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Der letzte Kampf (Awele)
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Der letzte Kampf (Awele)
Der letzte Kampf

Heute zeigte die Sonne ihr wahres Gesicht. Heiß brannte Sie auf die Köpfe der Zuschauer, die sich nicht in den Schatten verkriechen konnten. Trotzdem waren sie in Scharen gekommen, um den Kampf zu sehen. Groß und Klein, Jung und Alt, Arm und Reich. Alle Schichten versammelten sich in der Arena um Tod und Verderben mit eigenen Augen verfolgen zu können. Sie hasste diesen Abschaum. Ergötzen sich an grausamen Toden und hofften nur, dass sie endlich unterlag. Aber den Gefallen würde sie ihnen nicht tun.
Auch Lialin litt unter der Sonne. Trotz ihrer stark sonnengebräunten Haut und ihrem jahrelangen Training, war dieser Tag besonders anstrengend. Der Sand brannte unter den Füßen und die Sonne blendete und ihr Gegner stand immer noch. Zwar keuchend und frustriert, aber er stand noch. Immerhin hatte er sie noch kein Mal getroffen, blutete aber selber aus 2 Wunden, die ihr Dolch ihm zugefügt hatte. Sie waren nicht tödlich, aber sicher schmerzhaft. Beim letzten Mal hatte sie nur knapp seine Leber verfehlt. Der Helm eines Soldaten hatte sie geblendet, und sie einen Moment zögern lassen. Genug um wenige Zentimeter für ihren Gegner wettzumachen und sein Leben zu schonen.
Selber schon total abgekämpft, nahm Lialin nochmal all ihre Kraft zusammen und begann leichtfüßig um ihren Gegner herum zu tänzeln. Er war groß und sehr muskulös, und leicht reizbar. Ihre Art zu Kämpfen verärgerte ihn maßlos. Das nutzte sie aus, sie wartete nur auf den nächsten kopflos geführten Schlag. Seine Sehnen und Adern pulsierten sichtbar, als er sein Kurzschwert fester ergriff und zu einem neuen Angriff auf Lialin ausholte. Mit einem wütenden Schrei aus seinem verzerrten Gesicht, raste das Schwert auf Lialin zu. Der Schlag wäre tödlich, wenn sie jetzt nicht pariert oder ausweicht. In aller letzten Sekunde, mit Unterstützung eines großen Raunens aus der Publikumsmenge, pariert sie den Schlag mit ihrem Hakendolch. Mit einer geschickten Bewegung verkeilt sie das Schwert ihres Gegners. Einiger Kraftaufwand und eine ruckartige Bewegung später, zerbricht letztendlich das Kurzschwert des Hünen. Ein Jubeln und Raunen geht durch die Reihen, während ihr Gegner Hassverzehrt auf sie niederblickt. Ja niederblickt. Immerhin ist Lialin sicher zwei Köpfe kleiner als Ihr Gegner und durchaus schmächtiger, dafür aber umso flinker, wie sie gerade bewiesen hat. Rasend vor Wut stürmt der „Riese“ sein Schild voran auf sie zu. Mit etwas Glück kann Lialin dem vollen Aufprall ausweichen, wird aber trotzdem am Arm getroffen und zur Seite geschleudert. „Du Ratte ich mach dich fertig“, hört sie den Rasenden einige Meter entfernt zornig rufen. Er ist stehen geblieben um umzukehren. Mit großen Schritten läuft er auf die am Bodenliegende zu. Ihr linker Arm schmerzt höllisch, ihren Parierdolch kann sie erstmal vergessen. Verdammt wenn er sich jetzt auf mich wirft ist vorbei. Hoffentlich ist nichts gebrochen denkt, sie während sie sich aufrappelt und ihren Dolch in der rechten Hand fest ergreift. Nochmal wird er das nicht schaffen, diesmal wird sie ihn erledigen. Alle guten Dinge sind drei.
Geschickt weicht sie dem Heranlaufenden aus, bringt sich hinter ihn in Stellung und rammt ihrem Dolch in sein Genick. Knackend bricht es. Die Menge beginnt zu schreien und zu jubeln, ihren Namen rufend, während er Hüne langsam auf dem großen Sandplatz zusammenbricht. Die junge Frau unbeeindruckt von der Menge, sammelt ihre Waffen ein und begibt sich zum Ausgang. Sie ist nicht stolz wieder einen Menschen getötet zu haben. Sie will sich nicht feiern lassen. Die Schmerzen in ihrem Arm lassen langsam wieder nach. Doch nun merkt sie, ihren Durst und die Erschöpfung, die sich in ihrem Körper breit macht. So heiß war es seit Jahren nicht mehr.

In jener Nacht lag Lialin wach in ihrem Bett, eigentlich sollte sie schlafen, Morgen war ein wichtiger Tag, aber sie hatte Angst. Angst vor dem was passiert, wenn sie gewinnen würde. Seid ihrem 7. Lebensjahr war sie hier. Anfangs machte sie Aufgaben der Dienersklaven. Putzen, Wäsche waschen, den Gladiatoren Speis und Trank bringen, Verbände wechseln, Waffen und Rüstungen pflegen. Halt alles was in der Gladiatorenschule anfiel. Vorher genoss sie das Leben einer verwöhnten Händlertochter. Sie hatte alles, und brauchte nichts tun. Bis sie auf einer Überfahrt in die Hände von Piraten fielen. Die Idee eine Frau auszubilden kam dem Herrn wohl nur zufällig. Das Leben als Dienersklavin war hart, aber die Ausbildung zur Gladiatorin umso härter. Keiner nahm Rücksicht, keiner schätzte sie. Die Trainingsjahre waren die schlimmsten. Erst als sie jeder Erwartung entgegen die ersten Kämpfe in der Arena überlebte, begann ihr Ansehen zu steigen. Und nun stand sie vor ihrem letzten Kampf in der Arena als Sklavin. Sie konnte danach weitermachen, sie konnte aber auch fort gehen und ein Leben als freie Frau genießen. Und genau davor hatte sie Angst. Wenn sie nicht weiterkämpfen würde, hätte sie kein Geld. Sie würde also noch länger in der Arena gefangen sein. Ihre ganzen Freunde, und Vertrauten würde sie nur in der Arena wiedersehen. Sie wäre allein. Sie war einfach nicht vorbereitet auf ein Leben nach der Arena. „Was soll ich nur machen“, flüstert sie immer wieder in den Raum, während sie endgültig einschläft.

Dieses Mal war es noch heißer, und die Arena noch voller. Alle wollten sehen ob Lialin heute gewinnt um in die Freiheit zu gehen oder erstmalig besiegt wird. Heute hatte sie eine Gegnerin. Das kam selten vor. Sie genoss wie Lialin ein hohes Ansehen und hatte bisher noch nie unterlegen. Igraine kämpfte mit Speer und Netz. Daher konnte Lialin heute nicht mit Dolch und Parierdolch gegen sie antreten. Sie entschied sich für den Kettenstab um wie ihre Gegnerin eine hohe Distanzklasse zu haben. An der Seite trug sie trotzdem ihren Dolch. Nur das Netz machte ihr Sorgen. Sie musste ihm unbedingt ausweichen. Oft hatte sie schon Gladiatoren in Netzen grausam zu Tode gehen sehen. Und so wollte sie auf keinen Fall enden. Entschlossen nicht durch Igraine‘s Hand zu sterben betrat Lialin mit dem Jubeln der Menge den Platz. Nach wenigen Schritten brannten Ihre Füße. Die Sonne strahlte brutal auf ihr Haupt. Es musste schnell gehen, bevor die Sonne ihre Arbeit tat. Auch Igraine betrat den Platz, ebenfalls wild entschlossen. „Möge die Bessere Gewinnen, ein Kampf bis aufs Dritte Blut“, rief der Kaiser und der Kampf begann.
Igraine war hübscher und etwas größer und muskulöser als Lialin, aber von Äußerlichkeiten hatte Lialin sich noch nie beeindrucken lassen. „Na, du glaubst doch nicht wirklich das hier zu überleben“, zog Igraine Lialin auf und attackierte sie sofort mit ihrem Speer. Etwas überrumpelt weicht Lialin aus. So ist das also, denkt sie und ist wieder voll da. Immer ein Auge wachsam auf das Netz gerichtet, beginnt sie ihren Stab zu drehen um die Enden auf Geschwindigkeit zubringen. Mir drei Raschen Schritten überwindet sie den Speer ihrer Gegnerin und attackiert diese mit ihrem Stab. „Verflucht“, mit einem Satz springt Igraine aus Lialin’s Reichweite und wirft das Netz nach ihr. Lialin die mit dem Angriff gerechnet hatte, versucht dem Netz auszuweichen. Knapp verfehlt das Netz ihr Bein und fällt laut auf den Boden. Die Menge stöhnt vor Enttäuschung. Lilian kann sich ein Grinsen nicht verkneifen. Doch schon dieser Kurze Kampf hat sie sichtlich erschöpft. Das Wetter ist nicht fürs Kämpfen. Sie würde dem Publikum heute keine große Show bieten. Sie wollte es einfach beenden. Igraine die ebenfalls schon abgekämpft war, stürmt den Speer voran auf Lialin zu. „Zeit zu sterben“, brüllt sie. „Ja du hast Recht“, mit diesen Worten zieht Lialin ihren Dolch und schleudert ihn Igraine entgegen. Diese war nicht mehr in der Lage auszuweichen und unter lauten Schmerzensschreien erkennt sie den Dolch der in ihrem rechten Auge sitzt. Mit letzter Kraft weicht Lialin dem herankommenden Speer aus, springt auf Igraine zu und stößt ihr den Dolch mit einem kräftigen Ellenbogenhieb bis zum Anschlag ins Auge. Noch versuchend etwas zu sagen, sinkt Igraine zu Boden. Die Menge ist am Rasen. Immer lauter wird Lialin’s Name gerufen.
Doch diese kniet in der Arena und weint. Verzweifelt über die Tode die sie gebracht hat, verzweifelt über die Ungewissheit über das was kommen mag. „Lialin, Lialin“. Immer noch brüllt die Menge. Die ersten Menschen kommen aus den Ausgängen der Arena auf sie zugelaufen. Wollen sie beglückwünschen, auf Händen tragen.
Mit Tränen in den Augen, nimmt sie ihren Dolch und stößt ihn sich ins Herz. „Jetzt bin ich frei“, murmelt sie noch, während sie auf den Rücken sinkt. Einen letzten Atemzug haucht Lialin noch aus, die Tränen auf ihren Wangen sind schon getrocknet. Es ist ein sehr heißer Tag.
Wenn du beschlossen hast, den Weg bis zu Ende zu gehen, dann geh allein.
Und verlange von niemanden, dich zu begleiten.

Sergej Lukianenko - Wächter der Nacht
06.05.2009, 05:29
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