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Visionen von Träumen
Anonymous

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Beitrag #1
Visionen von Träumen
Nofretiri schreckte hoch. Seit einiger Zeit war ihr Schlaf ruhelos und traumlos, was für die geflügelte Priesterin eher untypisch war.
Mit einem leisen Seufzer stand sie auf. Dabei fiel ihr Blick auf ihre friedlich schlummernde Tochter Felicitas. Und wie immer, wenn sie ihr Kind betrachtete, erschien ein sanftes wohlwollendes Lächeln auf den wohlgeschwungenen Lippen der Priesterin.

Das Feuer im Kamin flackerte nur noch spärlich vor sich hin und gab mittlerweile auch eher nur noch eine bescheidenen Wärme von sich. Die Engelsdame legte einige Holzscheite nach und setzte sich in den gemütlichen mit Fellen bedeckten Sessel vor dem kleinen Fenster.
Schwarz lag die Nacht vor ihren smaragdenen Augen und das zärtliche Licht des matt weißen Vollmonds wachte friedlich über Rom - die Stadt, in der sich Nofretiri mit ihrer Tochter seit einigen Monden aufhielt.

Mittlerweile war es Herbst geworden in der ewigen Stadt. Die Blätter der Bäume hatten begonnen sich rotgolden zu verfärben, die Tage wurden kürzer und die Nachte dunkler, länger und kälter.
Und nicht nur die Nächte wurden kälter, auch im Herzen der Engeldame wurde es kälter und leerer...

Ein wenig wehmütig dachte Nofretiri an den unbeschwerten Sommer, der hinter ihr und Felicitas lag. Es war eine wunderbare Zeit hier in Rom gewesen - die Zeit, bevor diese beinahe unerträgliche Unruhe, die sie mittlerweile nicht nur nachts sondern auch schon bei Tage verfolgte, in ihr erwacht war.

Die Priesterin wandte ihren Blick vom Fenster zu den Flammen, die gierig an dem Holz leckten, das sie vorhin nachgelegt hatte. Sie lehnte sich in die Felle und seufzte, versuchte doch endlich den Grund zu erkennen, weshalb diese innere Unruhe seit einigen Wochen von ihr Besitz ergriffen hatte.
War es die Trennung von ihrer geliebten Tante Andromache? Oder der Zustand der Heimatlosigkeit, dem sie anheim gefallen war, als der Dämmerwald in Flammen aufgegangen war? Die Leere, die sich daraus ergab, die Wurzeln verloren zu haben?
Nofretiri schüttelte den Kopf, so als wollte sie diese Gedanken von sich abschütteln. Noch nie hatte sie sich sehnlicher nach einem vertrauten Gespräch mit ihrer Tante gesehnt. Die Engelsdame überlegte sich gerade, ob sie nicht durch einen gesandten Traum Kontakt mit Andromache aufnehmen sollte, als sie von einem ihr gut bekannten Gefühl überraschte wurde...

Die eigentlich dunkelgrünen Augen der Priesterin verfärbten sich mit einem Mal schwarz. Ihr Körper versteifte sich und begann zu zittern. Ihr irdisches Bewusstsein schwand und die höhere Ebene der Visionen nahm ihren Platz ein...

...als die Engelsdame sich selbst wieder bewusst wurde, stand ihre kleine Tochter vor ihr und blickte sie mit ihren großen blauen Augen fragend an. Die Priesterin lächelte. Jetzt kannte sie den Grund ihrer inneren Unruhe und mit einem Mal war ihr klar, was zu tun war.
Sie zog Felicitas auf ihren Schoß und nahm das Kind in ihre Arme, küsste die goldenen Locken der Kleinen. Sanft wiegte sie sie in ihren Armen hin und her und sprach zu dem verschlafenen Kind wie auch zu sich selbst.

"Jetzt wird alles gut.
Alles wird gut werden..."




Behutsam brachte Nofretiri die kleine Felicitas wieder zu Bett. Sie strich dem Kind zärtlich über die Stirn, sprach ein kurzes Gebet und versetzte das Mädchen in einen tiefen Schlaf, um für ihr Vorhaben ungestört zu sein.
Dann entzündete die Priesterin eine weiße Kerze und setzte sich wieder in den mit Fellen bedeckten Stuhl vor dem kleinen Fenster. Sie schloss die Augen und konzentrierte sich sanft hin und her wiegend auf ihren Atem, bis sie den gewünschten Trancezustand erreicht hatte und ihr Geist den Körper verlassen konnte. Denn nur dann war es der Engelsdame möglich im Traum ihrer Tante Andromache zu erscheinen...


...to be continued in 3 days...
09.10.2005, 18:59


Nachrichten in diesem Thema
Visionen von Träumen - von Anonymous - 09.10.2005, 18:59
[Kein Betreff] - von Anonymous - 12.10.2005, 11:08
[Kein Betreff] - von Anonymous - 15.10.2005, 12:26
[Kein Betreff] - von Anonymous - 18.10.2005, 11:13