Beitrag #2
Am Nachmittag zuvor, in einer Hütte im Wald
Wenn du dein Pferd nur halb so gut reiten würdest wie mich, dann könntest du deinen Bruder im Training spielend besiegen...
Wenn du letztes Mal nicht vergessen hättest, eine neue Flasche Öl zu besorgen, hätte ich mein Pferd besser reiten können und hätte meinem Bruder keine schlimme Muskelzerrung vorgaukeln müssen, um meinen seltsamen Gang zu erklären…
Die beiden Männer, die sich so scherzhaft neckten, lagen nackt und ineinander verschlungen unter einer dünnen Decke auf einer noch dünneren Strohmatratze. Der eine hatte sonnengebräunte Haut, braune Augen und lange, schwarze Locken, der andere, der halb auf ihm lag, den Kopf an seiner Schulter, war eher hellhäutig, hatte grüne Augen und langes silberblondes Haar, das sich wie ein Wasserfall über seine Schultern und die Brust seines Liebhabers ergoss. Auf beiden Körpern glänzte der Schweiß und der Geruch von Sex hing schwer in der Luft. Über den Boden verstreut lagen die Kleider der beiden Männer, sehr einfache Kleider, zu denen ihr gepflegtes Äußeres - rasierte Wangen, gewaschene Haare, saubere Hände - nicht recht passen wollte.
Der Dunkelhaarige strich seinem Partner über den Rücken und presste einen Kuss auf seine Stirn. Der Blonde kuschelte sich an seine Schulter, rieb in kleinen Kreisen über die Brust seines Liebhabers. Eine Weile lagen sie nur so da, berührten einander und küssten sich, bevor der Dunkelhaarige sprach.
Versucht dein Bruder eigentlich immer noch, eine Frau für dich zu finden?
Ein leises Lachen war zuerst die einzige Antwort, die er erhielt, während sein Partner seine Wange über die Haare auf seiner Brust rieb.
Inzwischen habe ich meinen Ruf als Musik- und Literaturliebhaber ausreichend gefestigt, dass Lucianus es als aussichtslos betrachtet, eine angemessene Frau für mich zu finden. Stattdessen versucht er, mein Interesse für die Kampfkünste zu schüren, damit ich mir einen Namen als Ritter machen und so die Gunst einer Tochter aus vornehmem und reichem Hause gewinnen kann.
Nun lachte der Dunkelhaarige auf.
Da wünsch ich deinem Bruder viel Erfolg. Wobei es wohl weniger an der Gunst der jungen Damen mangelt als am Wohlwollen ihrer Väter, die ihr hochwohlgeborenes Töchterchen nur an einen einflussreichen und wohlhabenden Ritter aus vornehmer Familie verheiratet wissen wollen, der sich bereits einen guten Ruf im Reich gemacht hat.
Zum Glück. Ich kann ihnen ja schlecht erklären, dass ich zwar durchaus in der Lage wäre, alle diese Anforderungen zu erfüllen, sollte ich jemals öffentlich meine Fähigkeiten im Kampf demonstrieren, bedauerlicherweise aber keinerlei Interesse an ihren angeblich bildschönen Töchtern habe.
Wie bist du seit unserem letzten Treffen um eine Heirat herumgekommen? Immerhin hast du mir ein paar Jahre voraus, Falco…
Ach Silvanis, irgendeinen Vorteil muss es doch haben, dass mein Bruder ein Säufer ohne An- und Verstand ist.
Der Falco genannte Mann lachte bitter auf.
Seit unser Vater vorletztes Jahr gestorben ist, kümmert sich Regulus um gar nichts mehr. Ich helfe im Hintergrund aus, damit er Silberfelsen nicht völlig zu Grunde richtet. Ich sehe allerdings keinerlei Veranlassung, mich selbst zum Wohle der Familie zu einer Vernunftehe zu überreden…
Das laute Lachen beider Männer erscholl in der Hütte. Als Silvanis sich wieder soweit beruhigt hatte, dass er verständliche Worte herausbrachte, sah er seinen Partner mit einem schalkhaften Grinsen an.
Solltest du dich irgendwann doch zu diesem Streitgespräch mit dir selbst veranlasst sehen, gib mir rechtzeitig Bescheid, damit ich noch einen Vorwand für einen Besuch auf Silberfelsen finden und dir zusehen kann. Bei deiner spitzen Zunge sollte dieses Gespräch mehr als interessant werden.
Seltsam, ich könnte schwören, dass du noch vor einer halben Stunde ganz begeistert von den Talenten meiner ach so spitzen Zunge warst…
neckte Falco nicht weniger grinsend zurück, und kurz darauf wälzten sich beide wieder eng aneinandergepresst über ihre Lagerstatt.
Die Sonne stand bereits tief, als die beiden Männer komplett angezogen die Hütte verließen, um nach einem letzten innigen Kuss auf getrennten Wegen in die Stadt zurückzukehren. Keiner von beiden wusste, dass längst etwas geschehen war, das für sie beide zur Katastrophe führen würde, zu einer, die keiner von ihnen vorausgesehen hatte.
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