Beitrag #4
Nebu kniete nieder, langte mit seiner Rechten zu Boden und griff nach einer Hand voll Erde. Er stand auf und hob den Blick. Vor ihm lag ein Wald – „der Wald“. Langsam zerbröselte er die Erde in seiner Hand und sah zu, wie die Brocken zu Boden fielen. Jeder wie ein Teil seiner Geschichte, die hier zu ihren Anfängen zurück fand.
Hier, in diesem Land hatte sie ihre Wurzeln, auch wenn er selbst noch nie hier gewesen war. Oft hatte er sie erzählt bekommen, von seinem Großvater an langen Winterabenden. Der alte Mann wurde dann meist von tiefer Trauer erfüllt, denn er dachte an die Freunde, die er einst in der großen Schlacht verlor – und in der Zeit danach. Jener schier nicht enden wollende Wettstreit im „Wald“ zwischen Dunkelheit und Licht, der den Wendepunkt in seinem Leben bedeutete. Der Großvater kämpfte an der Seite von Freunden und Fremden, und als sich der rote Nebel der Schlacht verzogen hatte, und Nichts übrig blieb, als Schmerz und Verlust, verließ er Rom. Er zog durch die Welt, nirgends so richtig zu Hause, bis er in fernen Gestaden eine neue Heimat für sich fand. Eigentlich eine traurige Erzählung. Nebu hörte sie dennoch gern, die Geschichte von Mut, Tatendrang und Torheit, denn sie weckte Sehnsüchte in ihm. Ein Verlangen nach etwas, dass er selber noch nie gekannt hat. Denn an guten Tagen, nach einer guten Ernte oder einem gute Handel, da erzählte der Mann auch einen anderen Teil der Geschichte. Jenen vom Glück und vom Wohlstand. Von der Freiheit der Handwerker, den Schauspielen in der Arena. Von Rom.
Vor wenigen Monden hatte Nebu seinen Großvater zu Grabe getragen. Niemand würde ihm nun mehr die Geschichte erzählen. Also beschloss er, sie fort zu schreiben. Und er wollte damit dort anfangen, wo sie zuerst angefangen hat. Im Wald von Silva Romae. Er stand auf dem Schlachtfeld jenes großen Toben und der letzte Brocken Erde fiel aus seiner Hand. Übrig blieb ein kleines Stück verwittertes Eisen. Vielleicht die Reste eines zerborstenen Schildes, oder ein Teil einer zerschlagenen Axt. Vielleicht aber auch nur eine zerbrochene Pflugschar – wer weiß. Er steckte es in seine Börse als Zeichen seines Neuanfangs und marschierte in Richtung der Stadt. Vielleicht traf er in diesem Gasthaus zum Drachen ja jemanden, der sich eine Weile mit ihm zusammen setzen würde.
Die Tür schwingt auf zu später Stunde und Nebu gefällt durchaus was er hier sieht. Er setzt sich an den Schanktresen.
„Ob ich wohl ein Bier bekommen könnte, Herr Wirt?“ fragt er. Erzählt mir. Was passiert in diesem Land? Ich bin auf der Suche – nun ja, nach Gesellschaft und Arbeit. Einer Gemeinschaft, in der man sich einander annimmt und auch unterhält. Wisst Ihr vielleicht, wo ich hier so etwas finden kann?
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