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Hochmut kommt vor dem Fall
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Beitrag #1
Hochmut kommt vor dem Fall
Mit raschen Schritten eilte Rufus durch Roms Gassen, während der Tag sich dem Ende zuneigte, mit einem Sonnenuntergang, der den Himmel blutrot erschimmern liess. Geistesabwesend, doch immer mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen, erwiderte er die respektvollen Grüsse der Bewohner Roms, die seinen Weg kreuzten. Mit 30 Jahren befand sich Rufus im besten Mannesalter, seine vierschrötige Gestalt war für die meisten beeindruckend und wollte ganz und gar nicht zu seinen sanften Gesichtszügen passen, ein Gesicht, in dem blaue Augen mit engelsgleicher Unschuld die Welt musterten. Trotz seiner massigen Statur bewegte sich Rufus mit grossem Geschick und fast lautlos, dies hatten schon einige seiner Soldaten mit Erschrecken feststellen müssen, als plötzlich die leise Stimme ihres Zenturios hinter ihnen erklungen war...

Seine Gedanken wanderten gen morgigen Tag, jenen besonderen Tag, an dem er in der Arena auf den Nubier treffen würde, der als der Schwarze Koloss bekannt war und jeden seiner Kämpfe bisher siegreich beendet hatte, so wie er selbst nun seit 365 Tagen jeden Tag in der Arena einem Gegner gegenübergestanden hatte. Seine Gegner blieben leblos im Staube der Arena zurück, während ihn die kreischende Zuschauermenge frenetisch feierte- und dem Kampf des kommenden Tages entgegenfieberte. Nicht einen Kratzer hatten ihm seine Gegner bisher beibringen können. Sein zernarbter Körper schien eine andere Sprache zu sprechen, doch alle Narben rührten von jenen Verletzungen her, die er sich selbst rituell zu Beginn eines jeden Kampfes selbst beigebracht hatte, um dann seinen Blick gen Zuschauer zu richten, mit den Worten: "Mein Blut fliesst nur für euch, weil ich es will- und nicht, weil mein Gegner mich verletzen könnte! Dessen Blut werde ich Euch zu Ehren fliessen lassen!" 365mal hatte er dieser Ankündigung auch Taten folgen lassen...

Morgen würde es der 366te Kampf sein- sein letzter Kampf in der Arena. Morgen würde er den Rekord jenes Gladiators übertreffen, den man den Prediger nannte, weil dieser seinem Gegner immer ein Gebet gewidmet hatte, bevor er diesem dann den Todesstoss versetzte. Täglich hatte dieser einen Arenenkampf bestritten, 365 Tage hintereinander verliess der Prediger die Arena als Sieger, nur um nach dem letzten Kampfe vor allen Göttern zu schwören, dass er mit diesen seinen Händen niemals wieder eine Waffe gegen einen Menschen erheben würde. Noch heute war der Prediger eine Legende, obwohl dessen letzter Kampf vor 20 Jahren stattgefunden hatte. Rufus fragte sich, ob der Prediger noch unter den Lebenden weilen mochte, falls ja, müsste er wohl heute 60 Jahre alt sein. Für einen kurzen Moment ergötzte sich Rufus an der Vorstellung, der Prediger wäre unter den Zuschauern des morgigen Kampfes und würde ihm zu seinem Erfolg gratulieren, doch schüttelte er diese Gedanken ab. Niemals wieder hatte jemand etwas vom Prediger gehört, und bald würde er, Rufus, eine lebende Legende sein, der Prediger dagegen dem Vergessen anheim fallen...

Das Tageslicht war schon der Dämmerung gewichen, als Rufus sein Ziel, die Taverne "Zum Schlafenden Drachen", erreichte. Seit vier Wochen war er hier jeden Abend zu Gast, seit jenem Tage, an dem ihm zugetragen wurde, in dieser Taverne würde eine Tänzerin auftreten, eine exotische Schönheit, deren Darbietungen unvergleichlich wären. Er hatte diese Schilderungen zuerst als die üblichen Übertreibungen abgetan, doch eines Abends beschlossen, sich mit eigenen Augen zu überzeugen. Welch ein grandioser Abend war dies gewesen. Sein Puls begann schon ob der Erinnerungen zu rasen- atemberaubend war Saphiras Schönheit, jede ihrer tänzerischen Darbietung liess ihn in Sinnlichkeit versinken. Seit jenem Abend war er jeden Abend in der Taverne zu Gast gewesen, verzaubert von Saphira und doch wie gelähmt. Er, der vor Selbstbewusstsein strotzte, dem viele Frauen Roms sich zu Füssen werfen würden, verwandelte sich in Saphiras Nähe zu einem schüchternen Knaben, dem die Zunge am Gaumen klebte, der in Gedanken Worte stammelte, die er an sie richten wollte, doch diese wieder verwarf und niemals aussprach, sondern nur mit brennenden Blicken ihrem Tanze folgte. Saphira schien nicht nur ihn zu verzaubern, sondern alle Besucher der zum Bersten mit Anwesenden gefüllten Taverne- und alle bedachte Saphira gleichermassen mit verführerischem Lächeln, ob den Jüngling, in dessem Gesicht sich kaum der erste zarte Bartpflaum zeigte, oder den Veteranen der Legion oder ihn, den Zenturio, oder den sabbernden Priester der Minerva, der sich jeden Abend in der Taverne betrank und unverständliche Worte in seinen verfilzten Bart brabbelte.

Die Taverne war schon voll bis auf den letzten Platz, doch hatte der Wirt dienstbeflissen für den Zenturio dessen Stammplatz freigehalten und begrüsste Rufus überschwenglich. Unruhe breitete sich unter den Gästen aus, als Amthes und dessen zehn Soldaten in voller Rüstung sich um Rufus herum verteilten und freundlich, aber bestimmt andere Besucher zurückdrängten. Es war nicht Rufus Idee gewesen, seinen vertrautesten Dekurio und dessen Mannen mitzunehmen, doch hatte Amthes darauf bestanden, ihn zu begleiten, mit den Worten: "Zenturio, mit allem Respekt, ich muss darauf bestehen. Denkt an den morgigen Tag. Ihr werdet ganz sicher mit irgendwelchen betrunkenen Raufbolden fertig, doch ich will nicht, dass Ihr irgendwelche Blessuren davontragt, nur weil das Glück einem Tölpel mit einem Messerchen hold ist. Geniesst den Abend und überlasst Euren Schutz uns!" Rufus setzte sich, die junge Bedienung, an deren Namen er sich nicht erinnern konnte, brachte ihn mit einem verführerischen Lächeln sein gewohntes Getränk. Mit freundlicher Stimme bedankte er sich wie üblich höflich, in ungeduldiger Erwartung von Saphiras Auftritt.

Ein tiefes Seufzen schien durch die Anwesenden zu gehen- sie war erschienen, mit ihrem zauberhaften strahlenden Lächeln, den vergnügt funkelnden Augen, in einer Bekleidung, die mehr enthüllte, als sie verbarg. Ihre heutigen Darbietungen wurden von einer Flöte begleitet, ihr Tanz ähnelte den Bewegungungen einer Schlange. Wie alle Anwesenden folgte Rufus gebannt Saphiras Tanze, doch irgendetwas erschien ihm heute abend anders zu sein, sein Puls begann zu rasen, konnte es sein- es schien, als gelte Saphiras Tanz heute nur ihm, ihm alleine, er wollte es nicht glauben, doch schon kam sie näher, auf ihn zu, ihr betörender Duft hüllte ihn ein, während ihr Flüstern ihn erreichte "Heute ist ein besonderer Tag, ein Tag, an dem Ihr, Zenturio, mir eine Bitte erfüllen könntet..." Rufus schluckte, sein Herz klopfte ihm bis zum Halse, wollte schier zerspringen, gebannt blickte er auf Saphira, die ihm aufgeregt erschien, ihr Busen wogte vor seinen Augen, die seinem Gefühl nach gerade aus ihren Höhlen zu treten schienen, er rang nach Worten, um letztendlich mit heiserer Stimme zu antworten: "Welch immer auch Euer Wunsch, Werte Dame, er sei mir ein Befehl!"

Ein himmlisches Lächeln der Tänzerin war die Belohnung für seine Worte, diese drückte ihm einen raschen Kuss auf die Wange, um dann freudestrahlend auszurufen: "Ihr alle, hört her, heute ist ein besonderer Tag, denn ich habe den Mann meines Lebens gefunden, die Hochzeit soll sogleich hier und jetzt stattfinden, der ehrenwerte Priester Minervas soll uns trauen- und dieser tapfere Zenturio, Held zahlreicher Arenenkämpfe... wird der Trauzeuge sein!"
Rufus Blick löste sich voller Unglauben von Saphiras tiefem Ausschnitt, während ringsherum das Stimmgewirr der begeisterten Gäste anschwoll, stand er hastig auf, wandte sich Saphira zu und stammelte: "Wer... Wer... Wer ist denn... dieser... Glückliche?" Saphira widmete ihm einen koketten Blick, dann deutete sie auf einen jungen unscheinbaren Mann, wohl kaum 20 Jahre alt, der ob der Aufmerksamkeit des Zenturios mitnichten beglückt schien und verlegen seine derben Hände ineinander verschlang. Die Tänzerin murmelte in Rufus Ohr: "Das ist Aleppo, er ist Bauer und sehr schüchtern, aber von sanftem Wesen. Er hat das Herz auf dem rechten Fleck, er ist all das, was ich mir erträume, er wird immer mein Traumprinz sein...!"

Voller Unglauben musterte Rufus diesen Aleppo, der so unscheinbar wirkte, wie es einem tumben Bauern anstand. Brodelnd wallte der Zorn in den Zenturio auf, ein rascher Schritt brachte ihn vor Aleppo, der aschfahl zur Wand zurückwich, während Rufus Hand zum Griff seines Gladius wanderte- nur um plötzlich festzustellen, dass eine Hand fest sein Handgelenk umklammerte. Rufus wandte den Blick, begegnete dem entschlossenen Blick seines Dekurios, der ihm zuraunte: "Zenturio, nicht hier! Wir sind hier im Schlafenden Drachen- hütet Euch, Selbigen zu erwecken. Hier verkehren Mitglieder der Palastwache, deren Aufmerksamkeit Ihr auf diese Weise besser nicht auf Euch ziehen solltet!"
Rufus erstarrte Hand löste sich vom Schwertgriff, er holte tief Luft, zwang sich zu einem freundlichen Lächeln, um dann mit sanfter Stimme den zitternden Aleppo anzusprechen: "Werter Aleppo, Ihr seid der Bräutigam von Saphira, und meine Wenigkeit soll Trauzeuge sein. Ich bin den Göttern verpflichtet, eine solch bezaubernde Dame wie Saphira soll nur jenen ehelichen, der ihre Ehre zu verteidigen weis. Beweist Eure Eignung, morgen in der Arena, als Gegner wird Euch meine Wenigkeit zur Verfügung stehen. Wenn Ihr gegen mich obsiegt, seid Ihr gewiss ein geeigneter Ehemann!"

Rufus übersah bewusst mit innerlicher Genugtung das sich auf der Tänzerin Gesicht abzeichnende Entsetzen, mit Befriedigung stellte er fest, dass Aleppos Zittern sich vehement zu verstärken schien und dieser mit wächsernem Gesicht wie ein Fisch auf dem Trockenen nach Luft rang. Ein sanftes Plätschern erreichte seine Ohren, sein Blick wandte sich nach unten, um voller Ekel das Rinnsal zu betrachten, das sich zwischen des Bauern Füssen bildete. Mit einem verächtlichen Schnauben wollte der Zenturio sich schon abwenden, als eine knochige Hand mit schlaffem Griff die seinige Hand packte. Verblüfft starrte er den Besitzer der Hand an, einen tattrigen Greis in schmutziger Robe, der mit keifender Stimme auf ihn einbrabbelte: "Zenturio, lästere nicht die Götter! In Minervas Namen soll ich die beiden trauen, und das werde ich tun, und Du wirst der Trauzeuge sein, selbst wenn ich Dir den Hintern versohlen muss, um Dich zur Vernunft zu brinen! Das schwöre ich in Minervas Namen! Und den Hintern versohle ich Dir in der Arena, der Jüngling ist für Dich kein Gegner, aber wenn Du einen Gegner suchst, dann hast Du in mir einen gefunden! Ha!!"

Unwillkürlich trat Rufus einen Schritt zurück, der Alte verströmte einen Geruch aus ungewaschenem Körper und alkoholgeschwängertem Atem, musterte dessen in Eifer brennenden Gesichtsausdruck- und lachte laut auf, bevor er mit verächtlicher Stimme antwortete: "Das Jüngelchen kann sein Wasser nicht halten, aber eine Waffe kann er vermutlich heben. Du Tattergreis hebst höchstens noch Dein Trinkgefäss, und dies sicher nicht nur einmal, wie ich nur allzugut erschnuppern kann!" Mit Verblüffung stellte der Zenturio fest, dass auf des Priesters Stirn die Adern vor Zorn anschwollen, während dessen Hände einen Holzscheit ergriffen, den er er langsam anhob und ausgestreckt vor sich hielt, um mit sich überschlagender Stimme zu brüllen: "Zenturio, siehst Du diesen Holzscheit? Schau genau hin, wie ich diesen hebe, wie ich diesen ausgestreckt halte...". Rufus schüttelte schmunzelnd seinen Kopf ob des Alten Irrsinns, als plötzlich in seinem Unterleib Schmerzen explodierten- während der Zenturio sich mit scharf eingezogenem Atem zusammenkrümmte, fuhr des Alten Stimme mit triumphierenden Unterton fort: "... Hast gut hingeschaut? Hättest mal besser auf mein Knie geachtet! Dir kann ich noch was beibringen, Freundch...". Des Alten Stimme erstarb in einem Gurgeln, miit schmerzverzerrten Gesicht richtete Rufus sich auf- und erblickte den Greis, den drei Soldaten seines Dekurios auf den Boden gedrückt festhielten.

Rufus holte tief Luft, danach wandte er sich an Amthes: "Dekurio, der Priester soll seinen Willen haben. Schafft ihn in die Arena, in einer der Zellen für Gladiatoren kann er die Nacht meditieren. Wascht ihn und nüchtert ihn aus, morgen mag er Waffen für den Kampf in der Arena wählen, wie es ihm beliebt. Dem Jüngelchen leisten zwei der Eurigen Gesellschaft, nicht, dass diesen plötzlich der Ruf seiner Felder ereilt und er hastigst aufzubrechen gedenkt- ich möchte ihn morgen abend hier noch vorfinden!" Sein Blick wandte sich Saphira zu, und er führ mit sanfter Stimme fort: "Werte Saphira, sollte dieser Priester mich besiegen, müsst Ihr leider auf mich als Trauzeugen verzichten. Sollte ich obsiegen, wovon ich ausgehe, werde ich gerne als Trauzeuge zur Verfügung stehen, Ihr braucht dann nur noch einen neuen Priester zu organisieren, der Euch traut- doch das Recht der ersten Nacht mit Euch gebührt in diesem Falle mir, damit Ihr erfahrt, wo der Unterschied zwischen Mann und einem bäuerlichen Jüngelchen besteht. Zwei meiner Leute stehen Euch als Ehrengarde zur Verfügung- mit allem Respekt, wie es Euch gebührt! Ich werde Euch morgen abend sicher hier noch antreffen, nicht wahr? Andernfalls heiratet Euer Bräutigam die Löwen in der Arena!"

Rufus wandte sich zum Gehen, das Schluchzen von Saphira überhörte er geflissentlich, mit Befriedigung vernahm er die wie üblich effizienten Anweisungen seines Dekurios an dessen Mannen. Das zeternde Gekeife des alten Priesters, den vier Soldaten aus der Taverne schleppten, ignorierte er... sein Herz war zersprungen, und all jene, die ihm das angetan hatten, würden feststellen müssen, dass sie alle... alle.... einen bitteren Preis dafür bezahlen würden müssen!
12.05.2008, 15:34


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Hochmut kommt vor dem Fall - von Traumtaenzer - 12.05.2008, 15:34
[Kein Betreff] - von Traumtaenzer - 12.05.2008, 15:37
[Kein Betreff] - von Traumtaenzer - 12.05.2008, 15:37