Beitrag #3
Die lodernde Flamme der entzündeten Fackel flackerte und ab und zu stoben einzelne Funken davon. Eine mysteriöse Stille legte sich wie ein unsichtbarer Vorhang über die lautlose Kammer, in der sich Crowe auf sein zweites Duell vorbereitete. Die beißende staubige Luft in den Kellergewölben des Kolosseums strömte dem Samniten in die Nase. Eine Aura von ungreifbarer Anspannung verdunkelten die Züge seines markanten Gesichts. Crowe lächelte selbstgefällig und strich sich vereinzelte pechschwarze Haarsträhnen aus dem Gesicht, die wie ein Magnet an seiner Stirn haften blieben. Ein bleicher Glanz umgab seine Katana, die Crowe in den wettergegerbten und durch Narben gezeichneten Händen hielt. Die Schmach des letzten Kampfs hatte der Dreckschmierer verdrängt, aber nicht vergessen. Auch wenn er sich nur an wenige Einzelheiten erinnerte, verbarg sich das rachlüsterne Gefühl weiterhin in ihm und brodelte. Und heute, etliche Jahre nach jenem enttäuschenden Kampf gegen den Nordmann Danton, würde er zum ersten Mal wieder den Staub der Arena in seinen Lungenflügeln spüren. Endlich würde er wieder den süßlichen Duft getrockneten Bluts einatmen und dadurch Kraft schöpfen auch künftig aller Welt mit Angeberei, Egozentrik und Narzissmus zu begegnen. Bei Thaleia, er war schließlich Crowe, der Samnit!
Auch wenn die Tatsache, dass ein alter Freund von ihm sein Gegner sein war, seine Euphorie ein wenig schmälerte, war Crowe frohen Mutes. Gemächlich schnürte er sich die Sandalen zu, denn die anderen Rüstteile waren schon angelegt und vereinten sich mit dem Dreckschmierer zu einem Gesamtkunstwerk. Sein Markenzeichen, die Bärenfelle, schienen fest verankert in der Bronzerüstung. Ein zerknautschtes weißes Leinenhemd bildete den Kontrast zu den alten Armschonern, die in verschiedenen Brauntönen schimmerten und mit reißfesten Bändern am Handgelenk zugeschnürt waren. Mit einem prüfenden Blick beäugte er den Handschuh an seiner rechten Hand, der einst mit dem pulsierenden Blute Dantons getränkt wurde, und klopfte kurz gegen die befestigten stützenden Nieten. Seine blauen Pupillen funkelten hervor und wurden durch zwei Dreckstreifen unter den Augen, die wohl eine Art Kriegsbemalung darstellen sollten, unterstrichen. Crowe stampfte schnellen Schrittes zu einer hölzernen Bank in der hinteren Ecke der Kammer, nahm von dort einen weißen Mantel auf, und hüllte sich in das weiße Gewand. Wenn er diese weiße Robe sonst trug, übte er sein Amt als erster Jarl der Otta aus – meist schlichtete Crowe, kürzlich von seinem Hetmann zum Friedensrichter und Hüter der Wissens ernannt, nur die Auseinandersetzungen der Thorwaler, die er selbst angezettelt hatte. Und eben dieser Hetmann, Kjaskar Swafnildson, war heute sein Gegner. Mit dem alten Läusebart, wie ihn ein gewisser Söldner bisweilen nannte, spielte der Samnit schon seit Längerem in der legendären Imman-Auswahl Hacketau Knochenbrecher Seite an Seite und am heutigen Tage waren sie erbitterte Widersacher.
Eventuell war es ein schlechtes Omen, dass sich Crowe für sein zweites Duell noch so einen gewaltigen Hünen aufgehalst hatte. Longsdar Jasnuldson, ein junger Thorwaler, der dem Dreckschmierer bei großen Taten treu zur Seite stand und seinem betrügerischen Lehrmeister nacheiferte, hatte die letzten Kämpfe Kjaskars immer mitverfolgt, um seine Schwächen aufzudecken – und der Samnit mit der flinken Zunge wusste sie auszunutzen, so hoffte er. Crowe würde nicht den selben Fehler begehen wie bei Danton, dem alten Nordmann, er würde sich nicht gleich zu Beginn verausgaben. Damals kämpften die beiden Kontrahenten am Ende nur noch mit ihren blanken Fäusten, bis das unabhängige Schiedsrichter-Trio den offenen Schlagabtausch abbrach und zu Gunsten Dantons wertete. Konzentriert kratzte sich Crowe der Samnit am Kinnbart und sein Antlitz ähnelte einer Angst verschleiernden Maske. Undeutlich war ein unruhiges Raunen von den Zuschauertribünen zu hören, so laut, dass es selbst in diese abgeschotteten Gefilde eindrang. Ein nicht allzu gewaltiges mit weißen Mustern verziertes Bronzeschild lag für den Samniten bereit, damit es ihn nicht in seiner Schnelligkeit behinderte oder gar hemmte. Als letztes nestelte er zur Kontrolle in einer verborgenen Tasche in seinem Leinenhemd, um eine kleine mit Wasser gefüllte Feldflasche und einen kleinen Dolch hervorzuziehen. Er nahm einen Schluck und steckte die Utensilien wieder ein, bevor er zu einem kleinen Gitter schritt, durch das er den Horizont erblicken konnte – Wolken schoben sich provokant vor die Sonne.
Ein Grinsen umspielte seine Lippen, während er sich zischend selbst zu hauchte: „....Regen und Sand vereint zu Dreck....der Untergrund, auf dem Sieger geboren werden ...“ Das triumphierende Grinsen verwandelte sich in einen melancholischen Blick – der Dreckschmierer eben noch lasziv flüsternd verdrängte jetzt seine Gedanken und verließ langsam die Katakomben des Kolosseums. Während Crowe sich auf zur Duellstätte machte, spaltete er auf dem langen Fußmarsch den Holzgriff jeder Fackel, die sich dem heiligsten aller Dreckschmierer in den Weg zu stellen wagte und nach Auslöschung der Flamme trachtete, so dass die Fackeln zu Boden schepperten, erloschen, und die Dunkelheit der Kellergewölbe noch verstärkten. Man konnte mittlerweile nicht mal mehr die Hand vor Augen sehen. Kjaskar würde wie ein blindes Huhn durch die Korridore irren oder zumindest eine Weile brauchen, bis er sich an das helle Sonnenlicht der Arena gewöhnen würde.
Lauter Jubel brandete auf, als Crowe mit erhobenem stolzem Haupt in die Arena einmarschierte und gebieterisch die Arme in die Luft erhob. Er war eine Berühmtheit in Rom und das würde ihm bei dem begeisterungsfähigen Publikum sicherlich Auftrieb geben, auch wenn Kjaskar schon mehr Duelle ausgetragen hatte als jeder andere Recke und als unbezwingbar galt. Die Bärenfelle, welche seine Schultern wie ein Gemälde verzierten, flappten stolz im rauschenden Wind, der närrisch an Crowe’s weißer Robe zupfte. Der Samnit schritt in Richtung Schiedsrichter-Trio, begrüßte sie routiniert und wand sich dann wieder der tosenden Menge zu. „Am heutigen Tage wird euch der einzigartige Dreckschmierer mit einem glorreichen Kampf erfreuen. Möge Thaleia mir hold sein und eine weitere Komödie inszenieren, das Wohl! “, brüllte der Samnit mit strahlenden Augen. Unverhohlen grinsend harrte Crowe den Dingen, die da nun kommen mögen. Bei Odovacar, der Kampf konnte beginnen. Mit wehendem Haupthaar machte der Samnit ein paar Schritte auf Longsdar zu und ließ sich von ihm den weißen Umhang abnehmen. Um sich Aufzuwärmen machte der Samnit einige Luftschläge mit der Katana und wartete auf Kjaskar, der seine eingeölte Brust bestimmt einmal mehr für einen Sonnenbrand aufs Spiel setzte.
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