Beitrag #3
Prospero war ziemlich außer Atem, als er endlich am Kolosseum ankam. Er war naiv gewesen zu glauben, dass er in der Lage wäre, dieses bedeutende Bauwerk schnell zu finden. Dabei hätte alles so schnell sein können, jedenfalls hatte er es sich so ausgemalt. Ein Gebäude mit den gewaltigen Ausmaßen, die Logar ihm geschildert hatte, müsste doch jedem, der diese Stadt betrat schon auf den ersten Schritten ins Auge springen.
Doch Rom war keine Stadt, wir Prospero sie kannte. Und die Arena unterschied sich massiv von den mal sumpfigen, mal steinigen Kampfkreisen aus seiner Heimat, wenngleich er sich sicher war, dass sowohl dieses Monument, als auch die Duellplätze große Kämpfe und große Kämpfer gesehen hatten. Und ganz der riesenhaften Dimensionen der Arena zum Trotz, hatte es dieser Wanderer, dieser Niemand im Antlitz der Stadt, zu der alle Wege führen sollten, gewagt ihren Mittelpunkt zu verfehlen. Jedenfalls ihren Mittelpunkt für jeden Kämpfer.
Überhaupt war die Arena der Hauptgrund gewesen, weshalb Prospero das Beschauliche Leben eines Einsiedlers erst gegen das eines Reisenden und nun gegen das eines Gladiators eingetauscht hatte. Doch Logars Berichte hatten ihm keine andere Wahl gelassen, und außerdem verlangte es ihm schon seit langem nach einen guten Kampf. Von Zeit zu Zeit ein wildes Tier, oder widerspenstiges Gestrüpp, das war nichts, was den Hunger auf einen Kampf stillen konnte.
Auch wenn die Kämpfe hier wohl anders verlaufen würden als Prospero es gewohnt war. Sein Besucher hatte ihn zwar auf die wichtigsten Unterschiede hingewiesen, doch auf das, was er hier sah hätte ihn niemand vorbereiten können. Schwerter, Keulen und Äxte, hier und da ein Speer oder eine Lanze- noch dazu die glänzenden Rüstungen in die die meisten hier gehüllt waren- es wirkte alles so fremd.
Allerdings schien Prospero nicht allein in seiner Verwirrung zu sein, denn von beiden Seiten des Ganges, der in die Tiefen des Kolosseums herabführte, trafen ihn skeptische und Teils auch abfällige Blicke. Als er an sich herunter sah, wurde ihm auch bewusst warum. Ein Fremder, bekleidet mit einem zerlumpten,
grauen Mantel, über den er einen verstaubten Umhang trug, musste unter all diesen Metall und Lederrüstungen einfach auffallen. Seine Waffen, die sich beharrlich weigerten sich in die hier gültigen Normen einzupassen taten ihr Übriges.
Nun gut- Logar hatte den Einsiedler deutlich gemacht, dass Sicheln und Sensen hierzulande nur zur Arbeit und eben nicht als Waffen eingesetzt wurden, dennoch- mit diesen Waffen war Prospero vertraut und es würde ihm im Traum nicht einfallen, auf etwas so plumpes und ungelenkes wie ein Schwert oder
eine Keule umsteigen. Außerdem hatten diese im Vergleich zu seinen Waffen bei weiten nicht die Reichweite, um ihm die nötige Sicherheit zu bieten, die er
in Ermangelung einer Rüstung dringend benötigte.
Der Gang neigte sich dem Ende, wenige Schritte vor sich konnte Prospero schon einen Schimmer von Tageslicht erspähen. Als er allerdings unbeirrt darauf zu lief, vertrat ihm der junge Mann, der bis jetzt schweigend neben ihm gegangen war, den Weg. Er schüttelte den Kopf und deutete auf eine wenig geräumige Kammer. Vermutlich erwartete er von der Zerlumpten Gestalt, sich umzukleiden, sich von einem schäbigen Bettler in einen Strahlenden Kämpfer zu verwandeln. Prospero hatte zwar nichts in dieser Richtung vor, doch er wollte nicht unhöflich erscheinen und so nickte er kurz und trat in dem ihm zugewiesenen Raum.
Lächelnd betrachtete er sich im Spiegel. Wirklich kein Angenehmer Anblick, dieses Vernarbte und von Wind und Sonne gezeichnete Gesicht auf dem hageren Körper, der gnädig von den weitem, verschlissenen Mantel verdeckt wurde. Und da Prospero die Kammer so schnell wohl nicht würde verlassen können, ohne den Jungen noch weiter zu verwirren überprüfte er noch ein letztes Mal seine Ausrüstung. Zuerst nahm er seinen verstaubten Umhang und seinen Mantel ab, und prüfte kurz die Bandagen, die er um Beine und
Arme geschlungen hatte, um ihm wenigstens einen geringen Schutz zu bieten. Nachdem sämtliche Stofffetzen seinem prüfenden Blick standgehalten hatten, streifte er seine Kleidung wieder über.
Und da er gerade schon dabei war, unterwarf er auch seine Waffen einer kritischen Kontrolle. Die Sense wie die beiden Sicheln unterschieden sich wirklich nicht sehr stark von ihren Verwandten hierzulande, nur dass seine deutlich robuster und besser verarbeitet waren, als die meisten Erntegeräte, auf die man hierzulande treffen konnte. Allerdings sollten diese ja auch nur eine reiche Ernte und nicht den Tod bringen, wenngleich die Kämpfe hierzulande scheinbar nicht tödlich verliefen- zumindest in der Regel nicht.
Um so besser, so würde er in der Lage sein, ein großartiges Duell wiederholen zu können, was bei den Zweikämpfen aus seiner Vergangenheit nur selten der Fall gewesen war, da zumeist einer der Kontrahenten sein Leben aushauchte.
Zumindest wenn es um die Ehre ging, und aus anderen Gründen wurde selten gekämpft. Doch Kämpfe zur Unterhaltung de Massen und der Kämpfer, ohne den drohenden Schatten des Todes- das klang nach der Art von Kampf, die ihm zusagte. Leichtfertig wirbelte Prospero die etwa Unteramlangen silbernen Sicheln durch die Luft. Das matte Edelmetall glänzte schwach im Fackelschein, wie um seine Vorfreude zu signalisieren. Die mit Leder umwickelten Griffe fühlten sich behaglich und vertraut an.
Eine weitere beiläufige Handbewegung später waren die Sicheln in seinem Gürtel verschwunden und Prospero griff zu der Sense. Nachdem er nun wusste, wie die Sensen hierzulande aussahen, gelang es ihm nun doch, einige Unterschiede festzustellen. Von der massiven und etwa zwei Arm spannen langen Klinge einmal abgesehen, fiel zuerst der grobe und in festes Leder geschlagene griff von fast zwei Metern Länge auf.
Gegen die kurzen Waffen, die die Krieger hier zu führen pflegen, kann das nur von Vorteil sein.
Und sollten alle Stricke reißen, so konnte Prospero immer noch auf die Dolch ähnliche Klinge am unteren Ende des Griffes einsetzen, doch soweit würde es nicht kommen, für den Nahkampf hatte er ja schließlich die schnellen und tödlichen Sicheln.
Mit einem Ruck erhob sich der Wanderer, schnallte die gewaltige Sense auf seinen Rücken und ging ruhigen Schrittes auf das Licht zu, das sich am Ende des Ganges zeigte. Gegen die Sonne anblinzelnd, zeigte sich eine Silhouetten auf dem Duellplatz. Das würde sein Gegner sein, Otori Takeo.
Die Sonne brannte in Prosperos Augen, daher zog er schnell die Kapuze des Umhangs ins Gesicht. Selbst nachdem er sich ein wenig an das grelle Licht gewöhnt hatte, konnte er die gewaltigen Ausmaße der Arena nur erahnen. Soweit das Auge reichte, waren die Ränge mit grölenden Zuschauern gefüllt, nur von einer drang kein einziger Ton herunter. Bei der schweigsamen Gesellschaft, die sich dort versammelt hatte, konnte es sich nur um die Richter handeln.
“Ich grüße Euch, hochgeschätzte Richter- möge Euer Auge wach und Euer Geist wachsam sein“
Ganz sicher war sich Prospero nicht, ob es allzu geschickt war, den in seiner Heimat üblichen Gruß vor einem Duell anzubringen, zumal die Richter hier eine ganz andere Aufgabe zu erfüllen hatten.
“Otori Takeo!“
Ganz dem alten Brauch entsprechend wisperte er den Namen seines Gegners kaum hörbar in dessen Richtung, dann nahm seine Stimme an Kraft zu.
“Ich Prospero bin gekommen mit euch die Klinge zu kreuzen, Logar empfahl mir Euren Namen, so ist es mir eine Ehre euch gegenüberzustehen. Auf einen guten Kampf.“
Prospero deutete ein kurzes Nicken in Richtung seines Gegners ab, den er aufgrund der Sonne immer noch nur als Schattenbild erkennen konnte, er würde ihn umrunden müssen um in eine bessere Kampfposition zu kommen.
Nach kurzem Zögern griff er auf seinen Rücken und holte die Sense hervor, die er dann ruhig in beiden Händen wog. Er hatte es auf seinem Weg hierher erlebt, dass diese Art von Waffe durchaus Furcht auslösen konnte, doch bei einem Erfahrenen Kämpfer konnte er sich nicht darauf verlassen.
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