einer hoch gezogenen Augenbraue an. “Das was Du willst hab‘ ich nich‘. Ich hab‘ nur einfaches!“, brummte der Wirt bärbeißig hinter seinem bereits ergrauten Bart. Es schien fast so, als würde er sein Getränk entschuldigen, doch es genügte mir. “Dann erlaube ich mir, dass zu nehmen, was der Herr neben mir zu trinken gedenkt!“, sprach ich voller Übermut, deutete auf den Kerl neben mir und ließ meinen Blick durch die Taverne schweifen.

Die Frauen begannen wieder zu tanzen und mein Blick blieb an ihren weichen, warmen Leibern hängen, die sich zur Musik einer einfachen Flöte wiegten. Noch niemals hatte ich solche Bewegungen gesehen, noch niemals hatte ich solche Frauen gesehen, geschweige denn so viel nackte Haut. Diese Schleier verbargen einiges, offenbarten jedoch vieles. Ja, mein Ausreißer heute hatte sich zumindest schon einmal gelohnt, als ich merkte wie mein Blut hitzig durch meinen Körper zu kreisen begann. Von ihrem Anblick betört griff ich zu meiner Bestellung, die der Wirt inzwischen auf den Tresen gestellt hatte und kippte das kleine Glas auf einmal hinunter. Ich begann zu Husten, als der Alkohol heiß und brennend meine Kehle hinunter in meinen Magen rann. Lachend hieb mir der Mann neben mir auf den Rücken. Um den Husten zu mildern und gebeutelt von den Schlägen taumelte ich ein, zwei Schritte vom Tresen weg, bevor ich wieder einen festen Stand hatte.

Meine Augen tränten und in meinem Magen breitete sich eine wohlige Wärme aus. Ich krächzte etwas Unverständliches und wischte mir verstohlen die Tränen aus den Augenwinkeln. So sah also das Leben des einfachen Mannes aus, dachte ich mir, als mich mit einem Mal etwas in die Seite stach. Ich juchzte wie ein Mädchen, wollte beiseite springen, als mich feste Arme von zwei wild aussehenden Kerlen umfassten und mich mit Mordlust in den Augen anblickten. Ihr Geruch ließ mich fast die Besinnung verlieren und hüllte mich ein mit einem Gestank nach Alkohol, Schweiß und anderen Ausscheidungen, die ich mir noch nicht mal vorstellen konnte.

“Komm mit Bursche. Nun wird abgerechnet!“, flüsterte mir der Größere von beiden ins Ohr, wobei ich die schwarzen Stumpen sehen konnte, die mal Zähne gewesen waren. Der faulige Mundgeruch, der mir entgegenschlug, nahm mir den Atem und mein Blick wanderte langsam hinab zu dem Dolch, der sich in meine empfindliche Seite bohrte. Ich spürte durch die leichte Kleidung, wie die Spitze meine Haut durchbohrte und ein warmes Rinnsal an Blut meine Hüfte hinunter rann. Ich war in Schwierigkeiten und ich wußte es. Mit blassem Gesicht und weit aufgerissenen Augen wartete ich darauf, was nun passieren würde. Ich war wie gelähmt, vergaß eine jede Lektion, die ich für den Kampf gelernt hatte. Noch niemals hatte es jemand gewagt, Hand an mich zu legen oder mich gar zu bedrohen. Ich war angekommen im echten Rom und ich fragte mich, ob ich heil aus dieser Sache wieder heraus kommen würde.
“Nun beweg dich schon. Vor die Tür, dann klären wir das dort!“, nuschelte der Kleine und schob mich mit seinem Mittäter Richtung Ausgang, wo uns die Leute hier ohne nachzudenken Platz machten. Vielleicht wussten sie, was mit mir passierte, vielleicht auch nicht. Jedoch würde sich niemand den beiden in den Weg stellen. Einem jeden war sein eigenes Leben lieb und teuer. Niemand wagte es, sein Eigenes für einen verwöhnten reichen Schnösel aufs Spiel zu setzen, der dumm genug war sich in eine der zwielichtigen Tavernen Roms zu verirren. Was würden sie lachen wenn sie wüssten, dass ich mir bewusst diese Taverne ausgesucht hatte, weil ich erfahren wollte, wie die einfachen Leute Roms tickten.

Angst bemächtigte sich meiner, als die Tür der Taverne hinter mir krachend ins Schloss fiel und die beiden Kerle mich weiter und weiter in die scheinbar dunkelsten Gassen Roms zerrten. Sie machten sich keinerlei Mühe unauffällig zu arbeiten, mussten sie auch nicht. Niemand hielt sie auf. Niemand rief nach der Stadtwache. Niemand interessierte sich für das Dreiergespann, welches unterschiedlicher nicht sein könnte. Die zwei Kerle, ungewaschen, ungepflegt, gezeichnet vom harten Leben auf den Straßen und der feine Schnösel, gehüllt in die feinsten Gewänder ohne jegliches Gebrauchzeichen, das fein geschnittene Gesicht und den grazilen Fingern, die keinerlei Schwielen aufwiesen. Auch wenn sie auffielen, so sagte doch niemand etwas und ich wusste, dass meine Möglichkeiten niemals hätten schlechter aussehen können. Panik erfasste mich, beschleunigte meinen Herzschlag, ließ mein Blut durch den Körper rasen und betäubte meinen Kopf. Zu keinem klaren Gedanken war ich fähig, zu keiner Kampfhandlung in der Lage. Ich hatte alles vergessen.

Endlich in der verlassensten Gasse angekommen, die die beiden Halunken sich ausgesucht hatten, drängten sie mich mit dem Messer an eine Mauer. Den Dolch an der Kehle funkelte mich der Große triumphierend an. “Ich weiß wer Du bist. Ich habe Dich gesehen!“, grinste er mich zahnlos an und mir wurde heiß und kalt zugleich. Ich war erledigt. Ich war so was von erledigt. Der Kleine nickte zustimmend, ballte die Fäuste und begann mit seiner „Arbeit“. Dies war das Handwerk, welches die beiden als Profis ausübten und systematisch begannen sie mich auseinander zu nehmen und verteilten Schläge und Tritte. Vor Schmerzen gekrümmt brach ich zusammen, spürte Stellen meines Körpers, die ich niemals zu vor auch nur als existierend in Betracht gezogen hatte. Geifernd nahmen sie mir die Geldkatze ab, lachten, verhöhnten mich, während ich versuchte, taumelnd auf die Beine zu kommen. Ich wollte nicht aufgeben. Ich würde….

Mit einem Gurgeln ging der Große zu Boden. Ein Blutschwall ergoss sich aus seinem Mund, während er zusammenklappte wie ein Taschenmesser. Der Kleine wirbelte herum, sah sich einem Schatten gegenüber und versuchte sogleich sein Glück im Angriff. Vor meinen Augen entbrannte ein Kampf, während der Kleine mit Kraft versuchte die Schläge abzuwehren, die der neue Angreifer austeilte. Ein ungleicher Kampf, bei dem der Kleine nach einigen Schlägen mit einem Hieb auf seinen Solarplexus und kurz darauf in die Eier keuchend zu Boden ging. Der neue Angreifer beugte sich über ihn, nahm meine Geldkatze an sich und warf sie mir mit einer fließenden Bewegung zu. Unfähig, mich zu rühren, prallte sie an meiner Brust ab und fiel zu Boden.

Sie trat ins Licht und meine Augen weiteten sich. Sie! Mein Angreifer war eine Frau und sie reichte mir eine Hand, um mir aufzuhelfen. Ausdruckslose Augen blickten mich an, die für einen kurzen Moment Sorge verhießen. “Hier, lass Dir helfen.“, sprach sie mit heiserer Stimme. Mein Blick wanderte ihren Körper hinab, während sie mir aufhalf aus der dreckigen Pfütze aufzustehen, in die ich gesunken war. Ich stank inzwischen genauso wie meine Umgebung, doch das interessierte mich nicht. Ihre schlanke Gestalt, muskulös, in Lederhose und weißes Hemd gehüllt ließ meinen Mund trocken werden. Sie schien eine Kämpferin zu sein und das was ich sah gefiel mir. Nicht gefiel mir, dass ich eben zusammengeschlagen worden war und sie meine Retterin war. “Ich scheine heute kein Glück zu haben.“ Ein Räuspern. „Danke, dass Du mir zu Hilfe geeilt bist.“, fügte ich mit gebrochener Stimme hinzu.

Sie grinste breit und zwinkerte mir zu, als sie mir aufhalf. Meine Hand in ihrer fühlte sich gut an und ein Prickeln durchfuhr meinen Körper. Eben noch gebadet in Schmerz, fühlte ich ihn nun noch an Stellen, von denen ich bis bisher nur die Engel hatte singen hören. Hoffentlich würde ich noch Kinder zeugen können. Meine absurden Gedanken abschüttelnd folgte ich ihr, als sie mich am Ärmel durch die Gassen zog. “Komm, bevor die Stadtwache kommt und unbequeme Fragen stellt! Ich habe keine Lust, den Rest der Nacht in einer Zelle zu verbringen. Du doch auch nicht, oder?“, flüsterte sie, als sie mich durch das Labyrinth von Gassen und Straßen führte. Erst als die Helligkeit zunahm, bedingt durch die Straßenbeleuchtung, atmete ich tief durch und zwang sie mit einer Handbewegung zum halten.

Wusste sie wer ich war? Fragend ließ ich den Blick über sie gleiten, doch sie zeigte keinerlei Erkennen. Ich humpelte und rieb mir den Magen, der immer noch empfindlich schmerzte. Doch ich war soweit unbeschadet aus dieser Gasse entflohen. Auch wenn ich nicht mehr so jungfräulich war, wie vorher. Ich hatte meine erste Schlägerei, meinen ersten Kampf auf der Straße hinter mich gebracht und ein Lachen stieg meine Kehle hinauf, um sich den Weg nach außen zu bahnen. Ihr Blick lag auf mir und ihr Grinsen wurde breiter. Sie klopfte mir leicht auf die Schulter und zwinkerte mir zu, so dass meine Hormone abermals aufkochten. “Das war nen Spaß, hm? Du lebst wohl gerne gefährlich.“ Ihr Blick hing abschätzend auf mir. “...das gefällt mir.“, lachte sie heiser und ließ ihre grünen Augen weiter über meinen Körper gleiten.

Würde sie ihn nun erkennen? War nun alles vorbei? Doch sie veränderte ihr Verhalten nicht und blickte ihn einfach nur interessiert an. Ich atmete tief durch und konnte die Wärme ihres Körpers spüren, als sie näher an mich herantrat. Ihre Hand wanderte zu meiner aufgeplatzten Unterlippe und wischte das Blut dort beiseite, welches sie augenzwinkernd ableckte. Sie zwinkernde anscheinend gerne. “Ja, du gefällst mir.“, flüsterte sie, während ihr Blick Verheißung und Erfüllung zugleich verhieß. Mein Blut preschte durch meine Adern, doch ich wusste, dass ich meinen geschundenen Körper erst einmal Ruhe gönnen mußte, bevor ich dem brodelnden Begehren nachgehen konnte. Ich hoffte darauf, dass dies ein Abenteuer wäre, welches ich ein anderes Mal erleben durfte. Mein Herz klopfte mir bis zum Hals, jeder Schlag dröhnte wie Glocken in meinem Schädel.

“Du hast mich gerettet. Das hätte niemand anderes getan. Scheinbar hatte ich mehr Glück als Verstand, dass Du zufällig in der Gasse vorbei gekommen bist.“, sprach ich heiser und blickte sie heißblütig an. Sie lachte laut, knuffte mich in die Schulter und schwieg. Sie setzte ihren Weg fort und ich bewegte mich automatisch neben ihr. Nebeneinander schritten wir durch die Nacht und schwiegen. Ihr Blick wachsam, während meiner immer wieder zu ihrer Silhouette wanderte. Sicherlich hatte ich meine Lektion gelernt, doch ich war mir sicher, dass ... Ich schüttelte den Kopf und atmete tief durch. Langsam ließ der Schock nach und ich realisierte, was heute Nacht alles hätte passieren können. Die beiden Gesetzeslosen hätten mich töten, mich abstechen können wie ein Schwein und niemand wäre mir zu Hilfe geeilt. Ich wäre in meinem Blut liegend in einer Gosse elendig verreckt und kein Hahn hätte nach mir gekräht. Solange, bis mein Verschwinden bemerkt worden wäre und mein Haus Land und Leute in Bewegung gesetzt hätten, um mich zu finden. Und anschließend meinen Tod am Volk zu rächen.

Ich hing meinen Gedanken nach, bemerkte weder den Weg, noch die Umgebung. Meine Begleitung, diese Frau, deren Schönheit nicht von dieser Welt sein konnte, ließ meine Aufmerksamkeit jedoch schnell wieder zu ihr zurückkehren. Ich konnte ihrem Anblick einfach nicht widerstehen. Ihre grün funkelnden Augen fingen meinen Blick ein ums andere Mal ein, zwinkerten mir fröhlich und aufmunternd zu. Irgendwann hielt sie mich an den Schultern fest und blickte mir bestimmt in die Augen, während sich ein breites Grinsen in ihrem Gesicht zeigte. “Wir sind da, mein Lieber. Ich hoffe jedoch, dass dies nicht das letzte Mal war, das wir uns gesehen haben. Ich hoffe auf noch weitere ... interessante ... Nächte mit Dir, also enttäusche mich nicht!“

Ihre Worte ließen meine Wangen in tiefes Purpurrot eintauchen und mein Herz setzte einen Moment lang aus, um dann in einem schnellen Stakkato wieder los zu preschen. Verwirrt blickte ich mich um. Wo waren wir? Blinzelnd erkannte ich den Palast und mein Mund wurde trocken, während mein Blick langsam zu dem geheimen Eingang wanderte, den ich vor nicht langer Zeit genommen hatte, um dem Alltag zu entkommen. Stetig wanderten meine Augen zu ihrem wissenden Blick, der ebenfalls dort ruhte, und bevor ich den Mund aufmachen konnte, legte sie mir einen Finger auf die Lippen und hieß mich still zu sein. “Ich habe Dir heute das Leben gerettet, Imperator. Dafür schuldest Du mir etwas und ich gedenke darauf zurück zu kommen... auf die eine oder andere Weise.“ Ihr Blick veränderte sich, wurde ernst. “Doch sei nie wieder so nachlässig in Bezug auf Deine Sicherheit. Rufe mich, wenn Du einen Beschützer brauchst. Geh jedoch niemals, niemals wieder allein. Du riskierst Dein Leben und beraubtest uns fast der Führung unseres Landes. Versprich es mir. Tu es mir zu Liebe! Rufe nach Sajah.“, sprach sie schnell und eindringlich.

Ich nickte, und hatte das Gefühl, mein Herz wäre stehengeblieben und ich würde sogleich den Tod des Erkennens sterben. Suchend glitt mein Blick über ihr Gesicht, als sie sprach und ich nickte abermals. Sie hatte Recht, ich war töricht gewesen und ich hatte einen unverzeihlichen Fehler gemacht. Einen Fehler, der mich selbst und viele Unschuldige das Leben hätte kosten können. Mit meiner Reaktion zufrieden kehrte das Grinsen wieder auf ihr Gesicht zurück, während sie sich drehte, mir einen Klapser auf den Hintern gab und dann mit einem überaus weiblichen Lachen wie durch Magie im Dunkeln der Nacht verschwand.

Der Imperator hatte eine Lektion gelernt und der kleine Junge in ihm rieb sich nun unbewusst die Stelle seines Allerwertesten, welches sie berührt hatte. Ja, diese Nacht hatte einiges auf den Kopf gestellt und mein Leben durcheinander gewirbelt. Sicherlich anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Aber einer Sache war ich mir mehr als deutlich bewusst: Ich war verliebt. Mit einem Grinsen auf den Lippen begab ich mich durch den Geheimgang zurück in den Palast und zurück in mein Leben. Doch dieser Ausreißer würde sicherlich nicht der letzte dieser Art gewesen sein. Sajah würde mir dabei behilflich sein, mich erwachsen dem Leben zu stellen und ein guter Herrscher Roms und seiner Lande zu werden.

Zuallererst würde ich sämtliche dunklen Gassen erleuchten und ein Ädikt erlassen, welches alle Frauen Roms dazu zwang derartige Lederhosen zu tragen. Das Leben war wirklich wundervoll, wenn man der Imperator war.
In the end, all things betray you.
Honor. Ideals. Heroism.
Allies. Comrades. Lovers.
Your eyes. Your limbs. Your heart.
And in the end, you betray yourself.
And that is the greatest betrayal of all.


[Bild: otta.jpg]
10.06.2010, 20:31