Beitrag #9
Als sich sein Gegner in Bewegung setzte, zu seinem Entsetzen wesentlich schneller, als er erwartet hatte, beschloß Hieronimus, dem Angriff mit einem ebensolchen zu begegnen. Er ließ sich noch ein wenig tiefer sinken, und rannte dann los, Primus Schulter oder Kopf in den Magen zu rammen, je nachdem, was sich ergab. Er konnte nur hoffen, daß dies auch durch die Rüstung hindurch seine Wirkung haben würde. In diesem Augenblick unternahm sein Gegner einen schnellen Schritt zur Rechten, und senkte seinen Schild. Hieronimus blieb nicht die Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, denn seine linke Schulter befand sich auf gleicher Höhe mit genau diesem, und schrammte in ungünstigem Winkel daran vorbei. Ob er seinem Gegner auf diese Art aus dem Gleichgewicht, oder zumindest aus dem Angriffsrhytmus brachte, wußte er nicht, denn vom eigenen Schwung getragen stolperte er noch einige Schritte weiter. Das Schwert, mit dem sein Gegner ursprünglich seinen Unterleib treffen wollte, verfehlte, und hinterließ seine Spur an der Unterseite von Hieronimus' Umhang. Zumindest schien auch er nicht mit dieser Art der Reaktion gerechnet zu haben.
Sie hatten sich gegenseitig verfehlt.
Hieronimus fuhr herum, und sah seinen Gegner dort stehen, wo er ihn in Erinnerung hatte. Allmählich begann dieser Kampf den Eindruck des Aufeinandertreffens wilder Tiere zu machen, die in immer neuen Wellen aufeinander zurasten. Spielerisch und mit breitem Grinsen scharrte er ein wenig mit dem Fuß im Arenaboden. Allein, für die Zuschauer war dieses Aufeinandertreffen bisher alles andere als unterhaltsam, und die ohnehin nicht sehr vollen Ränge begannen langsam, sich noch weiter zu leeren. Er warf einen Blick in sein Innerstes. Möglicherweise würden sie bald mehr zu sehen bekommen. Bereits jetzt spürte er eine Form der Aggression, die ihm Angst machte. Er würde diesen Kampf für sich entscheiden, doch vielleicht auf eine Art, die er selbst nicht wollte. Und es wurde stärker.
Er mußte dagegen ankämpfen... mußte kämpfen. Das Duell war nebensächlich, er hatte anderes zu tun. Er konnte sich nicht gehen lassen, nicht hier, nicht vor den Augen Roms. Eilig steckte er sein Schwert zur Hälfte in seinen Stiefel, so, daß es ihn nicht verletzen würde, um beide Hände frei zu haben. Er hielt sich den Schädel. Die Möglichkeit, das Duell schnell genug zu beenden, um nicht mit sich selbst in Konflikt zu geraten, konnte er ausschließen, dafür war es zu spät. Er müßte sich anstelle eines äußeren Feindes auf einen inneren konzentrieren. Die Sonne brannte unbarmherzig auf seinen Schädel, allmählich senkte sich ein dunkler Vorhang vor seinen Augen.
Er spürte, daß er das, was da in ihm lauerte, im Augenblick nur aufhalten, jedoch nicht zurückdrängen konnte. Und selbst das konnte sich jeden Moment ändern. Mochte er auch dieses Duell gewinnen, einen Kampf, der ihm wesentlich wichtiger war, drohte er zu verlieren.
Primus durfte mit ansehen, wie sein Kontrahent, kaum das Gleichgewicht haltend, die Hände an den Kopf gepreßt, schwankend dastand, und sein gesamtes Umfeld aus dem Blick zu verlieren schien.
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