Der Sand der Arena war seinen blossen Füssen wohlvertraut, umschmeichelte diese, wärmte sie- ganz im Gegensatz zu dem eisigen Nebel, der ihn frösteln liess. Einmal noch hatte er in der Arena stehen wollen, gedachte seine Blicke wandern zu lassen... Sein Lachen war bitter. Nebel hüllte das Kollosseum in ein weisses Leichentuch, gewährte ihm nicht den Anblick, den er gehofft hatte, noch einmal in sich aufnehmen zu dürfen. Die Blindheit, mit der der Imperator geschlagen ward, hatte nun auch ihn ergriffen, hielt ihn mit nebligen Tentakeln umschlungen. Ein erneuter Hustenanfall schüttelte ihn, fast teilnahmslos musterte er die roten Flecken im Sand, die dieser hinterlassen hatte, rasch verblassend, im Nebel begraben. Schweratmend stützte er sich auf seinen Stab, der ihm nun seine Keule ersetzte- eine Krücke, die nun statt seiner Keule ein unentbehrlicher Begleiter zu werden drohte.
Unnatürlich laut klang sein Herzschlag in seinen Ohren, einer geschlagenen Trommel ähnelnd. Andere Geräusche durchdrangen den Nebel
Schwert, das die es schützende Scheide verliess, Axt, die den Nebel schneidend geschwungen wird, Kettenrüstungen, deren Glieder aneinander rieben.... Niemals vergessene Reflexe liessen ihn instinktiv handeln, er schwang den Stab
Axt, die an diesem harmlos abglitt, Schwert, dem Angreifer aus der Hand gerissen wurde, ein Nasenbein, dem Angreifer ins Hirn getrieben, ein Schild, zertrümmert von der Wucht seines Schlages... Doch die Gegner Anzahl schien nicht zu enden, unaufhörlich drangen sie auf ihn ein, geisterhafte Gestalten, dem Nebel entsprungen...
Der dumpfe Trommelschlag steigerte sich zu einem Trommelwirbel, verstummte abrupt, ebenso abrupt wie der Schlag seines Herzens. Der Sand der Arena erhob sich zu wirbelnden Fontänen, die Erde erbebte unter seinen Füssen, erweiterte sich zu Spalten, die seine Gegner gierig verschlangen. Sein letzter Blick sah den zurückweichenden Nebel, das Kolloseum, sich in bebenden Krämpfen schüttelnd, die Loge des Imperators, zerbröselnd, verschlungen von der Gewalt des Bebens... Stille, Dunkelheit...
***
"Prediger? Der mit der Keule?" Er blickte verwirrt auf, sah eine berittene Walküre, die hoch zu Ross ungeduldig auf ihn herabblickte. "Ähm... ja, der bin ich... oder war ich? Wo bin ich hier?" "Unwesentlich. Du wirst erwartet!" Die Walküre deutete auf auf eiinen Berg, dessen imposanter Gipfel sich am fernen Horizont erhob "Dort!". Der Prediger erhob sich ungewohnt behände, er fühlte sich erstaunlich leicht, beschwingt. "Wie komme ich dorthin?" Die Walküre schnaubte verächtlich "Mit mir. Aufsitzen!" Verwirrt schüttelte der Prediger sein Haupt, versuchte, sich zu orientieren: "Niemals habe ich in meinem Leben den Rücken eines stolzen Rosses gebeugt, und werde das jetzt auch nicht tun. Auf Schusters Rappen bin ich immer unterwegs gewesen, ich gedenke nicht, das jetzt zu ändern!" Die Walküre zuckte gleichgültig mit den Schultern: "Tausende von Stufen wirst Du dann erklimmen müssen, um Dein Ziel zu erreichen. Jede Stufe eine Herausforderung, die es zu meistern gilt!" Der Prediger sah zum Gipfel des Berges hinauf: "Was erwartet mich dort?" "Die Arena. Ewige Kämpfe in dieser. Gegner ohne Zahl. Für Immer. Für Ewig!" Des Predigers Lächeln ward selig: "Dann reite doch schon mal vor und kündige mein Erscheinen an... Nichts und Niemand wird mich daran hindern können!"
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Vorsichtig erhob sich der Nubier, betastete seine Knochen. Die bebende Erde hatte diese zum Glück verschont. Der Alte Mann lag regungslos inmitten der Arena, nun in Trümmern. Er hatte sich zu einem letzten Kampf gestellt, gegen Gegner, die der Nubier im Nebel nicht hatte erkennen können. Am Leichnam angelangt, wollte er dessen Augen schliessen, doch er verharrte... Nein, das würde er nicht, denn der Ausdruck der Augen zeigte nicht Grauen, nicht Entsetzen, stattdessen absolute Glückseligkeit.
Behutsam hob er den leblosen Körper an, erstaunt, wie leicht dieser war. Sah sich um, im Kolloseum, das in Trümmern lag. Die Loge des Imperators- verschwunden, an deren Stelle ein tiefer Riss in der Erde. Die Zuschauerränge. Zerschmettert von der Faust eines Titanen. In den Überresten des Kolloseums nur zwei weitere Gestalten sichtbar. Einer, ihm unbekannt, mit entsetztem Gesichtsausdruck, gleichzeitig voller Wut in den Himmel starrend, die dort kreisenden Schwärme von Krähen und Elstern gebieterisch musternd. Der andere, ihm bekannt, ein Gladiator voller Gleichmut, verwurzelt mit der Erde, selbst nicht durch bebende Erde zu erschüttern.
Der Nubier wandte sich ab von diesem Orte, an dem wohl in nächster Zeit weder Gladiatoren auftreten noch Zuschauer diese Kämpfe verfolgen können würden. Der Prediger hatte seinen Nachfolger vor seinem Tode benannt. Er war gespannt, ob dieser es vermochte, diese Bürde mit Würde zu tragen... und mit Leben zu erfüllen!