Anonymous
Gast
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Beitrag #7
Nun, mit ziemlicher Verspätung, die meiner schüchternen und kussscheuen Muse anzulasten ist, hab ich endlich mein zweites Geschenk fertig, die Geschichte für Eron Yakdrescher von den Reitern der Apokalypse, der mich in der ersten Welle niedergeschlagen hat.
Zitat:Der Kampf tobte, Waffen klirrten gegeneinander oder auf Schilden, feiner Nieselregen machte Kampfplatz und Ausrüstung glitschig. Es roch nach nassem Leder, nasser Erde, Schweiß, Blut und Tod. Das rhythmische Klirren vermochte nicht, die Schreie zu übertönen: Wutschreie, Kriegsgeheul, Schmerzes- und Todesschreie. Die Erde war rot und schmierig vom vergossenen Blut, und immer öfter drohte sie über die Körper von Toten und Sterbenden zu stolpern, während sie Schläge parierte und selbst angriff. Die Haare klebten ihr strähnig am Kopf, Schweiß und Regenwasser rannen ihr über das Gesicht und in die Augen und ihr Schwertarm schmerzte. Sie hatte schon lange jeden Überblick über die Schlacht verloren, wusste nicht, wie viele ihrer Mitstreiter noch am Leben waren, ob sie den Feind bisher aufhalten konnten oder ob er das Dorf bereits erreicht hatte. Für sie gab es nur die Gegner in ihrer direkten Umgebung, den Kampf mit ihnen. Noch reichten ihre Kräfte, noch konnte sie standhalten. Ein Feind nach dem anderen fiel unter ihrem Schwert, und ihre Hände und Arme klebten von fremdem Blut.
Die Muskeln in ihren Schultern und Armen schmerzten von Sekunde zu Sekunde mehr, ihr Körper zeigte Ermüdungserscheinungen, und ihre Reaktionen wurden immer langsamer. Sie wusste, dass sie nicht mehr lange durchhalten würde, dass mit jedem Moment die Gefahr stieg, dass sie einen Angriff zu langsam blockte, dass eine gegnerische Waffe ungebremst auf ihren Körper traf. Doch sie biss die Zähne zusammen und machte weiter. Es gab keinen Ort, an den sie sich zurückziehen konnte, keinen sicheren Zufluchtsort. Sie und die anderen Kämpfer waren die letzte Verteidigungslinie des Dorfes, die einzige Chance der Kinder und Alten. Und damit hatte sie nur eine Wahl: den Kampf bis zum bitteren Ende, bis entweder sie selbst ihren letzten Atemzug aushauchte, oder aber die Feinde geschlagen waren und das Dorf sich wieder in Sicherheit befand.
Sie biss die Zähne zusammen und holte zum nächsten Schlag aus. Die Gesichter der Gegner sah sie schon lange nicht mehr, auch nicht ihr Geschlecht, und sie hörte auch nicht ihre Worte oder Schreie. Es waren nur düstere Formen, Gestalten in schwarzer Rüstung, die sie angriffen und die sie abwehren und töten musste. Ihre Bewegungen waren automatisch, das harte Training zeigte seine Wirkung, als ihr Körper weiterkämpfte, obwohl ihre Gedanken längst nicht mehr in der Lage waren, jeder Bewegung zu folgen.
Und so reagierte sie auch nicht besonders, als ein Schrank von einem Mann vor ihr auftauchte, ganz in schwarze Rüstung gekleidet, die sicherlich einmal geglänzt hatte, jetzt jedoch von Blut und Dreck, vermischt mit Regenwasser, bedeckt war. Der Hüne führte ein riesiges Zweihandschwert, als wöge es nicht mehr als eine Feder, und ließ die Waffe mit Kraft auf Sie niedergehen. Die junge Frau hob ihren Schild, um den Angriff abzuwehren, doch das mit Metall verstärkte Holz splitterte unter der Wucht des Aufpralls. Ein stechender Schmerz fuhr durch ihren Arm und ihre Schulter, und sie wusste sofort, dass der Arm für einige Zeit taub und unbrauchbar sein würde.
Ihr blieb keine Zeit, ihren kaputten Schild von ihrem linken Arm zu lösen, als sie einen Satz rückwärts machte, um für einen Moment aus der Reichweite ihres Gegners zu kommen. In dem Wissen, dass sie keinesfalls in der Lage sein würde, einen seiner beidhändig geführten kraftvollen Hiebe mit ihrem Einhänder zu stoppen, verlegte sie sich komplett aufs Ausweichen. Sie tanzte um ihren Gegner herum, suchte nach Schwachstellen in seiner Rüstung und Lücken in seiner Deckung, Chancen, mit ihrem kürzeren Schwert zu ihm vorzudringen und ihm eine Verletzung zuzufügen, doch ihr Gegner war gut.
Trotz seiner wuchtigen Waffe und ungeschlachten Gestalt bewegte er sich mit katzengleicher Geschmeidigkeit und unglaublicher Schnelligkeit. Im Gegensatz zu seiner Gegnerin schien er keinerlei Müdigkeit zu verspüren, als er immer wieder zuschlug, ihre eigene Attacken mühelos parierte und sie nach und nach in die Enge trieb. Sie merkte zu spät, dass er, anders als sie, offensichtlich den kompletten Überblick über die Situation behalten hatte. Ihr rechter Fuß stieß gegen den Rumpf eines Gefallenen und sie behielt nur mit Mühe die Balance.
Schlagartig wurde ihr klar, dass er ihr effektiv die Ausweichmöglichkeiten genommen hatte. Sie konnte nur stehenbleiben oder ihn direkt angreifen, denn rückwärts blind über ein nicht abschätzbares Hindernis zu steigen, konnte sie unmöglich riskieren. Sie wollte fluchen, doch sie brauchte ihren Atem zum kämpfen, und so biss sie die Zähne zusammen, straffte die Schultern und versuchte einen letzten verzweifelten Angriff. Sie wusste, sie würde bei diesem Angriff ihr eigenes Leben verlieren, doch sie wollte versuchen, ihren Gegner mit in den Tod zu nehmen.
Und so täuschte sie an, sprang dann vor und zielte auf das linke Knie ihres Gegners, wo zwischen den Beinschienen und dem Kettenhemd ein wenig Freiraum war. Sie wollte aufjubeln, als sie spürte, wie ihre Klinge ins Fleisch des Mannes drang, doch der im gleichen Moment auf ihre Oberschenkel niedergehende Schwertstreich entriss ihrer Kehle stattdessen einen gellenden Schmerzensschrei
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und sie sah sich schweißgebadet in ihrer Hütte um. Es war noch stockfinster draußen, ihr Nachthemd klebte ihr nass an der Haut, ihre Haare hingen ihr wirr ins Gesicht und ihre Augen waren noch immer weit aufgerissen. Ungläubig tastete sie ihren ganzen Körper ab, suchte nach den Kampfverletzungen, nach dem Blut und Dreck, konnte gar nicht glauben, dass es nur ein furchtbarer Traum gewesen sein sollte.
Allmählich beruhigte sich ihr Atem und das wilde Schlagen ihres Herzens ging in das ihr vertraute langsamere Pochen über. Sie schwang die Beine über die Bettkante, zuckte beim Gefühl des eiskalten Lehmbodens an ihren Füßen kurz zusammen und stand dann auf. Sie ging zu ihrer Waschschüssel und benetzte ihr Gesicht mit klarem Wasser, strich sich die Haare aus dem Gesicht und entledigte sich des durchgeschwitzten Nachthemds.
Alles zum Glück nur ein Traum. Ein fürchterlicher Alptraum, aber nicht mehr.
Sie entschloss sich, ein wenig frische Luft schnappen zu gehen, bevor sie in ihr Bett zurückkehrte. In ihrem momentanen Zustand würde sie sowieso nicht einschlafen können, zu aufgewühlt war sie noch von den Bildern, die ihr Unterbewusstsein ihr gezeigt hatte.
Im Dorf war alles ruhig, außer den Nachtwachen an den Palisaden und weiter draußen am Zugangsweg schien jeder zu schlafen. Nicht einmal Tiere waren mehr zu hören, alles schwieg. Hin und wieder strich der Wind über die Strohdächer und durch die Bäume, verursachte ein angenehmes Rauschen.
Sie schloss die Augen und legte ihren Kopf in den Nacken. Die kühle Nachtluft tat ihr jetzt gut, und sie sog die Gerüche des Dorfes tief in ihre Lungen. Der Herbst nahte, und der Duft der Wiesen und Wälder hatte sich verändert. In den Wäldern roch es jetzt immer öfter nach Pilzen, die Bäume trugen reichlich Früchte, die Blätter verfärbten sich allmählich.
Wenn die Sonne aufging, würde sie in den Stall gehen und die Ziegen melken, bevor sie dann am Vormittags-Waffentraining teilnehmen würde. Anschließend wollten sie gemeinsam die Apfelbäume ableeren. Es würde ein guter Tag werden…
Zumindest dachte sie das, bis die Alarmhörner erklangen und einer der jungen Männer, die heute Nacht am Zugangsweg Wache hielten, atemlos ins Dorf gerannt kam. Aus jeder Hütte waren jetzt die Geräusche aus dem Schlaf gerissener Menschen zu hören, das hastige Überstreifen von Kleidung, das Klirren von Waffen, die von ihren Halterungen genommen und angelegt wurden.
Sie stand noch immer im Nachthemd mitten im Dorf, als der Wächter sie erreichte und die Hände auf die Knie stützte, während er versuchte, zu Atem zu kommen. Obwohl er so weit und schnell gerannt war, war der Junge – denn zu den Männern konnte man ihn wahrlich noch nicht zählen – bleich im Gesicht. Seine Augen waren groß und rund und in ihnen stand deutlich die nackte Angst geschrieben. Noch immer keuchend versuchte er, die Botschaft zu vermitteln, mit der er geschickt worden war.
Anfangs wurde sie aus seinen abgehackten, von Keuchen und Husten unterbrochenen Wörtern nicht schlau.
Pass… Hilfe… schnell
Doch nach und nach beruhigte sich der Junge und bei dem, was sie hörte, wich ihr alle Farbe aus dem Gesicht und ihre Knie wurden weich.
Eine große Armee bewegt sich auf den Pass zu… Krieger in schwarzen Rüstungen… unzählige… Alle Kämpfer müssen sofort los… Bevor die Angreifer das Dorf erreichen können
Eine große Armee von Kriegern in schwarzen Rüstungen. Wie in meinem Traum. Oh ihr Götter…
Und in diesem Moment wusste sie mit absoluter Sicherheit, dass sie den heutigen Tag, der noch kaum begonnen hatte, nicht überleben würde.
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