Immer noch pochte der Schmerz in ihrer Schulter. Er war jedoch dumpfer als noch vor einer Stunde, was Babe auf die Tatsache schob, dass die Wunde unter einer tiefen Schicht Verband steckte. Trotzdem lächelte sie, als Ecthelion ihr etwas Brot reichte.
„Danke.“
Den weiteren Verlauf des Essens schwieg sie. Nur mühsam bekam sie das Brot hinunter, denn bleierne Müdigkeit umfing sie. Selbst das ferne Rumpeln des Berges konnte deshalb nicht ihren anschließenden Schlaf aufhalten – die Kriegerin sank in das weiche Gras und schlief zum ersten Mal seit zwei Tagen wieder tief und traumlos.
Die Sonne dagegen stieg in ihren Zenit mit jeder Stunde höher. Vögel, die sich in der Baumgruppe niederließen, begutachteten das ungleiche Paar, bevor sie sich wieder mit einem Krächzen erhoben. Ab und an flog ein Schmetterling auf eine der Blumen und Insekten summten in der Mittagssonne, während die Kronen der Bäume kaum merklich im Sommerwind rauschten.
Ecthelion, der nie oder selten zu schlafen schien lehnte an den Stamm oder ging einige Schritte um in der Ferne den Berg zu begutachten, der immer noch nicht zur Ruhe gekommen war. Erst, als Babe gegen Abend aufwachte, setzte er sich zu ihr, wobei er das Feuer wieder in Gang setzte, das im Laufe des Morgens heruntergebrannt war.
Beide Krieger blickten während des Abends nachdenklich in die Flammen. Und obwohl unnnötig, unterhielten sie sich leise über das, was sie noch erledigen mussten, bevor sie wieder nach Hause gehen konnten.
„Gerambalosch zuerst.“ Babe, die ein Stück Brot in das Feuer hielt, um es zu rösten, nickte ernsthaft. „Er wird nicht erfreut sein, aber mehr konnten wir nicht für ihn oder sein Volk tun. Danach lass uns Kjaskar und Unforgiven wieder finden.“
Die Kriegerin griff nach Xadaks Streitaxt und hielt sie in den unruhigen Schein des Feuers. „Ich habe sie mitgenommen, weil ich sie Kjaskar mitbringen wollte. Sozusagen als Mitbringsel und um ihn daran zu erinnern, dass er etwas verpasst habe. Mein nächster Gedanke war, sie Gerambalosch zu geben, schließlich ist es das Einzige, was ihm von seinem Stamm geblieben ist. Aber nun – ich werde ihn fragen, ob ich sie nicht behalten darf. Es ist eine gute Waffe und sollte ich eines Tages je einen Sohn oder eine Tochter haben, so habe ich etwas, dass ich vererben kann.“ Sie lächelte schief bei ihren Worten, als würde sie selbst nicht das glauben, was sie sagte.
Auch Ecthelion grinste, schwieg aber. Seine Lebensspanne war so lange, der Gedanke, jemanden etwas vererben zu wollen, musste ihm seltsam anmuten.
Unter leichtem Geplänkel, das vor allem das zurückliegende Abenteuer, leichter Spott auf Unforgiven und Kjaskar, die nach ihrer Vermutung immer noch den Halbstarken nachjagten und die Möglichkeiten, wie man Gerambalosch die Axt abschwatzen konnte, verging die Nacht, bis Babe erneut einschlief.
Sie wurde wach, als Ecthelion sie mit leichter Berührung an ihrer Schulter weckte. „Die Sonne geht auf,“ sagte er ernst. „Lass uns gehen, wir haben einen weiten Weg vor uns.“
Sofort war Babe hellwach. Der zurückliegende Tag und die Nacht hatten ihr ihre Kräfte soweit zurückgegeben, dass sie trotz heilender Wunden die Wanderung wagen konnten. So lud sie sich das leichte Gepäck, ihr Bat`leth und auch Xadaks Axt auf und trat dann unter der Baumgruppe hervor, aus der sie sich seit 24 Stunden nicht fortbewegt hatte.
Wie am Vormorgen schickte sich die Sonne geradewegs an, über die Berggipfel zu steigen. Es war noch kühl und somit der ideale Zeitpunkt für den Weg zurück.
Babe blickte ein letztes Mal zu dem Berg, der ihnen fast das Leben gekostet hätte. Sein Gipfel war in sich zusammengesunken, doch er schien endlich zur Ruhe gekommen zu sein. Ruhe auch für Xadak und Nohanaiel. Endgültig und für alle Ewigkeit...
Babe blickte auf den Weg, der den Berg hinabführte. Es schien ihr Ewigkeiten her, dass sie ihn in andere Richtung begangen hatten
„Wie heißt es so schön?“ murmelte sie versonnen. „Alle Wege führen nach Rom. So also auch dieser...“
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