Beitrag #2
Der Wind rüttelte an den Holzstämmen der Hütte, als die kleine Geflügelte erwachte...
Verwirrt setzte sich andromache in ihrem Bett auf und blickte sich um. Ihre Tochter anwen schlief selig ruhig im kleinen Bett neben ihr und die Pumadame Lilith hatte sich zu den Füßen des Kindes zusammengerollt.
Der Engel schüttelte den Kopf, ihre roten gewellten Haare lösten sich aus dem Knoten, den sie zum Schlafen trug. Sie schlug die Decken zurück und erhob sich so leise wie möglich aus ihrem Bett und griff nach dem wollenen Schultertuch.
Nahezu lautlos öffnete sie die Tür der Hütte und trat in die beginnende Morgendämmerung hinaus...
Nach einigen Schritten hörte sie die Gischt rauschen, wie sie an die Klippen schlug - wie wohl fühlte sie sich doch hier im Land ihrer Ahnen! Die Geflügelte ging schweigend weiter, die kalte vom Tau feuchte Erde unter ihren bloßen Füßen. Erst an den Klippen machte sie halt, blickte auf die scheinbar endlose See, an deren Ende irgendwo ihre Nichte war, weit entfernt, in Rom...
andromache setzte sich auf einen der Steine und sah den Sternen auf, die langsam verblassten und dem Licht des neuen Tages den Weg bereiteten.
Der Traum, aus dem sie erwacht war, beschäftigte die Gedanken der Geflügelten - ein Traum gesandt von ihrer Nichte, so viele tausend Fuß von ihr entfernt...
Der Engel schloss die Augen und wieder sah sie die Bilder vor sich - ein Land, so saftig grün im Sommer und doch eisig weiß im Winter. Ein See, glitzernd wie tausend Kristalle und eine Stadt...
Und wieder hörte sie die Frage ihrer Nichte...
Abermals seufzte sie, dann öffnete sie langsam ihre smaragdenen Augen und blickte in den neuen Tag.
Sie ging zurück zur Hütte und holte eine vom Alter schon trüb gewordenen Silberschale - leise, um anwen nicht zu wecken. Lilith hob kurz den Kopf, doch ein Lächeln von den Lippen des Engels und ein kurzer Gedanke an den Puma führten dazu, dass sich die Raubkatze wieder gemächlich einrollte und weiterschlief.
andromache trat vor die Hütte und schlug den Weg zur kleinen Quelle, die im Hain der Priesterinnen lag, ein. Dort füllte sie die Schale mit dem kalten Wasser daraus und stellte sie auf die Erde.
Der Engel setzte sich davor, leerte ihren Geist von allem Unnützen und begann ihren Atem langsamer werden zu lassen, bis sie in einen tranceähnlichen Zustand verfiel.
Vor ihren Augen begann sich das Wasser kurz zu kräuseln, die ewige Stadt erschien als Bild auf der nun wieder glatten Oberfläche - ein Raum, ihre Nichte - schlafend mit ihrer Tochter in den Armen...
Durch Zeit und Raum drangen die Worte, die der Engel nun sandte - durch Zeit und Raum in ein neues Leben...
"Geh....
Suche…
Wir werden uns dort treffen…"
Ein kalter Schauer lief über den Rücken der Geflügelten und das Gefieder ihrer Flügel sträubte sich, als andromache wieder ins Hier und Jetzt zurückkehrte.
Ein wissendes Lächeln lag auf den Lippen der Engelsfrau, das Wissen, dass ihre Nichte, wenn sie sich an diesem Morgen das Wasser in ihre Schale zum Waschen leeren würde, sie ihre Nachricht erhalten würde...
andromache hob ihre Schale, schüttete das Wasser weg und machte sich auf, anwen und Lilith zu wecken, sich vorzubereiten - ihre Zeit in Britannien war vorüber...
***
"Verflucht, wo bleibt sie denn schon wieder?", kam Elisa in den Sinn, während sie der Kellnerin ihre Bestellung aufgab. Es war zehn nach neun und Nadja war noch immer nicht da - normalerweise war es doch Elisa, die zu spät kam.
"Naja, was soll's, hat sie wahrscheinlich die Straßenbahn versäumt..", grinste die junge Geschichtestudentin, während sie die Unterlagen über den aktuellen Kursus aus ihrer Tasche zog.
Gerade, als sie das Kapitel über die Wirtschaftssituation der 18. Dynastie des alten Ägypten aufschlug, schreckte sie Nadjas Stimme aus ihren Gedanken
"Hi Süße - sorry, dass ich so spät dran bin."
Nadja setzte sich mit einem Aufseufzen hin und Elisa griff in weiser Vorausahnung zu ihren Zigaretten. "Na komm, Baby, nimm eine und erzähl…", wenngleich Elisa wusste, die letzten Worte hätte sie sich sparen können.
Nadja nahm das Angebot war und noch während sie die ersten Worte sprach, tat sie zeitgleich den ersten Zug.
"Also... erstens… mein Fön hat heute früh den Geist aufgegeben, dann hab ich klarerweise die Straßenbahn versäumt, dann - einen Cafe Latte bitte - ", wandte sie sich während des Wortschwalls an die Kellnerin, die sie nach ihren Wünschen fragte. "war da noch diese Kontrolle von den Straßenbahnheinis und ich meinen Ausweis weißt eh, irgendwo... Na, eben aussteigen und so, Tasche leeren, und endlich, da war er - und die Straßenbahn weg!"
Elisa lehnte sich zurück und schmunzelte, das klang nach einem richtig guten Start in die Woche - wie Garfield immer sagte, Montag morgens...
Derweil war Nadjas Cafe Latte gekommen und diese nahm einen Schluck...
"Hey verdammt, seit wann ist das lauwarme Zeug in diese Bude so heiß?", entfuhr es ihr, als sie sich die Zunge leicht verbrannt hatte und die Tasse scheppernd wieder abgestellt hatte.
Elisa grinste leicht gehässig und dämpfte ihre Zigarette ab. "Tja, die haben die Maschine reparieren lassen letzten Freitag..."
Nadja machte eine wegwerfende Bewegung und weiter ging's im Text.
"Na auch egal, also..."
Weder Elisa noch Nadja beachteten die alte Frau, die am Nebentisch saß, obwohl sie ein seltsames Bild abgab. Ein großer schwarzer Hut, eine Nickelbrille, einen alten abgetragenen Mantel und in den faltigen Händen einen ledernen Beutel, der aussah, als hätte er mehr als einen Weltkrieg schon hinter sich - eigentlich, als hätte er die Antike schon gesehen...
Die Alte schmunzelte verstohlen, während sie dem Gespräch der beiden jungen Frauen lauschte...
...to be continued in 3 days...
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