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[RPG] Vom Tod und anderen Gegebenheiten
Anonymous

Gast

 
Beitrag #2
 
„Dignus est intrare.“*, immer noch hallten diese Worte in dem Raum zwischen seinen Ohren, auch wenn der Zeitpunkt, als der fünfeinhalb Fuß große Palatese sie vernommen hatte, scheinbar von den Wellen der Vergangenheit davongetragen wurde.
Eine Sonnenwende schon, stets begleitet von seiner rauen, ursprünglich schwarzen Leinenrobe, dem geschwärztem Stab, einem schwarzen - mit gesteppter Lederkleidung gefülltem - Sack und der Entschlossenheit , die ihm auferlegte Mission zuvollenden, verfolgte er den verstört anmutenden Mann.
Die abgegriffenen Stellen am Eichenholz bezeugten den langjährigen Gebrauch der Gehhilfe; fast zärtlich streichelte er über die kunstvollen Schnitzereien, welche die einzige Erinnerung an sein kleines, an den Ausläufern der Ostberge gelegenes Heimatdorf, darstellten.

…Erinnerungen…

Ein Hirte ward auf der Weide abseits des Dorfes, als das einziges
schwarze Schaf meiner zubeaufsichtigen Herde -„Heinz-Egon der II.“- in den nahen immergrünen Mischwald davonstob.
Heinz-Egon den I. mit Worten belegend, welche einem alten Seebären alle Ehre machen würden, pferchte der junge Mann die restlichen Schafe ein, um dem Ausreißer hinterher zu laufen. Nach einundhalb Stunden - unter den tiefhängenden, moosbewachsenen Armen der Baumgestalten und über die Wurzeln selbiger hechtend – fand sich der erschöpfte Schafshirte in einem Ihm unbekannten Teil des Waldes wieder.
Suchend blickte er sich vergeblich nach Heinz-Egon um. Plötzlich ertönte ein ihm wohlbekannter Laut – das Blöken eines Schafes, doch irgendetwas war anders – das lang gezogene „MÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄH“ schien den Jüngling in seinem Innersten zu fesseln und zu sich zurufen, warm, verheißungsvoll schlang es sich seinen Körper, umspielte seine Ohren und führte Venenarius schließlich zu der Höhle, wo er es zum ersten mal sah und in der Sprache seiner Vorväter sprechen hörte:
„An nescis, mi fili, quantilla prudentia mundus regatur? Sequere me et ego te illuminabo. Posthac discipulus sis meus…“** Ängstlich blickte der Hirte in die tiefschwarzen Augen des Schafes, welche auf unheimliche Weise Wärme und Vertrauen spendeten „Ich…Ich... verstehe nicht…“ waren die einzigen Worte die die Lippen des Menschen verließen. „Comprehendes…“ *** und damit verblasste das Schaf vor den ungläubigen Augen des Jünglings…

Mit einem Schmunzeln auf den spröden Lippen, schüttelte Venenarius den Kopf um sich auf seine Aufgabe vorzubereiten. Vor einem Jahr hatte er sie in einer Vision empfangen:
„Dignus est intrare.“* zusammen mit dem Bild des Mannes – viele nannten ihn „Amaran“ - den er verfolgte.
Sechs Monate hatte der Jünger mit der Suche verbracht, welche ihn bis in die rauen Gefilde der Nordmannen der Ottajesko brachten. Dort unter vom Met vernebelten Trunkenbolden - sogar ein Kater ward unter Ihnen -wohlriechenden , siedlungsnahen, Sumpfkrautfeldern und barbusigen, rothaarigen Badefrauen fand er Amaran – verstört, einsam unter vielen und verloren.

Weitere Monate verbrachte der Kerl allein in seiner Hütte bei den Thorwaler – stets beobachtet durch die wachen Augen des ehemaligen Schafshirten, bis er in einer sturmgeschwängerten Nacht unter den stroboskopartigen, grellen Blitzästen, seinen Weg begann – in Richtung Venenarius’ Heimat – Palatin.

Die beschwerliche Reise führte durch verschneite Berge, trockene Steppen, reisende Flüsse und labyrinthartige Städte. Bis die Reise anscheinend ihr Ende in den Bergen Venenarius' Heimat fand. Bisher hatte Amaran noch nichts von seinem Verfolger bemerkt, und es würde sich vorerst nicht ändern.

Etwas verwundert blickte Venenarius auf den Mann, als dieser sich seiner schützenden Rüstung und wärmenden Kleider entledigte, seine Habe über den Rand - in die Eidarschlucht warf und sich schließlich auf den kalten, toten Boden kniete. Mit Abscheu betrachtete der Hirte den kalkweißen, geschundenen, von vielen Narben gezeichneten Körper – unwissend das sich bald eine weitere Wunde in den Kreis der Male einfügen würde.
Kurz schloss er die Augen um sich die letzte Vision des Schafes in die Erinnerung zu rufen: Das Bild dieses Plateaus gepaart mit den Worten „Hic locus est ubi ovis gaudet succurrere mors"****

Seitdem er die Worte letzten Morgen vernommen hatte, grübelte Venenarius über die Bedeutung dieser Worte, bis ein Aufschrei Ihm die Erleuchtung brachte:
Anscheinend von Sinnen trieb sich Amaran einen Dolch in die Brust, um ihn kurz darauf herauszuziehen und seinem befreitem Lebenssaft auf dem Weg aus der Umklammerung des Körpers zuzublicken begleitet von dem widerhallendem, irren Lachen, welches seiner Kehle entsprang.

Entsetzt betrachtete Venenarius das pulsierende Spiel des Flusses aus rubinroter Flüssigkeit, welche sich aus der Brust seines Auserwählten ergoss. Wie aus einem sich leerendem Weinschlauch begann der Strom zu nach einigen Sekunden zu versiegen und Amaran kippte vorn über – kalkweiß.
Nach einer Minute der Starre stützte sich der Jünger auf deinem Stab auf um sich zum gehen zu wenden. „Was wollte das Schaf nur von diesem Tor, er hat den größten Frevel begannen – sein eigenes Leben zu nehmen…“ Über sich türmten sich die Wolken zusammen, und plötzlich ertönte ein donnerndes, markerschütterndes Blöken, welches den Hirten fast von den Füßen fegte. In der Absicht einen vermeintlichen letzten Blick auf zu Amaran werfen, gefror ihm fast das Blut: Der Kapuzenträger sah das Schaf über dem blutenden Mann schwebend, eine Elle über dem Mund manifestierte sich eine illuminierte, durchsichtige Kanne; aus der sich eine milchige Flüssigkeit in den Mund des scheinbar Toten ergoss.
Ungläubig, rieb sich Venenarius mit verdreckten Fingern über die Augen, als er sah wie sich die Gestalt unversehrt wieder erhob. Nun verstand er die weit reichende Bedeutung der letzten Prophezeiung und begann sich mit vorsichtigen Schritten dem Wiederauferstandenem zu nähren.

"In nomine ovis sanctae*****... Ihr seid wiederauferstanden... seine Macht ist unvorstellbar"Mit diesen Worten umschloss der Hirte sein "verlorenes Schäfchen" mit seinen prankenartigen Armen. "Wahrhaft ihr seid würdig... Hier nehmt dies - ihr wollt doch nicht der Kälte sterben"
Mit einem verschmitzten Grinsen griff Venenarius in dem an seiner Bauchkordel hängendem Jutesack, um eine mit schwarzer Wolle ausgepolsterten Lederrüstung ans blasse Mondlicht zu befördern und sie dem verdutzten, entblösten Amaran vor die Füße zu legen.
"Beeilt euch mein Freund, wir haben noch eine beschwerliche Reise zu bewältigen, so wahr es das Schaf wünsche...

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Übersetzungen :
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* Er/Sie ist würdig, einzutreten
** Weißt du nicht, mein Sohn, mit wie viel Dummheit die Welt regiert wird? Folge mir und ich werde dir helfen. Von nun an sei mein Jünger…
*** Du wirst verstehen…
**** Hier ist der Ort, an dem das Schaf sich freut, dem Tod zu helfen.
***** Im Namen des heiligen Schafes
15.02.2007, 15:33


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