Beitrag #4
„Bei den Göttern, warum nur?“
Kjaskar schritt unruhig in dem viel zu kleinen Raum auf und ab, während er immer wieder den Kopf schüttelte. Die Fackeln flackerten bei jedem Vorbeigehen unruhig auf und schienen sich so die ganze Zeit über zu bewegen, als ob sie in einem Sturmwind stünden.
Der blonde Hüne hatte sich erneut zu einem Duell überreden lassen – ein Weiteres, das er gar nicht bestreiten wollte. Er hatte sich nach dem Duell in Silva Romae geschworen, nie wieder seine Klinge zum Messen von Kräften zu kreuzen. Lange, sehr lange sogar hatte er sich an seinen Grundsatz halten können, doch nun befand er sich schon wieder in dieser Kammer…
Fluchend hielt er mit seinem unsteten Lauf inne und ließ seine Fäuste auf den kleinen Tisch krachen. Vorn übergebeugt sank sein Kopf in seine Hände, während sich seine Ellebogen auf dem Holz abstützten.
Er konnte dies alles nicht mehr. Alleine der Gedanke an einen weiteren Anfall, wie er ihn gegen Babe erlebt hatte, ließ ihn schaudern. Damals war ihm bewusst geworden, dass er seine Äxte nicht mehr zum reinen Kräftemessen führen konnte. Und dennoch war er wieder in der Arena.
Sein Blick richtete sich langsam wieder auf. Vor ihm, auf dem Tisch lag eine einblättrige Axt. Lederbänder waren um den langen Griff der Waffe in einem komplizierten Muster gewickelt und verstärkten so den Halt der Hände.
Crowe hing ihm schon seit Monden in den Ohren. Für den Samniten war das Duell gegen den Hünen eine Herausforderung, die ihm Ruhm und ansehen schenken würde. Anders für Kjaskar. Sein Stern in den Arenen Roms stand schon lange nicht mehr so hoch wie früher, und jeder Auftritt in der Öffentlichkeit war ein Kampf gegen die breite Meinung der Masse. Eine Niederlage würde ihn langsam aber sicher in die Mittelklassigkeit verbannen, ein Abstieg, den der Hüne trotz seiner derzeitigen Abneigung gegen die Duelle nicht bereit war zu gehen.
Trotzig griff er nach der Axt und wog sie in seiner Rechten. Das Gewicht fühlte sich vertraut an, nahm ihm einige seiner Zweifel. Er war ein Krieger, und er lebte wie ein Krieger. Ein feiges Kneifen war etwas für Horasier und Weicheier, aber nichts für einen Kjaskar Swafnildson. Der Widerwille gegen das Duell jedoch blieb.
Langsam nahm er den Rundschild auf. Der bronzene Schutz kam gegen einige der Nieten von seiner Krötenhaut und erzeugte einen schaurigen Klang. Der lederne Schutz war alt und von unzähligen Kämpfen gezeichnet, und dennoch fühlte sich der Hüne in ihm am wohlsten. Vielleicht, so dachte er, weil sie wie er war – alt, aber zu trotzig, um ganz aufzugeben und zu zerfallen. Ein leichtes Lächeln spielte sich bei dem Gedanken um seine Mundwinkel, während er ein letztes Mal die Schlaufen und Verschlüsse der ledernen Einzelteile der Rüstung überprüfte.
Er wurde langsam alt. Früher hätte er sich nicht mit solch unsinnigen Gedanken kurz vor einer Schlacht herumgeschlagen. Nein, er hätte über seinen Gegner nachgedacht und sich auf seinen Kampfstil vorbereitet. Nun sinnierte er über das Leben und den Sinn eines Kriegers…
Lachend umschloss er den Haltegriff seines Rundeschildes fester. Egal, wie dieser Kampf ausgehen würde, er würde sich einen Dreck um die Meinung der anderen Scheren. Dieses Duell war nichts mehr als ein Aufeinandertreffen von vielen – und er würde das tun, was er schon immer getan hatte, sein ganzes Leben lang: kämpfen.
Ein letzter Schlag der Schildkante gegen seine Stirn erfolgte, dann schritt der Hüne mit weit ausholenden Schritten in Richtung Arena. Rufe erklangen aus dem Rund und verrieten dem offiziellen Schiedsrichter, dass sein Gegner schon anwesend war.
Ausdruckslos trat er aus dem Eingangstor und schritt auf Crowe zu. Ein Nicken ging in Richtung der Schiedsrichterloge. Ein neues Mitglied hatte sich dort breit gemacht und schien sich schon mit Kjaskars komfortablen Arbeitsplatz angefreundet zu haben. Der Zwerg rief irgendetwas in seine Richtung, was der Hüne aufgrund des aufkommenden Jubels nicht verstehen konnte und so grinste er Kamikaze nur freundlich an und hob einen Daumen.
Die Entfernung zu dem Samniten war schnell überbrückt. Mit raschen Blicken erfasste der Nordmann die Ausrüstung seines Gegenübers und seufzte innerlich. Die fernöstlichen Schaschlikspieße schienen immer mehr in Mode zu kommen.
„Swafnir zum Gruße, Crowe. Das Wohl, das war es doch, was du wolltest, oder?“
Er deutete mit ausgestreckter Axt einmal um sich herum.
„Nun hast du es. Die Bürger Roms liegen dir für einen Kampf zu Füßen und werden jeden deiner Schläge, Schritte und Ausweichmanöver verfolgen. Das Wohl, dann wollen wir mal…“
Kjaskar trat einen Schritt zurück, wobei er seine Füße fest in den Arenasand stemmte. Der Schildarm bewegte sich nach oben und deckte einen Großteil seiner linken Seite, während die Axt leicht gestreckt rechts von ihm wippte. Aufmerksam musterte der Hüne den ersten Schritt seines Gegners…
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