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Under Jolly Roger!
Anonymous

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Beitrag #3
 
Die Mittagssonne hatte bereits Stellung bezogen und thronte wie schon an den Tagen des untätigen Ausharrens vor dem Sturm unbehelligt selbst von spärlichster Bewölkung am Firmament, als Kosto sich an seinen ersten Offizier Morgenstern wandte.
Seine Frage nach dem Stand der Vorbereitungen am Katapult zeitigte, wie nicht anders erwartet, eine positive Antwort und wieder einmal ertappte sich Kosto dabei, wie er über die Eignung seines Ersten zum Kapitän sinnierte.
"Sehr gut," entgegnete er, "wir sollten bald in Reichweite kommen."
Wie zur Bestätigung seiner Annahme, vernahm er einen Sekundenbruchteil darauf ein verdächtiges Sirren, das aus Richtung der Virgo zu kommen schien und merklich an Lautstärke zunahm. Reflexartig ruckte sein Kopf herum um, woraufhin er ein scharfen Luftzug neben der rechten Gesichtshälfte vernahm. Mit einem vibrierenden Flattern inmitten des hölzernen Großmasts endete der Flug des Bolzens dicht neben dem Ohr des Kapitäns.
"Wie mit scheint", erklärte er den hastig herbei geeilten Seemännern, "wie mir scheint, sind wir bereits in Reichweite." Und als sich daraufhin bereits erste Lacher ausbreiten wollten, fügte er hinzu: "Ich denke, dann ist es jetzt an uns, ihnen ein bisschen Angst einzujagen. Morgenstern? Das Katapult! Brennen wir ihnen eins über!".
Kurz nach der daraufhin aufbrechenden, von vereinzeltem Jubel durchdrungenen, Hektik an Deck, beugte er sich zu seinem Erstem hinüber: "Aber versenken sie mir den Pott nicht gleich". Mit einem Nicken wandte sich Morgenstern wieder der Katapultmannschaft zu. Die Banmaden erzitterte unter dem ersten Abschuss des Kriegsgerätes, das auf einer speziellen Konstruktion mittschiffs untergebracht war. Eine hohen Bogen am Himmel beschreibend, schoss der in Kugelform gehauene Basaltblock davon um schließlich ca. 30 Ellen vor der Virgo eine beinahe haushohe Fontäne zu hinterlassen.
"Haltet auf Ihr Großsegel!", befahl er, und nach einigen weiteren Versuchen beobachtete er zufrieden, wie eine Kugel die nach backbord weisende Rah durchschlug und das Segel arg in Mitleidenschaft zog. Die Mannschaft der Virgo machte sich zwar bereits aus, um die Schäden zu reparieren, der nächste Schuss aber war auf die gleiche Stelle gezielt und riss ein beträchtliches Kreisrundes Loch in das über ihren Köpfen baumelnde Segel und hatte zur Folge, dass keiner der Matrosen der Virgo sich mehr bewegen ließ, die Arbeiten wieder aufzunehmen. Offenbar war es mit der Moral der Besatzung des Handelsschiffes nicht allzu weit her.

Die erneute Beschädigung der Virgo wirkte sich verheerend auf deren Fahrt aus. Binnen weniger Minuten waren die Piraten heran und brüllten bereits drohend zu den Seemännern auf der Virgo hinüber, lehnten sich über die Reling und schlugen mit ihren Säbeln, Äxten und Knüppeln gegen die Bordwand - ein wahrer Höllenlärm.
Der Kampf selbst währte nur wenige Minuten. Die Entertrupps, nur von vereinzeltem Armbrustfeuer bedrängt, warfen Ihre Enterhaken aus und pullten die Virgo längsseits. Stege wurden über den verbleibenden Zwischenraum gelegt und schon strömte die Crew der Banmaden auf das feindliche Deck. Die durch den Sturm und die Eindrücke der letzten Stunden demoralisierte Mannschaft der Virgo stellte den Widerstand schon kurz nach Beginn des ungleichen Kampfes ein. Acht von Zehn dieser Männer war ohnehin als Sklave auf das Schiff verschleppt worden und hegte keinerlei persönliches Interesse am Schicksal ihres Schiffes. Waren die gedungenen Söldner und Offiziere an Bord eines Händlers erst einmal ausgeschaltet, so eine der persönlichen Überzeugung Kostos, war der Rest meist ein Kinderspiel.

So kam es denn, dass er sich, nur Minuten nachdem der erste Pirat einen Fuß auf die Banmaden gesetzt hatte, der Kapitän der Virgo sich vor ihm verbeugte und mit beiden Händen seinen Säbel anbot. Er blickte Kosto aus Mitleid heischenden Augen heraus an, seine walrossartigen Wangen rot schimmernd, den fettleibigen Leib nur mit Mühe in gebückter Position haltend.
"Halten zu Gnaden, mein Herr," begann er, "die Virgo steht zu ihrer Verfügung."
"Ich denke ihnen", antwortete Kosto lächelnd, "aber sagen sie, erkennen sie mich denn nicht wieder?"
Verstört blicke sich der so angesprochene um, verzweifelt nach einem Hinweis auf die richtige Antwort suchend.
"Ich bitte um Verzeihung, aber mir will beim besten Willen nicht einfallen, bei welcher Gelegenheit...".
"Wir trafen uns vor ein paar Monaten zum Wagenrennen, rein zufällig natürlich", suchte Kosto ihm mit einem Augenzwinkern auf die Sprünge zu helfen. Immer noch beherrschte jedoch blanke Ahnungslosigkeit die Züge seines Gegenüber.
"Ich empfand es als überaus schmeichelhaft von einem so renommierten Herrn wie ihnen zu dieser üppigen Festlichkeit auf ihrem Anwesen eingeladen zu werden. Als noch viel schmeichelhafter jedoch empfand ich ihre Offenherzigkeit, was die genauen Daten dieses Transports der Virgo angeht. Sehr, sehr blauäugig von ihnen, ich muss schon sagen..."
Blankes Entsetzen spiegelte sich auf dem feisten Antlitz des unterlegenen Kapitäns, was nicht etwa daran lag, dass der Inhalt dessen, was ihm da gerade gesagt wurde, ihm ein Licht aufgehen ließ. Es war vielmehr der ägyptische Akzent, den Kosto noch immer trefflich zu imitieren wusste, der ihn eins und eins zusammenzählen ließ und nun die niederschmetternde Nachricht in sein Bewusstsein hämmerte.
"Aber...sie waren doch...ich hatte doch...", entfuhr es dem um Atem ringenden Handelskapitän.
"Bringt ihn mit den anderen ins Unterdeck!", befahl Kosto den grinsenden Piraten, die ihn umstanden, woraufhin der sich nun im Schraubstockgriff zweier Matrosen sich befindende Kapitän flehte, man möge ihn doch bitte nicht mit seinen ehemaligen Untergebenen in eine Unterkunft sperren.
"Aber, aber", unterbrach Kosto die Tirade, "als ein guter Kapitän haben sie doch in Gegenwart ihrer Mannschaft rein gar nichts zu befürchten!". Vom lauten Gelächter der Piraten begleitet wurde der zappelnde Kapitän fortgeschleppt und verschwand im Niedergang zum Unterdeck.

Einer der Leichtmatrosen trat auf Kosto zu und erweckte dessen Aufmerksamkeit.
"Kapitän. Wir haben einen Gefangenen gefunden. Seltsamer Kerl...uralt... erzählt irgendwas von Piraten und dass er was wüsste, was und interessieren würde. Was wollte er mir nicht sagen, wollte nur mit dem Kapitän sprechen. Glaub nicht, dass da was dran ist, aber ich dachte ich sag das mal. Man kann ja nie wissen..."
Kosto überdachte kurz die anstehenden Aufgaben und antwortete dann: "Erzahl Morgenstern davon. Er soll den Alten ausquetschen. Gute Arbeit, Matrose. Weitermachen...".
Doch der Blick des Piraten haftete entgegen seiner Überzeugung nicht etwa an seinen Lippen, sondern vielmehr an dem Anblick, den seit einem Moment seine Kameraden boten, die aus dem Laderaum, schwer bepackt mit kostbaren Gegenständen aller Art, zurück an Deck kamen und dort ausnehmend euphorisch begrüßt wurden...
02.03.2005, 23:54


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Under Jolly Roger! - von Anonymous - 01.02.2005, 22:50
[Kein Betreff] - von Anonymous - 21.02.2005, 12:44
[Kein Betreff] - von Anonymous - 02.03.2005, 23:54
[Kein Betreff] - von Anonymous - 13.04.2005, 17:46