Beitrag #2
Die Hitze der letzten Tage war von ihm gewichen, als er die Katakomben des Kolosseums betrat. Die Sonne segnete die Metropole des Imperiums ein weiteres Mal auf ihre unbarmherzige Art. Nun gut, es könnte schlimmer sein, Hieronimus hatte Erzählungen über kaum vorstellbar schwere Regenschauer, ja sogar über Stürme gehört. Im Vergleich dazu wirkte das gegenwärtige Klima ausgesprochen reizvoll. Dennoch genoß er die Momente, die ihm noch bis zu dem Kampf verblieben.
Ein weiteres Mal würde die Arena ihn zu Gesicht bekommen, er hoffte, daß die Vorstellung, die er abliefern könnte, dieses Mal besser war. Kein Zweifel, auch dieser Kampf würde zu seinen Gunsten ausgehen, doch der Pöbel, der sich angesammelt hatte, erwartete doch ein wenig mehr, als ein kurzes Aufblitzen von Metall. Andererseits, wo sonst konnte man, den Krieg ausgenommen, Leid verbreiten, ohne Konsequenzen zu fürchten? Und willige Opfer fand man ja vielerorts.
Dieses Mal also eine Frau. Nun, dies mochte eine Abwechslung sein, zumindest was die Kampfweise betraf. Alles andere war ohnehin nicht mehr für ihn von Interesse. Kriegerin Babe... je länger er darüber nachdachte, desto sicherer war er sich, daß er den Namen kannte. Woher nur? Sicherlich keine Kneipenbekanntschaft aus früheren Zeiten, aber welche Möglichkeit kam ansonsten in Betracht? Unwichtig. Sie würde hoffentlich nicht davon ausgehen, daß er in irgendeiner Weise Gnade zeigen würde, nur ihres Geschlechts wegen. Diesen Weg war er viel zu lange gegangen.
Das entfernte Stimmengewirr, von dem er sich bisher unsicher war, ob es nur Einbildung wäre, wurde lauter. Es blieb nicht mehr viel Zeit. Er vernahm eine Stimme, die sich über die anderen erhob. Vermutlich wurde nun das bevorstehende Aufeinandertreffen angekündigt. Es war an der Zeit.
Eine gewisse Vorfreude machte sich in ihm breit. Endlich wieder ein wenig Ablenkung. Hieronimus warf einen kurzen Blick auf die Wunde an seiner Hüfte. Das Farbenspiel war ausgesprochen unterhaltsam, aber genau genommen beunruhigend. Der Quacksalber, den er am vorherigen Abend aufgesucht hatte, war ihm auch keine Hilfe, aber zumindest schien er ein gutes Auskommen gehabt zu haben. Bedauerlich, daß er keinen Nutzen mehr davon hätte, Hieronimus selbst jedoch um so mehr. Er legte noch einige der Kräuter auf die Entzündung auf, die ihm auch in den letzten Tagen Linderung verschafft hatten, und band danach einen neuen Verband darum. Noch behinderte ihn die Wunde nicht, von einer gewissen Taubheit am Morgen abgesehen. Auch in naher Zukunft würde es dazu wohl nicht kommen. Er nahm einen Strang Leder und band ihn mehrfach um seine Hüften. Ein ungeduldiges Klopfen erscholl von der Tür aus, doch er ließ sich nicht stören. In Ruhe griff er nach seiner leichten ledernen Rüstung, und versuchte, sich in sie hineinzuzwängen. Mit angehaltenem Atem schaffte er es nach einigen Versuchen, bemerkte jedoch, daß das Einatmen eventuell ein kleines Problem darstellen könnte. Allerdings wollte sich das Ding nun auch nicht mehr von seinem Körper lösen lassen. Vielleicht war das Problem doch ein größeres. Mit einem schnellen Griff nahm er sein Schwert und schlitzte die Rüstung an der rechten Seite um ungefähr vier Handbreiten vom unteren Rand nach oben auf. Doch kein Problem.
Nachdem er wieder zu Atem gekommen war, nahm er seinen Helm, eigentlich kaum mehr, als eine gefaltete Schicht Bronze, setzte ihn auf seinen Kopf, und tauschte seinen Umhang gegen den hüftlangen, inzwischen mit zahlreichen Flicken, die unglücklicherweise nicht gerade zu der grauen Farbe des Stoffes paßten, ausgebessert, aus. Sein nächster Griff galt dem Stück Holz, das er mit sich führte. Es war qualitativ dem, das er im letzten Kampf genutzt hatte, deutlich überlegen. Zumindest für einige Hiebe sollte es genügen. Er zurrte es mit zwei Streifen Leder an seinem linken Unterarm fest, die leichte Taubheit ignorierend, die seine Hand erfaßte.
Er wollte sich bereits zur Tür wenden, als ihm auffiel, daß eventuell doch noch eine Kleinigkeit fehlte. Ach ja, eine Waffe... dem Publikum zuliebe. Das Schwert von Primus lag auf der Bank vor ihm. Die Schriftzeichen, die es einst getragen hatte, waren ausradiert, der Griff von allem Zierrat befreit, die Klinge selbst auf einer Länge von etwa fünfunddreißig Zoll in einem gezackten Riß gebrochen. Endlich machte das Ding einen brauchbaren Eindruck. Er nahm die ehemalige Spitze, und band sie sich mit einem Stück Strick seitlich an den linken Fuß. Er überdachte seine Situation. Nun ja, vielleicht noch eine Kleinigkeit, um mit Sicherheit genügend gerüstet zu sein. Er wühlte kurz in seinen Besitztümern, und fand einen kurzen Dolch mit gewellter Klinge. Einen Moment lang stand er unschlüssig da. Vielleicht sollte er sich doch einen Waffengürtel zulegen, wie so viele andere auch. Für den Moment nutzte ihm der Gedanke jedoch wenig, und so schob er das Ding nach einigem Zögern so unter den vorderen der Riemen die seinen Schild hielten, daß es zumindest nicht zu sehr seine Haut aufrieb. Genug der Vorbeitung, es galt, das Spektakel zu genießen.
Er öffnete die Tür, als der Mann davor gerade zu einem erneuten, wütenden Klopfen ansetzen wollte, bedachte ihn mit einem unwilligen Knurren, und folgte dem Weg, der ihn zu einer Weile der Unterhaltung führen sollte. Nach kurzer Zeit gelangte er an eines der Tore, hinter denen der Sand der Kampfstätte lag. Die Wärme, die draußen zu herrschen schien, war tatsächlich ein wenig störend. Er konnte nur hoffen, daß sich das im Verlauf der nächsten Weile negativ bemerkbar machen würde. Noch ein kurzes aber tiefes Einatmen, dann setzte er seine Füße in die Weiten, die wahrscheinlich bald ein weiteres Opfer sehen würden. Um ihn herum erhob sich das Johlen der Menge. Es schienen einige Zuschauer mehr zu sein, als das letzte Mal. Ob dies an ihm lag, oder an dem Ruf seiner Gegnerin... Babe... warum nur kam ihm dieser Name so bekannt vor. Er schickte eine kurze grüßende Bewegung zu den Tribünen, und schloß sie dann aus seinem Bewußtsein aus.
Seine Gegnerin war noch nicht anwesend, doch es dürfte nicht mehr lange dauern. In Ruhe sank er auf die Knie, und strich mit den Fingern durch den Sand. Mit geschlossenen Augen nahm er sein Schwert, und ließ es leicht in seine linke Schulter schneiden. Der Geruch von Blut drang ihm in die Nase, überwältigte ihn. Wozu sich mit Wein berauschen, wenn diese Art viel tiefer drang? Er legte die Klinge vor sich ab, und sog, die Augen weiterhin geschlossen, die Atmosphäre von Sand, Blut, Lärm und Hitze ein. Er fühlte sich so wohl wie selten in letzter Zeit, die Freude auf das, was kommen würde, drohte ihm die Sinne zu rauben.
Er war bereit.
|