Beitrag #5
RE: Des Predigers Rückkehr
Eusebius und der Prediger waren nicht gerade befreundet, doch sie kannten und achteten einander. Allerdings trennten sie auch gute 15 Jahre Altersunterschied. Der Prediger gehörte zu der Generation, die Eusebius noch im Kollosseum als Junge bewundert und von denen er sich später beim Training die eine oder andere Fertigkeit im Kampf abgeschaut hatte. Unter den Gladiatoren galt der Prediger als nahezu unbesiegbar. Dieser Ruf verstärkte sich später noch, als er als verschollen galt, niemand wusste, wo er abgeblieben war und seinen Arena-Kämpfen mit schwindender Erinnerung oder aufgrund der blühenden Phantasie des Erzählers so manche Fabel hinzugedichtet wurde. Dies jedenfalls dachte sich Eusebius, dem manche Geschichten über den alten Gladiator schlichtweg unglaubwürdig erschienen. Geschichten von Möchtegern-Helden, die selbst nie Arena-Staub gefressen hatten.
Nun also stand er dort, der alte Haudegen. Vorbild römischer Gladiatoren und Held der Römer. Wenn er kämpfte, ächzte das Kollosseum unter der Last der Menschenmenge und jeder seiner Treffer wurde mit einem Beifall begleitet, der Gänsehaut verursachte. Wenn es einen gab, dem die Römer folgen würden, dann ihn. Doch ohne Bewaffnung kein Aufstand. Eusebius wurde in dem Augenblick, als er dort oben die sich zuspitzende Szenerie beobachtete bewusst, dass seine Schmiede womöglich eine Schlüsselrolle spielen könnte für eine Revolution des Proletariats. Zumal sein neues Schwert, welches leichter, länger und doch wesentlich austarierter und stabiler sein würde als alles, was bisher bekannt war, seinem Anwender einen großen Vorteil verschaffen könnte. Umso mehr, je geübter dieser im Umgang mit dem Schwerte war, und die meisten Gladiatoren waren dies. Aber wie sollte er die Waffen den Gladiatoren zuspielen? Es waren doch die Waffen des Imperiums. Maximus´ Waffen! Es musste eine Lösung für dieses Problem geben. Entschlossen tat es Eusebius den anderen gleich und reckte seinen nach unten gesenkten Daumen in die Höhe.
Wenig später glaubte er, ein Geist spräche zu ihm. Diese Stimme mit dem unverkennbar britischen Akzent kannte er wohl, doch? War das wirklich dieser Ritter, dieser Snob des Kollosseums, der damals Corums eiserne Wölfe übernommen hatte? Das musste doch schon fast ein Jahrzehnt her sein. Den hatte Eusebius jetzt nicht hier erwartet. Doch je mehr von den alten Recken wiederkamen, desto grösser sollte doch die Chance sein, in Rom etwas zu verändern, war´s nicht so?
„Lancelot und seine eisernen Wölfe!? Sag nicht, Euren wilden Haufen gibt es noch. Ist der letzte Rest von euch nicht zu den Bayern gegangen? Asil? Natürlich! Jetzt fällt es uns wieder ein. Ihr ward sehr viel mit ihr unterwegs. Politik und so weiter. Zufällig haben wir sie erst vor einer Stunde noch gesehen. In der Taverne der Waldläufer. Dort haben wir ein Zimmer und asil wohl auch. Es hat sich viel getan mit den Jahren Lancelot. Aber eine Schmiede besitzt der alte Eusebius noch, wenn auch erst seit kurzem wieder. Direkt gegenüber der Taverne. Komm morgen dorthin und wir zeigen Dir ein vollkommen neues Schwert. Wir haben Zeichnungen davon angefertigt. Da wirst Du Dein Blechding da wegwerfen. Glaub es uns nur. Rom kann warten. Über Rom reden wir morgen. Geh nur zu Deiner asil.“
Der Ritter klopfte ihm dankend auf die Schulter, rief seine Gruppe zusammen und verließ den Platz wieder. Eusebius schaute ihm eine Weile nach. Es war schon seltsam. Es passierten so viele merkwürdige Dinge in den letzten Tagen. Als würde sich die Welt schneller drehen. Oder doch zumindest die römische Welt hier in dieser Stadt. Seiner Stadt.
Aus dem Notizbuch des Eusebius von Caesarea:
Wo Gott nah ist, ist auch der Teufel nicht fern.
Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden.
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