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Visionen von Träumen
Anonymous

Gast

 
Beitrag #1
Visionen von Träumen
Nofretiri schreckte hoch. Seit einiger Zeit war ihr Schlaf ruhelos und traumlos, was für die geflügelte Priesterin eher untypisch war.
Mit einem leisen Seufzer stand sie auf. Dabei fiel ihr Blick auf ihre friedlich schlummernde Tochter Felicitas. Und wie immer, wenn sie ihr Kind betrachtete, erschien ein sanftes wohlwollendes Lächeln auf den wohlgeschwungenen Lippen der Priesterin.

Das Feuer im Kamin flackerte nur noch spärlich vor sich hin und gab mittlerweile auch eher nur noch eine bescheidenen Wärme von sich. Die Engelsdame legte einige Holzscheite nach und setzte sich in den gemütlichen mit Fellen bedeckten Sessel vor dem kleinen Fenster.
Schwarz lag die Nacht vor ihren smaragdenen Augen und das zärtliche Licht des matt weißen Vollmonds wachte friedlich über Rom - die Stadt, in der sich Nofretiri mit ihrer Tochter seit einigen Monden aufhielt.

Mittlerweile war es Herbst geworden in der ewigen Stadt. Die Blätter der Bäume hatten begonnen sich rotgolden zu verfärben, die Tage wurden kürzer und die Nachte dunkler, länger und kälter.
Und nicht nur die Nächte wurden kälter, auch im Herzen der Engeldame wurde es kälter und leerer...

Ein wenig wehmütig dachte Nofretiri an den unbeschwerten Sommer, der hinter ihr und Felicitas lag. Es war eine wunderbare Zeit hier in Rom gewesen - die Zeit, bevor diese beinahe unerträgliche Unruhe, die sie mittlerweile nicht nur nachts sondern auch schon bei Tage verfolgte, in ihr erwacht war.

Die Priesterin wandte ihren Blick vom Fenster zu den Flammen, die gierig an dem Holz leckten, das sie vorhin nachgelegt hatte. Sie lehnte sich in die Felle und seufzte, versuchte doch endlich den Grund zu erkennen, weshalb diese innere Unruhe seit einigen Wochen von ihr Besitz ergriffen hatte.
War es die Trennung von ihrer geliebten Tante Andromache? Oder der Zustand der Heimatlosigkeit, dem sie anheim gefallen war, als der Dämmerwald in Flammen aufgegangen war? Die Leere, die sich daraus ergab, die Wurzeln verloren zu haben?
Nofretiri schüttelte den Kopf, so als wollte sie diese Gedanken von sich abschütteln. Noch nie hatte sie sich sehnlicher nach einem vertrauten Gespräch mit ihrer Tante gesehnt. Die Engelsdame überlegte sich gerade, ob sie nicht durch einen gesandten Traum Kontakt mit Andromache aufnehmen sollte, als sie von einem ihr gut bekannten Gefühl überraschte wurde...

Die eigentlich dunkelgrünen Augen der Priesterin verfärbten sich mit einem Mal schwarz. Ihr Körper versteifte sich und begann zu zittern. Ihr irdisches Bewusstsein schwand und die höhere Ebene der Visionen nahm ihren Platz ein...

...als die Engelsdame sich selbst wieder bewusst wurde, stand ihre kleine Tochter vor ihr und blickte sie mit ihren großen blauen Augen fragend an. Die Priesterin lächelte. Jetzt kannte sie den Grund ihrer inneren Unruhe und mit einem Mal war ihr klar, was zu tun war.
Sie zog Felicitas auf ihren Schoß und nahm das Kind in ihre Arme, küsste die goldenen Locken der Kleinen. Sanft wiegte sie sie in ihren Armen hin und her und sprach zu dem verschlafenen Kind wie auch zu sich selbst.

"Jetzt wird alles gut.
Alles wird gut werden..."




Behutsam brachte Nofretiri die kleine Felicitas wieder zu Bett. Sie strich dem Kind zärtlich über die Stirn, sprach ein kurzes Gebet und versetzte das Mädchen in einen tiefen Schlaf, um für ihr Vorhaben ungestört zu sein.
Dann entzündete die Priesterin eine weiße Kerze und setzte sich wieder in den mit Fellen bedeckten Stuhl vor dem kleinen Fenster. Sie schloss die Augen und konzentrierte sich sanft hin und her wiegend auf ihren Atem, bis sie den gewünschten Trancezustand erreicht hatte und ihr Geist den Körper verlassen konnte. Denn nur dann war es der Engelsdame möglich im Traum ihrer Tante Andromache zu erscheinen...


...to be continued in 3 days...
09.10.2005, 18:59
Anonymous

Gast

 
Beitrag #2
 
Der Wind rüttelte an den Holzstämmen der Hütte, als die kleine Geflügelte erwachte...
Verwirrt setzte sich andromache in ihrem Bett auf und blickte sich um. Ihre Tochter anwen schlief selig ruhig im kleinen Bett neben ihr und die Pumadame Lilith hatte sich zu den Füßen des Kindes zusammengerollt.
Der Engel schüttelte den Kopf, ihre roten gewellten Haare lösten sich aus dem Knoten, den sie zum Schlafen trug. Sie schlug die Decken zurück und erhob sich so leise wie möglich aus ihrem Bett und griff nach dem wollenen Schultertuch.
Nahezu lautlos öffnete sie die Tür der Hütte und trat in die beginnende Morgendämmerung hinaus...

Nach einigen Schritten hörte sie die Gischt rauschen, wie sie an die Klippen schlug - wie wohl fühlte sie sich doch hier im Land ihrer Ahnen! Die Geflügelte ging schweigend weiter, die kalte vom Tau feuchte Erde unter ihren bloßen Füßen. Erst an den Klippen machte sie halt, blickte auf die scheinbar endlose See, an deren Ende irgendwo ihre Nichte war, weit entfernt, in Rom...

andromache setzte sich auf einen der Steine und sah den Sternen auf, die langsam verblassten und dem Licht des neuen Tages den Weg bereiteten.
Der Traum, aus dem sie erwacht war, beschäftigte die Gedanken der Geflügelten - ein Traum gesandt von ihrer Nichte, so viele tausend Fuß von ihr entfernt...

Der Engel schloss die Augen und wieder sah sie die Bilder vor sich - ein Land, so saftig grün im Sommer und doch eisig weiß im Winter. Ein See, glitzernd wie tausend Kristalle und eine Stadt...
Und wieder hörte sie die Frage ihrer Nichte...

Abermals seufzte sie, dann öffnete sie langsam ihre smaragdenen Augen und blickte in den neuen Tag.
Sie ging zurück zur Hütte und holte eine vom Alter schon trüb gewordenen Silberschale - leise, um anwen nicht zu wecken. Lilith hob kurz den Kopf, doch ein Lächeln von den Lippen des Engels und ein kurzer Gedanke an den Puma führten dazu, dass sich die Raubkatze wieder gemächlich einrollte und weiterschlief.

andromache trat vor die Hütte und schlug den Weg zur kleinen Quelle, die im Hain der Priesterinnen lag, ein. Dort füllte sie die Schale mit dem kalten Wasser daraus und stellte sie auf die Erde.
Der Engel setzte sich davor, leerte ihren Geist von allem Unnützen und begann ihren Atem langsamer werden zu lassen, bis sie in einen tranceähnlichen Zustand verfiel.
Vor ihren Augen begann sich das Wasser kurz zu kräuseln, die ewige Stadt erschien als Bild auf der nun wieder glatten Oberfläche - ein Raum, ihre Nichte - schlafend mit ihrer Tochter in den Armen...
Durch Zeit und Raum drangen die Worte, die der Engel nun sandte - durch Zeit und Raum in ein neues Leben...

"Geh....
Suche…
Wir werden uns dort treffen…"




Ein kalter Schauer lief über den Rücken der Geflügelten und das Gefieder ihrer Flügel sträubte sich, als andromache wieder ins Hier und Jetzt zurückkehrte.
Ein wissendes Lächeln lag auf den Lippen der Engelsfrau, das Wissen, dass ihre Nichte, wenn sie sich an diesem Morgen das Wasser in ihre Schale zum Waschen leeren würde, sie ihre Nachricht erhalten würde...

andromache hob ihre Schale, schüttete das Wasser weg und machte sich auf, anwen und Lilith zu wecken, sich vorzubereiten - ihre Zeit in Britannien war vorüber...




***




"Verflucht, wo bleibt sie denn schon wieder?", kam Elisa in den Sinn, während sie der Kellnerin ihre Bestellung aufgab. Es war zehn nach neun und Nadja war noch immer nicht da - normalerweise war es doch Elisa, die zu spät kam.
"Naja, was soll's, hat sie wahrscheinlich die Straßenbahn versäumt..", grinste die junge Geschichtestudentin, während sie die Unterlagen über den aktuellen Kursus aus ihrer Tasche zog.

Gerade, als sie das Kapitel über die Wirtschaftssituation der 18. Dynastie des alten Ägypten aufschlug, schreckte sie Nadjas Stimme aus ihren Gedanken


"Hi Süße - sorry, dass ich so spät dran bin."
Nadja setzte sich mit einem Aufseufzen hin und Elisa griff in weiser Vorausahnung zu ihren Zigaretten. "Na komm, Baby, nimm eine und erzähl…", wenngleich Elisa wusste, die letzten Worte hätte sie sich sparen können.

Nadja nahm das Angebot war und noch während sie die ersten Worte sprach, tat sie zeitgleich den ersten Zug.
"Also... erstens… mein Fön hat heute früh den Geist aufgegeben, dann hab ich klarerweise die Straßenbahn versäumt, dann - einen Cafe Latte bitte - ", wandte sie sich während des Wortschwalls an die Kellnerin, die sie nach ihren Wünschen fragte. "war da noch diese Kontrolle von den Straßenbahnheinis und ich meinen Ausweis weißt eh, irgendwo... Na, eben aussteigen und so, Tasche leeren, und endlich, da war er - und die Straßenbahn weg!"

Elisa lehnte sich zurück und schmunzelte, das klang nach einem richtig guten Start in die Woche - wie Garfield immer sagte, Montag morgens...
Derweil war Nadjas Cafe Latte gekommen und diese nahm einen Schluck...
"Hey verdammt, seit wann ist das lauwarme Zeug in diese Bude so heiß?", entfuhr es ihr, als sie sich die Zunge leicht verbrannt hatte und die Tasse scheppernd wieder abgestellt hatte.
Elisa grinste leicht gehässig und dämpfte ihre Zigarette ab. "Tja, die haben die Maschine reparieren lassen letzten Freitag..."
Nadja machte eine wegwerfende Bewegung und weiter ging's im Text.
"Na auch egal, also..."

Weder Elisa noch Nadja beachteten die alte Frau, die am Nebentisch saß, obwohl sie ein seltsames Bild abgab. Ein großer schwarzer Hut, eine Nickelbrille, einen alten abgetragenen Mantel und in den faltigen Händen einen ledernen Beutel, der aussah, als hätte er mehr als einen Weltkrieg schon hinter sich - eigentlich, als hätte er die Antike schon gesehen...
Die Alte schmunzelte verstohlen, während sie dem Gespräch der beiden jungen Frauen lauschte...


...to be continued in 3 days...
12.10.2005, 11:08
Anonymous

Gast

 
Beitrag #3
 
Nadja machte eine wegwerfende Handbewegung und weiter ging's im Text.
"Na auch egal, also..." , fuhr sie fort, während sie ihre Zigarette abdämpfte und anschließend gleich zur nächsten griff. "Wo war ich stehen geblieben?" Nadja verzog ihr Gesicht und überlegte.

Elisa grinste nur, griff nach ihrer Tasse mit mittlerweile kaltem Kaffee und half ihrer Freundin auf die Sprünge. "Ich glaub, wir waren bei 'Straßenbahn weg'!"

Nadjas Züge erhellten sich und sie schüttelte ihr braunrotes Haar, das heute etwas irgendwie aussah und völlig untypisch zu einem Pferdeschwanz gebunden war.
"Scheiß auf die Straßenbahn - schau doch mal, wie ich heute ausseh! Ich mein, Fön in Hintertupfing - folglich meine Locken in Hintertupfing!", meckerte sie lautstark weiter.
"Ach daher, diese äh... innovative Frisur heute?", grinste Elisa bösartig.

Nadjas Blick verfinsterte sich und Elisa zog automatisch den Kopf ein.
"Lass mich bloß in Ruhe damit, ja? Ich hab heute eh nicht wirklich gute Laune! Und die Uni kann mich heute auch kreuzweise, na echt...! Die Schlaftablette von Prof mach ich heute nicht mehr mit!"

Elisa hatte derweil auf ihre Uhr gesehen - na mit Uni war heute wirklich Essig!
"Uni können wir heute eh soundso schon spritzen, wir würden eh schon zu spät kommen - also erzähl weiter, Baby...", resignierte sie.

"Hab ich schon mal erwähnt, dass ich Montage hasse?", entgegnete Nadja mit trockenem Sarkasmus.
"Ja, jede Woche...", gab Elisa gelangweilt zurück - wann kam Nadja endlich auf den Punkt? "Was Neues passiert am Wochenende? Vielleicht was Interessantes im Beutenetz? Hattest ja seltsamerweise keine Zeit für mich diesmal!", erwiderte Elisa neugierig, wenngleich auch ein wenig beleidigt. Es war nicht Nadjas Art, sich nicht zu melden und schon gar nicht, keine Zeit zu haben. Steckte ein neuer Mann dahinter?

Nadja seufzte und schüttelte den Kopf.
"Sorry Süße - weißt eh, mein Onkel und sein Café. Ich hab mal wieder sehr kurzfristig einspringen dürfen. Und jedes Mal, wenn ich dort bin, kommt ER eben..." Nadjas Augen begannen zu leuchten.
"Und, was Neues???", fiel ihr Elisa ins Wort, die Neugier kaum verbergend.
"Nein, nur das Übliche, wie immer halt. Ehrlich gesagt, ich war in Gedanken auch nicht so ganz an der Flirtfront - ich hab so einen komischen Traum gehabt Samstag Nacht...
Na echt, so ein Blödsinn wieder..."
"Ach, warst wieder schwanger?", kicherte Elisa.
"Schwanger? Nein! - Schön wär's gewesen, der Traum war kranker…", entgegnete Nadja, wobei sie ihre Stimme senkte und ihre Züge ernst wurden.

Elisa spitzte gespannt die Ohren - konnte der Traum von ihrer Freundin irrer sein als ihr eigener?

Ungewohnt leise und konzentriert begann Nadja mit ihrer Erzählung.
"Es war echt eigenartig. Ich glaub, ich war in Rom - aber das Kolosseum war noch intakt, und ich glaub, einen Imperator gab es auch noch... Und ich war ein Kind, blondgelockt und blauäugig - kannst Dir das vorstellen?", sah sie ihre Freundin fragend an.
Elisa spuckte fast den Schluck Kaffee, den sie gerade genommen hatte wieder aus, als sie versuchte sich Nadja mit blonden Löckchen vorzustellen. "Gott, musst Du mies ausgesehen haben in blond!"
"Nänänä - eigentlich war ich richtig süß so, so klein und so blond... Aber auch egal, darum geht’s nicht!", stellte Nadja resolut fest und erzählte weiter. "Aber weißt, was wirklich irr war? Ich war mit einer Frau unterwegs, zu der ich 'Mama' gesagt habe - und die sah aus wie mein Royobild über meinem Bett! Also, original mit Flügeln und so - absolut abgefahren, echt!"

Elisa war ruhig geworden und die Zigarette in ihrer Hand schien von allein zu verrauchen. Gespannt lauschte sie Nadjas Worten.

"Irgendwie war der Traum echt verdammt hektisch.
Die Flügellady hat immer geschwafelt, wir müssten ein Land suchen - und dort würden wir ihre Tante treffen. Ich glaub - wart mal - andromache oder so hieß die Alte."
, zuckte Nadja mit den Schultern

Elisa war mittlerweile leicht bleich geworden und die Zigarette war nun entgültig verraucht. Einzig der Geruch des angebrannten Filters brachte Elisa dazu, sie nun doch endlich abzudämpfen.

"Und weißt, was noch viel kranker war? Meine 'Mama' hat die ganze Zeit was von Visionen von Träumen geredet. Dabei hat sie leicht wahnsinnig geschaut und irgendwas von im Wasser lesen und wieder Tante und so gequatscht.
Also, ich werd echt nicht schlau aus dem Traum..."
, beendete Nadja ihre Erzählung und blickte Elisa an. "Hey Schnitte, was hat Dir denn die Farbe grad verschlagen?", fragte sie leicht besorgt Elisa, deren Gesicht nun nahezu sämtliche Farbe verloren hatte.

Elisas Hand zitterte, als sie zu den Zigaretten griff und sich eine ansteckte. Dann begann sie leise zu reden.
"Du, ich hab auch so nen Blödsinn geträumt - nur war ich ein Kind mit braunem Haar - und nein, erinner mich nicht an meinen misslungenen Färbeversuch vor zwei Wochen!", entgegnete sie vorsorglich Nadja amüsiertem Grinsen. "Ich hab auch ne Mama gehabt, mit Flügeln und so - aber nicht im Royostil, eher wirklicher irgendwie...
Verdammt bleich war die, sag ich Dir - aber das Haustier war geil - n Puma, Lilith..."


Nadja sah sie fragend an - was sollte die Info bisher mit ihrem Traum zu tun haben?

"Na schau nicht wie ne Kuh beim Melken, Mädel, hör weiter zu...", giftete Elisa sie an. "Wir waren in England, glaub ich halt... Und meine Mama redete die ganze Zeit von ihrer Nichte in Rom - und auch von Träumen von Visionen... Und davon, dass wir zu ihr müssten - in ein neues Land jenseits des Kanals...
Und als ich aufwachte, war mir so speiübel - weißt eh, ich und schifferlfahren!"
, resümierte Elisa ihren Bericht.

Nadjas Mund stand weit offen und sie sah Elisa groß an. Als sie ihre Sprache wieder gefunden hatte, holte sie ihren Geldbeutel hervor und kramte nach einigen Münzen für die beiden Café Latte, während sie antwortet.
"Du, weißt was - auf das hin geh ich jetzt einen saufen! Wir beide träumen ja viel Mist, aber das schlägt bisher alles - ich brauch n Guiness jetzt!"

Elisa blickte ihre Studienkollegin skeptisch an.

"Schau nicht so Autobus - ja, es ist Montag - und ja, es ist Vormittag - und ja, ich sauf mir jetzt einen an!", entgegnete Nadja kalt lächelnd und reichte der Kellnerin das Geld. "Kommst eh mit, gell?"

Elisa nickte nur wortlos und zog ihren Mantel über - mittlerweile hatte es zu regnen begonnen. Nadja folgte ihr und untergehackt verließen die beiden das Café in Richtung ihres Lieblingspubs.



Die Alte am Nebentisch grinste still in sich hinein und zog ihren Hut tiefer in die von Falten zerfurchte Stirn. Leise war eine glockenhelle Stimme zu hören...
"Ihr werdet noch mehr träumen..."


...to be continued in 3 days...
15.10.2005, 12:26
Anonymous

Gast

 
Beitrag #4
 
“Geh geht’s alle nach Hintertupfing...“, schimpfte Elisa, als sie sich auf den freien Platz neben Nadja fallen ließ.
Die Straßenbahn war wie jeden verregnetem Morgen rammelvoll. Den Göttern sei Dank hielt Nadja meist einen Platz für sie frei.

Nadja blickte über den Rand ihrer Frauenzeitschrift.
“Guten Morgen liebe Elisa!“, entgegnete sie süffisant.
Elisas Blicke hätten sie in diesem Moment umgebracht, um es nett zu sagen.
“Ja, Du kannst mich auch mal... Red nicht soviel, mein Schädel brummt...“

Nadja senkte die Zeitung und ihre Sonnenbrillen kamen zum Vorschein.
“Stimmt, das letzte Guiness war wohl doch zuviel des Guten... Mir ist noch immer schlecht.“, pflichtete sie Elisa bei.

Diese zog eine Augenbraue hoch und sah Nadja leicht mitleidig an.
“Mädel, ich hab noch nie von Guiness Kopfweh gehabt. Und das weißt Du! Mir tut mein schönes armes Köpfchen vom Traum heute nacht weh...“, giftete Elisa Nadja morgendlich freundlich wie immer an.

“Hey Schnitte, das ist mein Spruch...“, entgegnete Nadja aufgebracht. “Na was glaubst, warum ich ihn gebracht hab?“, grinste Elisa hämisch.
“Mir tut mein schönes Köpfchen heute wenigstens nicht weh, auch wenn ich ebenfalls Mist geträumt hab. Also...“, fuhr Nadja munter fort. ”Klappe Baby! Jetzt erzähl ich mal…”, unterbach Elisa sie schnell, bevor Nadja sie nicht mehr zu Wort kommen lassen würde.



Zwei Reihen hinter den beiden Mädchen saß eine alte Frau mit einem großen Hut, einem Beutel und einem Mantel – die Alte aus dem Café! Lächelnd lauschte sie den beiden Freundinnen und schmunzelte immer wieder still in sich hinein.



“Also, ich... schon wieder dieses kleine Gör – weißt eh, von gestern, was ich erzählt hab.“, begann Elisa mit ihrer Erzählung.
Nadja rollte ihre Zeitung ein und begann sie zwischen ihren Händen zu drehen, während sie zuhörte und an den entsprechenden Stellen nickte.
“Also, wenigstens kam kein Schiff mehr vor, besser gesagt Schifferlfahren. Ich glaub, wir sind so etwa im heutigen Hamburg von Bord gegangen.
Meine Flügelmama war aufgeregt und der Puma hat am Rad gedreht und na ja, irgendwie war’s komisch. Ich hab immer mehr den Verdacht, dass der Traum so etwa 400 nach Christus spielt.“
“Wie kommst denn auf das?“, sah Nadja sie skeptisch über Rand ihrer Sonnenbrille an.
Elisa seufzte. “Naja, kannst Dich an den Vortrag letztens erinnern, den über historische Klamotten? So sind wir rumgelaufen... Und wenn ich an die sanitären Einrichtungen denk, dann bestärkt mich das in meiner Zeitberechnung.“, erläuterte sie ihrer Freundin, woraufhin Nadja nickte.
“Naja, es kam ne neue Person vor im Traum. Die hat schon auf uns gewartet. Eine eigenartige Lady... Ich hab mir gedacht, die ist frisch aus Bram Stoker entsprungen, mit den spitzen Zähnen und so...“ “Schade, kein Mann...“, warf Nadja ein, während sie nun begann die Ecken ihrer Zeitung zu rascheln. “Ja, hab ich mir auch gedacht, aber die war total lieb irgendwie. Ich hab ‚Tante Calida’ zu ihr gesagt und meine Flügelmama war auch total gut mit ihr.“

Elisa blickte auf die Zeitung in Nadjas Händen.
“Bitte, lass das!”, fuhr sie ihre Freundin ein wenig schärfer an, bevor sie weitersprach. “Naja, wir sind eben zu Pferd weitergereist, Richtung nach unten auf der Landkarte...“ “Meinst Du vielleicht Süden?“, grinste Nadja gehässig und spielte mit der Zeitung weiter.
Elisa knurrte, fuhr dann aber mit ihrer Erzählung fort.
“Naja, diese Calida war wie gesagt echt total lieb. Und hübsch, echt hübsch, langes blondes Haar und ja, halt ne Frau nach meinem Geschmack. Gute Figur, schöne Augen, helle Haut und ein hinreißendes Lächeln. Und eine Katze hatte die auch, geiles durchgeknalltes Vieh, sag ich Dir. Aber...“ Elisa unterbrach sich und schluckte hörbar. “Jetzt kommts... Sie hat meine Flügelmama mit andromache angesprochen...“

Nadjas Zeitung fiel zu Boden.
“Andromache? So wie Andromache von meinem Traum?”, starrte sie Elisa ungläubig an. Diese nickte und sprach weiter...
“Es klingt krank, aber ich glaub ja, weil auch Calida von der Nichte meiner Flügelmama geredet hat und dass die in Rom sei und ob es ihrer kleinen blonden Tochter wohl gut gehe... Und achja, ich weiß endlich meinen Namen in dem Traum – anwen!“, plapperte sie weiter.
Und bevor Nadja sie wieder unterbrechen konnte, fuhr sie fort. “Tja, eigentlich, sonst war nix Aufregendes mehr – n bisschen Weiterreisen noch und Calida hat noch gesagt, dass wir bald noch jemanden treffen werden. Aber da hat dann mein Wecker gesungen... Und ich bin auf und hab mir den Schädel an Bücherboard übern Bett angedutscht. Daher auch mein Kopfweh...“, grinste Elisa noch und räumte das Erzählfeld für Nadja.

Diese zog eine Augenbraue hoch und schüttelte ihren Kopf, während sie sich nach ihrer Zeitung bückte.
“Hmm, weißt Du was? Ich glaub, wir verbringen eindeutig zu viel Zeit miteinander. Wenn unsere Träume jetzt schon zusammenhängen, wie wird das dann erst, wenn wir zusammenziehen?“, begann sie ein wenig nachdenklich und Elisa nickte dazu. Sie wollte sich das erst gar nicht vorstellen – konnte es noch irrer werden?
“Aber egal..., winkte Nadja seufzend ab. ”Jetzt hör Dir erst mal an, was ich geträumt habe…”



Zwei Reihen hinter den Mädchen erklang ein leises glockenhelles Lachen, das im Lärm der Straßenbahn jedoch unterging. Außerdem wären die beiden Freundinnen viel zu sehr mit ihren Träumen beschäftigt gewesen, um es überhaupt zu bemerken.



“Wie gesagt, im letzten Traum war alles hektisch. Tja, das war diesmal auch nicht besser.“, begann Nadja mit ihrer Erzählung. “Wir haben unsere Sachen gepackt und sind zu Pferd los Richtung Norden, also rauf.“, grinste sie gehässig.
Elisa schnaubte als Antwort nur leise und zog eine Schnute, hörte aber weiterhin schweigend zu.
“Ich kann mich nicht an viel erinnern, wir sind geritten – quer durchs Gemüse. Wiesen, Wälder, Ebenen, sanften Hügel, durch Flüsse und so weiter. Tja, und dann die Wechsel, Tag und Nacht und Nacht und Tag...“, sprach sie leise und Elisa erschien es, als würden sich die Strapazen der Reise in den Augen Nadjas widerspiegeln, nachdem diese nun endlich ihre Sonnenbrille abgenommen hatte. “Ich hab das alles nicht so genau mitbekommen, es war alles verschwommen, weil alles so schnell ging. Einzig, an einen Abend kann ich mich gut erinnern...“
Nadja grinste und Elisa fiel ihr rasch ins Wort. “Ah! Kreuzte ein hübscher Mann Euren Weg?”
“Nein, leider... Obwohl, das was da kam, war besser...“, lächelte Nadja ihre Freundin verschwörerisch an.
Elisa sah sie skeptisch an – besser? Was konnte das sein?
Nadja fuhr schmunzelnd fort. “Das glaubst Du mir nie!
Wir hatten unser Lager schon aufgebaut, als so ein komischer Tingel-Tangel-Wagen daherkam...“

Elisa blickte Nadja verstört an – was um alles in der Welt war ein Tingel-Tangel-Wagen?
“Bevor Du weiter blöd schaust – ich mein so was wie nen Zigeunerwagen mit Haushalt drin. Aber nicht aus Holz, sondern wie n Planenwagen mit Lederplanen.“, klärte sie Elisa auf und deren Mine erhellte sich sichtlich.
“Naja, das Ding hat sein Lager bei uns aufgeschlagen. Und die Besitzer – die waren geil...“, gluckste Nadja vor Lachen schon. “Aus dem Wagen ist ne Mammi ausgestiegen, so was hat die Welt noch nicht gesehen. Ein rotes Kleid, ein Dekollte zum neidisch werden und schön wie Ornella Muti! Und eine Stimme...“, und Nadja lachte laut auf und schüttelte den Kopf ungläubig. Elisa sah sie nun entgültig verwirrt an.
“Stell Dir vor Joe Cocker und Bonni Tyler haben n Kind. Und das hat Halsschmerzen, drei Liter Whiskey und ne Stange Zigaretten intus – so klang die!“
Elisa grinste – na das musste eine Frau sein, schön wie die Welt und eine Stimme wie ein Reibeisen!
Doch schon erzählte Nadja weiter.
“Und was die zu uns sagte war der Hammer – ob sie uns ihren Schutz anbieten darf!
Aber wenn Du die gesehen und gehört hast, dann hast Du ihr das echt abgenommen.“
, schmunzelte Nadja weiter vor sich hin. “Sie hat sich als Theodora vorgestellt und hat uns ihre Tochter Aurora vorgestellt – ein Püppchen, elfengleich, bisschen wie die Casta – nur kleiner. Also das komplette Gegenteil von der Mama!“

Elisa grinste, na das war ne Familie!
“Naja, irgendwie sind meine Mama und Theo dann zum Reden gekommen und die meinte, sie kommt mit mit uns. Sie wartet nur noch auf ihre sechs Söhne mit Kindern und Kegel.
Daraufhin hat meine Mama dann gemeint, dann sollte sie sich auch mal vorstellen – weil bisher war die noch nicht viel zu Wort gekommen.“

Nadjas Blick wurde weich und doch zugleich finster und Elisa spitzte ihre Ohren – was für ein Name würde da nun kommen?
“Tja, meine Flügeldame hat sich als Nofretiri vorgestellt und dann hat sie mich vorgestellt – und da bin ich aufgewacht!“
Elisa lachte lauthals auf und Nadja ereiferte sich ungerührt davon weiter.
“Na wirklich, so ein Quark! Ist das nicht fies!!!“

In diesem Moment hielt die Straßenbahn an der Haltestelle vor der Uni an und die beiden bekamen ein wenig Stress auszusteigen. Gerade noch rechtzeitig schafften sie es...



Und als die Straßenbahn wieder anfuhr, saß die alte Frau noch immer am Fenster und man konnte unter dem Hut smaragdene Augen hervorblitzen sehen. Sie lächelte und hob die Hand, als würde sie die beiden Mädchen, an denen sie gerade vorbeifuhr, segnen.
Abermals war leise die glockenhelle Stimme zu hören.
“Bald, bald werden wir uns wiedersehen...“


...to be continued in 4 days...
18.10.2005, 11:13