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Das Lied des Hüters
Anonymous

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Das Lied des Hüters
Das Lied des Hüters

Eine alte Erzählung über einen der kleineren, unbekannteren, aber nicht unbedeutenderen Helden.




Der Frühling hat die alten Erinnerungen geweckt und voller Pracht erblühen die jungen Blumen. In lodernde, flammende Farben färbt sich das Gewölk während der göttliche Wanderer am Horizont wiedergeboren wird und der jugendhafte Tag begrüßt wird vom Zwitschern der Vögel, das sich sanft verbindet mit der Melodie, gespielt vom Winde auf den Ästen der Bäume, wie der Barde auf seiner Harfe, und sich erhebt zu einer glorreichen Weise. In den grünen Gefilden, dem Wald steigt noch der morgendliche nebel vom Boden und der Tau hängt an den Blättern, scheint wie ein edler Schatz, so bringen ihn die erwachenden Strahlen der Sonne zum glänzen und funkelnd.
Ein kleiner Weg schlängelt sich durch die Landschaft, dem dichten Wald und nur ist zu hören der leise Hufschlag eines einsamen Reiters. Ein junger Mann, das Haar weht ihm wild über die Schultern beschreitet den Weg, atmet tief den Duft der Kiefern und der Erde ein. Eärolhim hatte man ihn genannt, Sohn des Halgards, der sich nun aufgemacht hatte um den nördlich des Waldes lebenden Freunden in einer Fehde beizustehen. Einer der Friesen hatte seine Schafe über den Fluss auf das Land der Ampsivarier getrieben und somit den Zorn des Bernhelms entfacht, Adeliger seines Stammes und Besitzer der Weide.
Eärolhim verstand nicht warum man dies nicht in einem fairen Zweikampf regelte, warum nur musste es wieder zu einer Fehde kommen? Manchmal waren seine Freunde wirklich Dickköpfig und doch freute er sich auf den Kampf in dem die Götter hoffentlich ihnen ihre Gunst schenken würden.
Plötzlich fiel dem jungen Germanen ein kleines windschiefes Gebäude am Wegesrand auf. Es war im hiesigen Baustil erbaut, von einem kleinen Zaun und anderen Gebäuden umringt in denen wohl das tägliche Leben stattfand. Es war ein Hof, der wohl die vielen reisenden aufnahm und im Moment genau das richtige für den ruhelosen Wanderer welcher sich nun mit der Eleganz eines Hirsches aus dem Sattelschwang und sich der Taverne näherte.
Ein Knecht schlenderte schlurfend um das Gebäude herum und wirkte etwas erstaunt als er den Blick hob, so früh am Morgen schon einen Gast erblickend. Dennoch hob er die rechte Hand zum Gruße, während der junge Krieger es ihm gleich tat, die tiefe Stimme durch die Luft rollte und wohl das große Selbstvertrauen untermauerte: „Odin zum Gruße, ich bin Eärolhim, Sohn des Halgards und bitte doch um ein wenig Ruhe.“ –„Nun, ich bin Helfalas, Sohn des Siegfried und einfacher Knecht. Geht nur hinein, ich kümmere mich um Euer Ross.“, tönte die unterwürfige Stimme des Fremden, der nun die Zügel des Tieres ergriff und wieder hinter dem Haus verschwand. Wohl war er nichts aus dieser Gegend, vielleicht sogar ein unfreier und Geschenk.
Schulterzuckend schaute der Recke ihm hinterher ehe er die Tür des Gasthauses und über die Schwelle trat. Dumpf hallten die Schritte seiner Stiefel von dem mit Binsen bedeckten Lehmboden wieder während der Blick seiner blitzend blauen Augen über die massiven Eichentische glitt. Es war eine einfache Einrichtung, hin und wieder erhellt durch Jagdtrophäen, Gemälden oder kunstvoll geschnitzten Drachenköpfen. Das Auge blieb hängen an einer seltsam anmutenden Gestalt. Inmitten einer rauchigen Wolke saß ein Mann, der selbst Eärolhim wohl um Haupteslänge überragte, das alte Gesicht übersät mit Narben, tiefen Furchen und Tätowierungen. Nur die Augen, so hell und blau wie das kälteste Eis, ruhten mit einem beinahe jugendlichen Schimmer inmitten dieses Bildnisses der Zeit. Die verschiedensten Fälle lagen über die Schultern des alten Nordmannes, geflochten war sein Bart zu gekonnten Knoten, ebenso wie das Haar welches mittlerweile seine ährengoldene Farbe verloren hatte, weiß war es nun wie die Spinnennetze an denen morgens die Tauperlen hingen.
Obwohl der Abkömmling Halgards ein stürmischer Heißsporn war, durchströmte ihn bewundernder Respekt und fasziniert setzte er sich dem Alten gegenüber, schaute in sein Gesicht und senkte doch letzten Endes seinen forsch musternden Blick. Geduldig zog der Hüne stattdessen an seiner Pfeife, schwieg und versank in murmelndes Grübeln ehe er schließlich mit seiner rauen, wohlklingenden Stimme folgende Frage stellte: „Was wünscht ein so junger Krieger von einem alten Mann wie mir, der bisher nicht das Glück hatte auf dem Schlachtfeld zu sterben und von den Walküren nach Walhalla getragen zu werden?“ Der Angesprochene war vielleicht sehr hitzköpfig, aber er hatte Respekt und hob sein Gesicht um mit seiner tiefen Stimme zu antworten: „Nun, Ihr seht wie ein erfahrener Krieger aus. Ich bin unterwegs um meinen Brüdern in einer Stammesfehde zur Seite zu stehen. Die Friesen haben wieder ihr Vieh auf die Felder der Ampsivarier getrieben.“
Der Alte hörte zu wobei sich auf seinen faltigen Zügen ein breites grinsen bildete, welches schließlich in einem lautstarken Lachen endete. Belustigt klopfte er mit der Faust auf den Tisch und blickte den verwirrten Eärolhim an, der alsbald eine Antwort bekam. „Eine Fehde wegen solch einer Sache. Nun, es mag so recht sein, da der andere Stamm vorher nicht auf Warnungen reagierte, aber vergebt einem alten Streiter. Ich habe auf solch großen Schlachtfeldern um die Gunst der Götter gerungen, dass mir das wie eine Kleinigkeit vorkommt. Doch ich wünsche Euch alles Gute und wenn Ihr mögt erzähle ich, wie es war für Odin in die Schlacht zu gehen. Man nennt mich übrigens Hardor, Sohn des Wulfgars.“, so endete die raue Stimme des alten Reckens und von der Neugier gepackt nannte der junge Krieger seinen Namen und nickte eifrig. Ein letztes Mal noch zog er an seiner Pfeife, zauberte eine Dunstwolke in die morgendlichen Strahlen und hob an zu erzählen. Die Worte drangen in das Gehör Eärolhims, schlichen sich in seine Gedanken und ließen die Geschichte in mannigfaltigen Bildern aufleben.

Geschnitzte Balken ragten wie Säulen in die Höhe und trugen das Leinendach des Feldherrnzeltes. Große Felle kleideten die Wände aus und ein großes Kohlebecken wärmte die Männer, welche um eine Karte herumsaßen und sich über die weiteren Schritte im Krieg gegen den Süden besprachen. Schon seit vielen Jahren hatte man sich alleine und vergebens gegen die römischen Invasoren gestellt, abgesehen von einzelnen Schlachten allerdings vergebens. Obwohl es einigen Stämmen schon gelungen war hatte es niemand mehr geschafft in Rom einzufallen, ob es einfach nicht ging oder ob niemand mehr den Mut hatte, eine schwierige Frage. Nun saßen sie dort, berieten sich, Thorsten, Führer der Helevtier, Christian, ein bekehrter Germane und jetziger Berater Thorstens und zu guter letzt Jörnhelm, Sprecher der Germanen. Sie hatten ihre Heere vereint und zogen nun offen gegen den Feind während sich die Kelten aus dem Osten über die Alpen schlichen um das römische Reich zu überfallen. Es war ein genialer Feldzug, erdacht von Thorsten und Christian, die auch alle anderen davon überzeugt hatten sich gegen die Großmacht zu stellen. Einzeln waren die Stämme schwach, aber sie alle zusammen würden die Südländer einfach überrennen und zermalmen als wären sie nur Korn zwischen den Mühlsteinen.
Sogar Schamanen begleiteten den Zug, eine Tatsache, die Christian nur mit einem Murren zuließ aber nun gut. Auch er hegte Zweifel daran, dass der einzige Gott, der doch von Frieden redete hilfreich in der Schlacht wäre. Die Götter würden ihnen die Gunst schenken, welche mit dem Blut des Gegners erkauft wurde.
Schließlich endete die Unterredung und der eigentliche Christ verließ das Zelt. Es war ein kühler Tag und dichte Nebelschwaden schienen wie Laken, die von einem Baum zum anderen gespannt waren. Zahlreiche Feuer brannten zwischen den Riesen, den Säulen dieser grünen Gefilde und tauchten das weiß in ein seltsames Licht. Man könnte meinen, dass es speiende Drachen wären oder eben jenes Feenvolk, von dem sich besonders die Inselbewohner im Norden erzählten. Es verkörperte den Geist der düsteren Wälder und ein mulmiges Gefühl beschlich Christian bei dem Gedanken an eine Schlacht hier. Ob der christliche Glaube wirklich so stark war ihn vor bösen Geistern zu bewahren, die ihn hinabreißen würden in ihre Höhlen? Zu den Gedanken mischte sich noch das ferne Singen und Trommeln der Schamanen. So bemerkte der Grübelnde nicht wie er sich weiter und weiter vom Lager entfernte als plötzlich eine bekannte, grollende Stimme die Stille durchbrach, gefolgt von knackenden Ästen. „He Hardor oder Christian, wie du sich seit neustem nennst. Willst du alleine mit deinem Gott sein oder warum entfernst du dich soweit vom Lager.“, sprach der Einäugige, welcher sich nun vor dem Größeren aufbaute. Sein Gesicht war bemalt mit dem Blut eines geschlachteten Tieres und behangen war er mit einem Bärenfell, dessen ehemalige Kopfhaut über seinen eigenen Schädel gestülpt war. Sein Bart war gekonnt geflochten und nur eine einzige Bartaxt trug er als Waffe. Er war ein Berserker, Krieger Odins und ehemaliger Gefährte Christians. Dieser gehörte einst selbst zu diesen Männern, die in der Schlacht von der Wut gepackt wurden, doch hatte ihm der Missionar erzählt, dass es nicht recht sei sich solchen Sitten hinzugeben. Nun bedachte er den Mann mit einem ernsten Blick seiner eisblauen Augen, die sich regelrecht in den Kopf des Gegenübers zu bohren schienen. Eine ganze Weile stand er so auf diese Weise da, ehe der Berserker murrend sein Haupt senkte und somit ein zufriedenes Lächeln um die Lippen des Überläufers zauberte, der nun ebenfalls das Wort ergriff: „Nun, vielleicht ist es so und wenn auch. Ich habe keine Angst und obwohl ich den Göttern entsagte bin ich nicht schwächer geworden oder möchtest du es ausprobieren, Wulfgar?“- „Nun, ich mag vielleicht stur sein und schlage nie solche ein Angebot aus, aber ich muss meine Kräfte für die kommende Schlacht sparen. Danach werde ich auf die Frage zurückkommen.“, brummte der alte Haudegen und ging zurück mit seinem Kumpan zurück zum Lager.

Früh am nächsten Morgen, die Sonne war noch nicht aus ihrem Schlummer erwacht, ließ der Feldherr Thorsten die Leute ein letztes Mal ruhen und etwas mehr Proviant als sonst austeilen. Nur ein Krieger mit vollem Magen konnte kämpfen und gerade nach einer kalten Nacht war es wichtig die Männer bei Laune zu halten. Christian widmete sich seinen Gebeten, die Schamanen sangen ihre Beschwörungen und Jörnhelm blickte gelassen umher. Von allen trug er wohl das größte Schwert und auch seine eiserne Rüstung war mit düsteren Dornen und Gravuren versehen, während der Helm seine Gesichtszüge verdeckte und ihn erscheinen ließ wie einen Dämon, der geradewegs erschienen war um jedem Sterblichen das Fürchten zu lehren. Er wirkte kräftiger als der Führer dieses Zuges, jedoch fehlte ihm die entscheidende Fähigkeit in der Schlacht den Überblick zu behalten und seine Leute richtig zu behandeln. Er war ein Schinder sondergleichen und galt in den Augen Thorsten eher als Gallionsfigur, Prunkbanner der Fußsoldaten. Noch einen Moment betrachtete der Mann den gerüsteten ehe er sein Horn zur Hand nahm, kräftig hineinblies und der Ton sich schallend entfaltete. Vögel wurden aufgeschreckt und sogleich antworteten strenge Stimmen und das Lager begann sich wie ein aufgescheuchter Ameisenschwarm zu bewegen. Der Helvetier schulterte sein Horn und schritt mit zuversichtlicher Miene durch das Lager, zog die Blicke all der Tapferen auf sich die in ihn wohl einen Halbgott sehen mochten. Die Ängstlichen, sie würden einen Halt finden, die Mutigen, sie würden noch mehr Ehrgeiz entwickeln und sich mit dem abfinden, was nun auf sie alle wartete.
Langsam, aber stetigen setzen sich die Menschenmaßen in Bewegung und an der Sitze ritten die besten unter ihnen auf Pferden, ihre Rüstungen schillerten in den ersten Lichtstrahlen des Tages und schienen in ihrer Schönheit einen starken Kontrast zu dem blutigen Kriegswerkzeug zu bilden, den Schwertern, den Äxten und gar anderen schweren Waffen.

So vergingen die Stunden und schon lugte die Sonne ein wenig über den Horizont hervor, durchbrach aber nicht die Äste der dichten Wälder und den Schleier des Nebels, welcher danach trachtete dem ewigen Himmelswanderer das blutge Bild zu ersparen. Noch blieben die Männer des Nordens verborgen, während sich die römischen Kohorten sammelten und mit ihren Schilden und Speeren eine undurchdringliche Phalanx bildeten. Beinahe fremd muteten die Verzierungen auf ihren Harnischen an und unpassend die roten Mäntel der Feldheeren und Elitekrieger auf der rechten Flanke. Stumm warteten sie, mit der Gewissheit, dass es bisher kein Volk geschafft hatte das Imperium völlig niederzuringen, jedes Mal hatte es sich gefangen und nun standen sie dort, erfahrene Männer, die die Tapferkeit und Tüchtigkeit schätzen, ihn ihnen dennoch nicht mehr sahen als einfache Barbaren. Dann erscholl auch schon das erstickte Trommeln, kündigte das Kommen des anderen Heeres ebenso an wie der laute Gesang der Schamanan, wie er sich nur mit Mühe durch die Nebeldecke zwang und den Morgentau an den grünen Pflanzen zum Zittern brachte. Düster flehten die Stimmen um den Beistand der Götter und die Herzen der wenigen Unerfahrenen schienen wie besessen gegen den Brustkorb zu pochen. Keiner konnte sich dem Eindruck erwehren, dass gerade das Jenseits seine Tore öffnete, denn selbst ein verirrter Kautz begleitete die allgegenwärtige Melodie mit seinem klagenden Ruf, der letzten Endes im tosenden Lärm unterging. Wie eine hungrige Schar von Wölfen ergaben sich die nordischen Truppen über den geebneten Kampfplatz, an vorderster Front, Berserker, die in ihren Pelzen wahrlich wie Tiere wirkten. Der Strom schien kein Ende nehmen zu wollen ehe er doch verebbte und sich eine Reiterschar vor den Barbaren bildete. Nur zu erahnen waren ihre hochgewachsenen Leiber im Nebel und anstatt der Gesichter bleckten ihnen schattige Schwärze entgegen, nur manchmal bleckte unter den Helmen das Antlitz hervor. Dann ohne lange zu fackeln setzten die Maßen sich in Bewegung und der Sturm begann. Selbst die römischen Trompeten übertönten das entschlossene Brüllen der Nordleute nur mit Mühe und wie die brandende Gewalt einer Welle stießen sie gegen die Front aus Schilden, schlugen ihre langen Schwerter in die Reihen bevor die mediterranen Soldaten die Herankommenden mit einem Wurf ihrer Pila behinderten. Einige Gefolgsleute Thorsten fielen, andere wiederrum schmissen ihre getroffenen Schilde einfach weg um sich mit unermesslicher Wut zu rächen. Etliche vielen und doch kam der Angriff nicht zum stocken und alsbald war die Phalanx aufgebrochen, Äxte suchten sich ihren Weg durch die Leiber. Noch hielt das südliche Heer zusammen wie ein unüberwindlicher Wall, aber erbarmungslos waren die groben Schläge der Germanen, Helvetier und anderer Stämme. Besonders die Berserker, die Legionäre um Haupteslängen überragend, wüteten wie Bauern auf dem Kornfeld und ergaben sich selbst dann nicht wenn zwei Spieße in ihrem Körper stakten und der Lebenssaft aus zahlreichen Wunden floss. Zum Schrecken des germanischen Feldherren wurden seine Truppen zurückgedrängt und donnernd hetzte er die eigene Reiterei auf die Flanke des Unbezwingbaren. Ohne zu zögern folgte Christian und preschte sein Tier hinter den anderen geradewegs in die dich stehenden Kämpfer. Viele schon vielen den Hufen der Pferde zum Opfer ehe Schwerter von oben auf ihre Köpfe einschlugen und mindestens ein Dutzend niederstreckte. Noch kämpfte der Christ gegen den alten Trieb, nur siegte letzten Endes doch der Berserkergeist und angestachelt vom metallischen Geruch des Blutes stürzte er sich in die Reihen der Feinde, als sein Reittier durchbohrt gen Boden sackte. Seine Stiefel gaben schmatzende Geräusche von sich, als er durch das Blut der Gefallenen watete und behänd einem kommenden Schlag auswich. Gewiss waren Kurzschwerter in so einem Getümmel praktisch, aber die Barbaren waren doch größer als ihre Widersacher, konnte sich Belagerungstürmen gleich einen Weg bahnen. Dem nächsten wich Christian erneut aus und noch in der Drehung traf das eine seiner zwei Beile den Hals des Römer, dessen Kadaver wie eine Puppe zu Boden stürzte ehe eher Begraben wurde unter der Angreiferflut. Ein ohrenbetäubendes brüllen erklang als dem Bekehrten ein Schwert in die Seite fuhr, die Ringe des Kettenhemdes zerschnitt und tief in das Fleisch drang. Ja, des Todes wäre er gewesen wäre da nicht Wulfgar, der just diesem Moment auftauchte und dem Unhold mit seiner Bartaxt die Hand abschlug. Kaum blieb jenem zeit entgeistert auf die blutsprießenden Wunde zu starren ehe die Klinge ihn so hart am Schädel traf, dass das Eisen seines Helmes mit einem krachenden Geräusch barst und ihn zusammen mit der Waffenschneide zum Gott Orcus schickte. Dankend blickte der verwundete Germane noch in das Gesicht seines Helfers, ehe rötliche Schlieren seine Sicht benebelte. Rasch wandelten sie sich ins Schwarze und kraftlos sackte er zu Boden.

Mühevoll hob Christian seine Augenlider und blinzelte ob des grellen Lichtes, das ihm ins Gesicht schien. Er fühlte sich, als hätte man versucht seine Seele aus dem Körper zu reißen, alles schmerzte und klebrig haftete seine Kleidung an den Wunden. Ob er von den Walküren nach Walhalla gebracht worden war oder hatte ihn doch der eine Gott zu sich gerufen? Mit einem Ächzen erhob der Krieger sich und tastete blind nach einer Stützte als plötzlich eine fremde Hand die seine ergriff und hoch half. Es war eine kleine Hand, die gar nicht so schien als würden ihr große Kräfte innewohnen. Auch war die haut so glatt wie Marmor und ward durchflutet von einer angenehmen Wärme. Umso überraschter war der Mensch, als sich seine Augen an das helle Licht gewöhnten und er in das makellose Antlitz einer Frau blickte. Ihr Haar war von flammendem und umfloss ein Gesicht, das man wohl als streng bezeichnen würde. Es war ein schmales Gesicht, deutlich waren die hohen Wangenknochen ausgeprägt und die Lippen unterstrichen die Respekt gebietende Ausstrahlung. Doch der Blick der grünen Augen, die wie das Meer an einem kalten Tag leuchteten, war beseelt von tiefer Güte und die sanfte Stimme umso bezaubernder, ja, drang wie süßer Honig in sein Ohr und schien den Leib mit belebender Munterkeit zu erfüllen während der Verstand sich doch für ihren Sinn öffnete:„Die Zeit nimmt ihren Lauf, Menschen fallen, Menschen werden erhoben. Euch ist ein anderes Schicksal beschieden.“ Verwirrt musterte der Mann sein Gegenüber und stellte die Frage, die ihm schon die ganze Zeit auf der Zunge lag:„Bin ich tot? Und sie es die Götter die mich aufnehmen oder der eine Gott?“ „Nun, der Glaube, jene Frage wird keinem Sterblichen beantwortet. Doch tot seit Ihr nicht. Der Glanz des Heldentums fällt auf Euch und wir fingen die besagte Seele in einem Traum, wollen sie unterweisen.“, echote es vielfach wieder und mit einem verträumten Blick wand die Frau sich ab während Christian die Umgebung mit einem Mal bewusst wurde. Er befand sich in einem Hain, den der Druiden nicht ganz unähnlich, nur war dieser erfüllt von gleisenden Sonnenstrahlen, die den quirlig sprudelnden Bach in ein Meer aus tausenden funkelnden Diamanten verwandelte. Der süßliche Duft von Frühlingsblumen hing in der Luft und filigrane Säulen ragten in die Höhe, passten sich an den Wald an, als wären sie aus dem Boden hervorgewachsen. Keine Scheu zeigten die Tiere vor der Dame, die bekleidet war mit einem seidigen Stoff und um deren Körper sich Efeupflanzen ranken. Sie schien einem Waldgeist gleich, so unmenschlich, so träumerisch und rätselhaft. Beschwingt folgte der Sterbliche Ihr zu einem Meer aus Farnen. Inmitten der Pflanzen prangte ein Stein, so glatt wie eine Perle, und auf ihm ruhte ein schwarzer Bergkristall. Der Blick der Herrin des Haines nahm wieder etwas Gütiges ein und ruhig griff sie nach dem Kristall und wisperte Worte in einer fremden Sprache woraufhin das Schwarze gleich einer Regenwolke zu weichen schien und die alte Reinheit wieder einkehrte. Halb senkte die Frau ihre Lider und hielt dem Germanen das Stück geduldig hin. Wie in Trance nahm dieser das Geschenk an und lauschte ihrer wohlklingenden während sich sein Blick im Anblick des schimmernden Kristalls, in dem sich das Licht zu einem sprießenden Regenbogen brach:„Schein seit dem Beginn der Zeit gehörte er Euch. Es ist ein Stern, wie sie zu tausenden am Himmelszelt ruhen, fern jeder Hand, die dem Tode gegeben wurde. Euch nun soll ein längeres Leben zu Teil werden, denn die Wälder werden bedroht. Der Wind, er flüstert leise von den Gräueltaten, die Quellen, sie erzählen aufgeregt Geschichten aus den Tiefen. Euch wird nun aufgetragen jene reiche, die verborgen sind unter den Wipfeln der Bäume, zu hüten, denn das Volk des Nordens wird nicht ewig bestehen und uns ist es nicht erlaubt sich einzumischen.“
So endete sie und ein stechender Schmerz durchfuhr plötzlich den Brustkorb Christians, als er die wertvolle Gabe zwischen seinen Kleidern barg. Keuchend sackte er zu Boden und die Pein raubte ihm den Atem, aber warum? Diese Qualen, diese Folter, sie wurden nicht verstanden von des Menschen verstand und flehend streckte er die eine Hand aus, wollte etwas sagen, so vieles Fragen und doch wurde ihm kaum mehr zeit gewährt. Mit gehetztem Blick beobachtete er noch, wie die Herrin dieses Ortes sich niederließ und mit ernster meine zärtlich über sein Gesicht strich, die Augen schloss und er vollends in das Reich der Schwärzte tauchte, die ihn begierig mit ihrer kalten Umarmung begrüßte.

Wie schon zuvor erwachte das Bewusstsein des Kriegers, erst träge und dann immer schneller. Wie Hammerschläge traf der Lärm zur vorherigen Ruhe seine Ohren und ein stechender Schmerz entbrannte bei jedem Atemzug in seiner Brust. Dann mit einem markerschütternden Brüllen riss der ehemalige Berserker seine Augen auf und sprang die Schmerzen ignorierend auf. Nur Bruchteile einer Sekunde benötigte sein verstand um zu begreifen, dass er sich wieder in der Schlacht befand und Dutzenden brachten seine Beile den schnellen Tod. Das eigene Blut war vom fremden nicht mehr zu unterscheiden und einem Racheengel gleich schritt der Erwachte über das blutige Feld. Das Heer der nördlichen Hemisphäre war bis auf einige hunderte, verbissene Kämpfer zusammengeschrumpft, aber beim Anblick des Mannes, den sie unter dem Namen Hardor kannten, keimte neue Hoffnung in ihren Herzen. Wie ein einziges, lebendig gewordenes Wesen fielen sie über die Feinde her und drängten jene erbarmungslos zurück. In ihren Gesichtern brannte der Eiger und angstvoll wichen die Römer vor den Nordmännern zurück, die aus den Nebeln gekommen waren wie Dämonen, die zwischen den Bäumen hausten. Bis zum Ergrauen des nächsten Morgens hielt das Getümmel an bis schließlich die Trompeten zum Rückzug bliesen und der Rest der Germanen und Helvetier glücklich auf die Knie sank. Jeder betete nun zu den Göttern, kaum brachten die heiseren Stimmen ein Wort zu Stande, aber sie taten es innbrünstig und auch der Christ dankte Odin. Seine Entscheidung war gefallen, er würde die Geheimnisse der Wälder hüten und dazu gehörte auch der Glaube an Walhalla. Neben ihm ließen sich zwei weitere Männer niedersinken, die Gesichter waren nicht zu erkennen und doch stahl sich ein Lächeln über die Lippen der Drei. Der Feldheer Thorsten schwieg während sich Wulfgar sich einige Worte abrang:„Ich wusste doch, dass du nicht vollkommen verweichlicht bist. Diese Schlacht war wirklich würdig von den Göttern gesehen zu werden und deine Äxten haben uns zu einem Sieg verholfen. Und die Sache von vorhin vergessen wir einfach. Du weißt schon, ich möchte nicht mehr ausprobieren ob du dich noch verteidigen kannst. Den wahren Germanen macht der Mut aus und mit dem wurdest du reichlich gesegnet.“ Schließlich schwieg er und alle taten es ihm gleich. Drei Tage später kehrten sie in ihre Heimat zurück und von dem Mann, der sich nun wieder Hardor nennt sollen noch viele Sagen und Legenden an den Lagerfeuern erzählt worden sein.

Gebannt starrte Eärolhim in das Gesicht der mit andächtiger Stimme endete, seine Kehle mit einem Schluck aus dem Methorn befeuchtete und sich schließlich neue Kräuter in die Pfeife stopfte. Draußen hatte mittlerweile der bleiche Mond seine Herrschaft angetreten und wenn man hinauf schaute, würde man sich sogleich an den Kristall aus der Geschichte erinnern. Die einen sagten, dass Sterne Löcher im Himmelszelt wären durch die das jenseitige Licht der Götter fielen, auch gab es Geschichten darüber, dass sie einfache Lichter wären oder eben lebendige Wesen. Sie verzauberten die Gedanken der Menschheit seit jeher, erweckten Mythen und Bestrebungen. Heute würde der junge Mann gewiss nicht mehr bei seinen Verbündeten ankommen und so stellte er dem Erzähler der Geschichte mit ungläubiger Stimme eine Frage: „Ihr heißt doch auch Hardor. Ist es gar ein Märchen, dass Ihr mir erzählt oder war jener Hardor ein wirklicher Held?“ Sein gegenüber reagierte erst nicht und betrachtete ihn wie am Anfang ihres Treffens abschätzend ehe seine rauen Lippen eine Antwort formten, die langsam im leeren Schankraum verhallte:„Nun, was Wahrheit ist, was Erfunden ist, darüber muss jeder selbst urteilen und entscheiden. Aber in Eurem stürmischen Gemüt erkenne ich eine geduldige Seite. Bisher war es mir verwehrt im Kampf zu sterben und ich möchte, dass Ihr ein Geschenk annehmt und mich als Gefährten mitnehmt.“ Hardor kramte schließlich zwischen seinen Fällen und zog einen reinen Bergkristall hervor, den er nach eingehender Betrachtung ohne zu Zögern auf den Tisch legte. Lange genug trug er ihn bei sich, viel hatte er im Leben erlebt und es war ein gutes Leben. Nun wollte er ausruhen. Das Licht der glühenden Späne in der Pfeife schien dem Stück ebenso eine lodernde Seele zu verteilen und mit einem Nicken nahm der Angesprochene ihn entgegen. Es war ihm eine Ehre von einem alten Recken etwas zu empfangen und gerne würde er ihn als Gefährten mitnehmen. Eine tüchtige Hand konnten sie jederzeit gebrauchen. So gingen sie schließlich zu Bett um am Morgen zeit aufzubrechen. Den ganzen Weg über schwieg der Alte und der Junge respektierte es, da er wohl ebenso das kommende Ereignis zu spüren schien. Ein Mensch wusste wann es Zeit war zu sterben.
Dann am Abend erhellte ein langer Fackelzug den Weg, der an dem Gasthaus vorbeiführte. Die Amsivarier waren siegreich gewesen und zogen nun wieder zu ihren Familien. Ja, Hardor, das Berserkerblut war ein letztes Mal erwacht und hatte ihn im Glanze unübertroffener Glorie der Welt der Sterblichen, Midgard, entschlummern lassen. Der junge Sohn Halgards schritt inmitten der müden Schar, an der Seite des aufgebahrten, alten Germanen. Als er schließlich seinen Blick gen Himmel wendete erblickte er zwei Schatten, die sich deutlich vom erleuchteten Himmelszelt abhoben, es waren zwei Raben die der Gruppe folgten und in dem Augenblick umschlossen die Finger des jungen Kämpfers den Kristall unter dem Stoff seiner Kleidung. Ein Lächeln zierte kurz seine Mundwinkel und er wusste genau, Hardor, Sohn des Halgards war einer jener Helden gewesen, die in alten Zeiten ihren Ruhm erlangt hatten und nicht viel darauf gaben, dass man ihre Taten bis in alle Ewigkeit weitererzählte. Nein, er hatte gut gelebt. Hugin und Munin, die Späher Odins hatten seine letzte Tat noch beobachtet und wohl trugen die Walküren den Gefallenen nach Walhalla, wo er zusammen mit den Anderen Toten, die für die Götter gekämpft hatten, an langen Tischen saß Met, Braten und Kämpfe im Überfluss genoss. Die Ruhe hatte er sich verdient und das Erbe des Kristalls war nun auf den Amsivarier übergegangen. Am Ende aller Zeiten würden sie sich wiedersehen und dann würde sich entscheiden wer die letzte große Schlacht gewann.
Wie damals bei der Schlacht gegen die Römer drang nun von irgendwoher Schamanengesang her, erfüllte die Brust des jungen Mannes und weckte in ihm die Vorstellung künftiger Zeiten. Es war das Lied der Götter, das Lied des Hüters.
11.05.2007, 18:55