Beitrag #1
Drachenseele
Müde. So konnte man den Zustand nennen, in dem sich die Königin der Drachen befand. Einfach nur müde. In ihrem Inneren ruhte die Seele, die man ihr anvertraut hatte. Der mächtige Drache, der sich von dieser Welt gelöst hatte, körperlich zu den Ahnen entstiegen war, hatte seinen Seelensplitter der jungen Königin zu Drachensturm anvertraut. Sie war erwacht und spürte die Gegenwart, die Macht des Untiers in ihrer Brust und wusste, dass einige Gefühle nicht die Ihren waren. Sie hatte Bilder von wilden Schlachten, die sie Nacht für Nacht in den Träumen verfolgten. Freunde rangen mit Freunden, Schwerter die sich im Hasse trafen und Väter die gegen die Söhne zogen. Funkenregen, Tücher im Blute getränkt und Kinder die um ihre Eltern weinten. All diese Bilder quälten nun seit Wochen die junge Frau im Schlaf und sie war sich sicher, dass diese Bilder nicht ihren Erinnerungen entsprangen.
Sie blickte in den Himmel, erkannte die Wolken und lächelte stumm in sich hinein. Wenn sie sich doch nur hier hinlegen könnte, das Leben, die Aufgaben um sich herum einfach vergessen könnte. Eine Nacht zu schlafen, ohne Bilder, ohne Angst ohne die Tränen am Morgen. Sie spürte den Verlust, fühlte die Angst der Menschen und doch war sie nur stumme Betrachterin. Es machte ihr zu schaffen, dass sie all dies fühlte, diese Momente so lebendig schienen und sie in Regungslosigkeit gefangen schien. Hätte sie ein Schwert, würde sie kämpfen, das Übel besiegen und endlich wieder das Leben geniessen können. Aber in ihren Träumen war sie ohnmächtig. Sie konnte sich nicht rühren, keinen Schlag ausführen und niemandem helfen.
Auch der Drache in ihr, spürte die Qualen, die er der jungen Frau auferlegt hatte. So wollte er sie nicht quälen. Er wollte ihr keine schlaflosen Nächte bringen, doch nur in der Nacht konnte er sie erreichen. Sie sah seine Geschichte als Gefangene zwischen den Welten. Nie würde sie eingreifen können, da der weltliche Körper sie hielt und es war gut, dass sie hier war. Dann würde auch er noch hier verweilen können und ihr Leben mit ihr teilen. Es sollte nicht so laufen, wie es lief. Er wollte ihr seine Stärke zukommen lassen und sie sollte dieses Geschenk einfach nur annehmen. Doch mit dem Öffnen beider Seelen, waren sie verschmolzen, hatten sich einander geschenkt und lebten nun im Anderen fort. Seine Erinnerungen schmerzten die junge Frau, wie ihre Erinnerungen beiden die Freude brachte. Wenn ich sie nur halten könnte, ihr einen traumlosen Schlaf schicken könnte, ich würde es tun!
drakonia lächelte mild. Müde. Ja sie war müde und sie wollte die Bilder abstreifen und sich dem Schlaf hingeben, der Nacht, dem Leben. Sie spürte das Stechen in der Brust und die Tränen rannen ihre Wangen hinab. Einfach nur einschlafen. Jetzt und Hier. Keine Bilder. Kein Tod. Keine unbekannten Gesichter mehr! Sie hatte sich entschieden. Sie wollte die Verschmelzung komplett machen, wollte beenden, was der Drache vor Wochen abgebrochen hatte. Das Ritual war unerfüllt und in ihr brannten die Erinnerungen. Mit einer stumpfen Klinge hatte sie die Zeichnung nachgemalt, die Worte gesprochen und so den Kreis geschlossen. Der Seelengefährte hatte damals die Verbindung unterbrochen, aus Angst dem Körper der Frau zu schaden. drakonia hatte seitdem an Stärke und Kraft gewonnen. Sie sah sich selbst im Stande das Ritual zu vervollstädigen, die Schritte zu laufen, die notwendig waren um endlich wieder den Schlaf zu finden.
Der Schmerz in ihrer Seele ließ die junge Frau zusammenbrechen. Die Hitze schien sie zu verbrennen und ein stummer Schrei entwich ihren Lippen. Ihre Augen waren weit geöffnet, starrten in den Himmel, der seine Schönheit nicht verlor. Der Drachenkopf erhob sich und sein Blick lag tadelnd auf dem Körper der Frau, der von Schmerzen gepeinigt und sich nun nicht mehr wehrte. Sein Geist konnte nun vollständig in ihren tauchen und das Ritual konnte vollendet werden.
Mit einem Aufschrei erwachte die Königin, spürte den Blick auf sich und sah sich um. Keine fremden Gesichter, die ihr im Traum begegnet waren. Kein sinnloses Abschlachten dem sie stumm zu folgen hatte. War es geglückt? Hatte sie das Ritual beendet, oder war sie am Versuch gescheitert? Langsam schloss sie die Augen und hoffte den Drachen in sich zu spüren. Doch es kam kein Zeichen. Trauer erfüllte sie und dann erfühlte sie es. Sie lachte leise auf und umarmte sich einen kurzen Moment selbst. Kicherte und setzte sich wieder auf den Boden. Ich dachte ich hätte dich verloren und du bist näher, als ich es je geahnt habe. Ich bin froh, dich bei mir zu haben, ehrwürdiger Drache. Ich bin dein Gefäß und diene dir! Sie spürte das Brummen und wusste, dass nichts mehr so sein würde, wie früher. Die Schlachten würden intensiver sein, denn sie ahnte, dass ihr Seelenpartner die Schlachten mitfühlen wollte.
Ein Duell, jetzt und hier, das wäre eine Idee, mit der man sofort ertasten konnte, wie stark sie geworden war und sie hatte sich einen Partner schon ausgesucht. Dieser würde spüren, dass die Zeit gekommen war und sich auf den Weg machen um sich mit ihr zu messen. Sie grinste bei dem Gedanken und wusste, dass ihr Gegner das Grinsen spüren konnte. Die Vorfreude auf das Duell breitete sich in der jungen Frau aus, alles war vergessen. Die Müdigkeit besiegt. Die Drachenseele war erwacht und bereit sich zu entfalten.
Sei mindestens genauso ideen- und erfindungsreich in deiner Suche nach innerem Frieden, wie du es auch in der Welt des Wettkampfs und der Neurosen bist.
Die Anzahl unserer Neider bestätigt unsere Fähigkeiten. (Oscar Wilde)
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